Luft- vs Kammertrocknung

Strawanski

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Hi,
Ich lese hier immer wieder vernichtende Aussagen zu luftgetrocknetem Holz. Teilweise wird so geschrieben, als könnte man das Holz nicht verarbeiten, geschweige denn ein vernünftiges Möbel daraus bauen.

Das verwirrt mich. Schließlich wurden bis vor relativ sehr kurzer Zeit alle Möbel aus luftgetrocknetem Holz gebaut. Und wenn ich dazufügen darf, das waren ja mitunter feinste Möbel, die noch heute stehen und schon Jahrhunderte alt sind.

Auch Nakashima, Krenov oder Maloof haben meines Wissen luftgetrocknete Hölzer verbaut. (korrigiert mich, falls ich irre)
Im Netz liest sich das Thema deutlich entspannter und da findet man auch Meinungen, die Lufttrocknung der Kammertrocknung vorziehen.
Mich würde eure Meinung und Erfahrung dazu interessieren. Als Neuling ist das recht verunsichernd.

LG
 

IngoS

ww-robinie
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Hallo,

Früher waren die Räume wesentlich schlechter geheizt, als heute (Ofenheizung und die "Gute Stube" nur, wenn Besuch kam). Da war die relative Luftfeuchtigkeit, auch in der Wohnung deutlich höher. Heute bei zentralgeheizten Räumen liegt die oft um die 30%. Da trocknet das Holz gewaltig runter. Sieht man oft an alten Bauernschränken und Biedermeiermöbeln, die man in moderne Wohnungen stellt, dass in der Heizungsluft Fugen aufgehen und es zu erheblichem Schwinden und Verziehen kommt.
Darum wird heutzutage gern das Möbelholz auf 8% runtergetrocknet, was mit Lufttrocknung eher nicht möglich ist und also Kammertrocknung erfordert.
Ich selbst habe bisher nur luftgetrocknetes Holz verarbeitet, was bestenfalls 10 bis 11% Feuchtigkeit hat. Das erfordert aber eine besondere Beachtung des Holzes und der Verarbeitung. Schwinden und Quellen müssen dem Holz in erweiterten Grenzen durch die Konstruktion möglich sein. Lage der Jahresringe im Brett, Verleimregeln... Wenn man das alles beachtet, lassen sich auch gute dauerhafte Möbel mit luftgetrocknetem Holz herstellen, Allerdings nicht direkt vom Stapel auf dem Hof oder in der Scheune, wo das Holz eher 15% Feuchtigkeit hat, sondern mit Nachtrocknung am Bestimmungsort.

Gruß

Ingo
 

Gelöscht stwe

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Hallo,

man kann das Holz schon verarbeiten, man muss aber halt damit rechnen, dass das Holz im Wohnraum dann noch deutlich schwindet. Man muss die Konstruktion halt so anlegen, dass dieses Verziehen aufgefangen wird.

Schau dir beispielsweise diese Tabelle an: https://community.fachwerk.de/index.cfm/ly/1/0/image/a/showPicture/45861$.cfm
Für 20°C und 50% Luftfeuchtigkeit (d.h. typisches Raumklima) hast du eine Holzausgleichsfeuchte von 9%. Beim Lufttrocknen kommst du aber maximal auf 12-15% Holzausgleichsfeuchte. D.h. dein Holz trocknet im Wohnraum nach und schwindet dementsprechend. Dann kannst du mithilfe der Schwindmaße (https://www.holzvomfach.de/fachwissen-holz/wissenswertes/holzwissen/quellen-und-schwinden/) ausrechnen, wieviel das Holz noch schwindet.

Beispiel: Eiche schwindet laut der Tabelle in tangentialer Richtung um 0,35% je 1% Holzfeuchteänderung. Wenn das Holz also von 14% auf 9% runtertrocknet, schwindet das Holz um 0,35% * 5 = 1,75%. Bei einer 1000mm Tischplatte wären das also 17,5 mm an Änderung (also im unglücklichsten Fall wenn man wirklich nur tangentiales Holz hat, durch geeignete Holzauswahl und Verleimregeln etc. lässt sich das sicher noch verbessern).


Viele Grüße,
Stefan
 
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netsupervisor

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Ich habe schon luftgetrocknete Buche verarbeitet, allerdings zu einer Hobelbank in einer nicht ständig beheizten Werkstatt. Das geht natürlich ohne Probleme, darüber hinaus ist die ungedämpfte Buche optisch attraktiver für mich. Im Innenraum kann sie einen wahnsinnig machen.

Ich habe neulich Hybride gekauft: erst luftgetrocknet, die Restfeuchte heruntergesetzt mit kurzer Kammertrocknung. Ich verlasse mich da auf den erfahrenen Holzhändler, der selbst trocknet und aufsägt.
 

Mitglied 59145

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Ich halte das für einen Mythos, also das Lufttrocknung Vorteile bringt.
Es ist halt deutlich weniger Energie, das wird noch mehr eine Rolle spielen als bisher.

Ideal für mich ist ein paar Jahre an der Luft, dann nochmal in die Kammer.

Wohnraum trocken ist heute halt was anderes als früher. Das würde ja schon erklärt.

Gruss
Ben
 

Holzrad09

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Ich halte das für einen Mythos, also das Lufttrocknung Vorteile bringt.
Unser Altmeister sagte immer als er noch lebte und ein Kunde etwas bestimmtes wollte
Da brauchen wir ganz anderes Holz - winterschnitt und luftgetrocknet
Ich habe da mal nachgehakt und da meinte er - es würde besser stehen, der schnelle Feuchtigkeitsentzug wäre nicht so gut, besser wäre eine langsame Trocknung mit immer mal etwas Feuchtigkeitsaufnahme.
erst luftgetrocknet, die Restfeuchte heruntergesetzt mit kurzer Kammertrocknung.
Das finde Ich eigentlich ideal.
LG
 

Mitglied 59145

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@agnoeo verschalt oder Schalrisse kenne ich.

@Holzrad09 da gibt es interessante Sachen. Irgendwas habe ich mal mitbekommen, dass die Eichen Fällen und dann liegend nochmal austreiben lassen.

Eine Fällung immer Winter ist für Nutzholz hoffentlich Standard.

Gruss
Ben
 

LaettaLight

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HI,
ich habe hier ein extremes Beispiel zu Ingos Bemerkung aus #2. Alter (ca.100J?) Kiefernschrank im modernen Wohnzimmer bei 40% Luftfeuchte. Die Füllung der Türe ist um fast 2 cm geschwunden.
 

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Holzrad09

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ich habe hier ein extremes Beispiel zu Ingos Bemerkung aus #2.
Du kannst ausschließen, dass der Schrank mal Feuchtigkeit aufgenommen hat ?
Eine Fällung immer Winter ist für Nutzholz hoffentlich Standard.
Da bin Ich mir nicht so sicher.
Waren am Wochenende mit Hund im Wald spazieren, da standen Bauwagen und lagen frische Holzabschnitte. Ist zwar noch März aber bin mir sicher, das man heutzutage zu jeder Jahreszeit fällt.
LG
 

LaettaLight

ww-eiche
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Du kannst ausschließen, dass der Schrank mal Feuchtigkeit aufgenommen hat ?
Hi Holzrad,
nein ist eher wahrscheinlich dass er mal feucht wurde. Der Schrank ist ein Erbstück (Gebrauchsmöbel von den Großeltern) und wurde vor ca 30 Jahren von meinem Vater zum Abbeizen gegeben und neu aufgearbeitet. Damals wurde viel mit Abbeizbädern und Tauchen gearbeitet. Die Füllung sitzt auch nicht zentriert. Die Seiten (Brettbauweise) haben auch Risse, da innen Leisten als Regalträger sperrend aufgeschraubt wurden. Wenn ich mal Zeit habe gehe ich an den Schrank ran. Alles keine dramatischen Sachen. Füllung zentrieren, Seiten neu Verleimen, Tür mit Zapfenband neu Ausrichten.
Grüße
Tobias
 

Lorenzo

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Ich hab bei mir in der Werksatt erst einmal kammergetrocknetes Holz verwendet, und ich fands total witzig mal die andere Richtung vom Arbeiten des Holzes mitzukriegen. Es war ein Brotschneidebrett mit Hirnleisten, und das Brett zwischen den Leisten is sogar im Winter breiter geworden als die Hirnleisten :emoji_slight_smile:
Wie Ingo schon erklärt hat, man muss entsprechend konstruieren und die richtige Holzauswahl treffen.
Ich hab bei mir den Scheunenboden einigermaßen voll mit Holz, will mir jetz zum endfertig runtertrocknen, vor allem für den Sommer, im Winter geht das in nem beheizten Raum im Haus gut, einen Holztrockner bauen der solarbetrieben ist. Das Teil wurde hier schon paar mal verlinkt, ich hab kurze aber sehr gute Erfahrung damit gemacht, und es ist von den Materialkosten überschaubar, und im Gebrauch kostenlos.
https://sbio.vt.edu/content/dam/sbio_vt_edu/documents/Solar Kiln Plans 420-030_pdf.pdf
Für mich ist das die perfekte Lösung, klar, die braucht natürlich Platz. Aber so hab ich vom Baum bis zum Möbelstück alles selbst in der Hand.

Ich denk auch dass inzwischen recht viel ganzjährig eingeschlagen und so schnell wie möglich in die Kammer geschoben wird. Der Bedarf lässt sich anders wahrscheinlich nicht decken, und die Jobs dahinter sind nicht so saisonal. Das Holz das ich direkt beim Förster bezieh wird nur im Winter geschnitten, da bin ich echt froh drum.

Kleinigkeiten vom ersten selbstgetrockneten Holz hab ich schon gebaut. Dieses Jahr, könnt ich wohl mein erstes größeres Möbelstück aus Apfel bauen, und nächstes Jahr dann auch die dicken Kirschen.
 

netsupervisor

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Dass man früher Bäume im Winter im Wesentlichen eingeschlagen hatte, hatte - so sagt es mein Schwiegervater als Forstwirt - eher praktische Gründe. Der Baum war leichter, der Boden für die Pferde griffiger und die Kälte hat die Pferde beim Rücken eher angetrieben. Im Sommer waren sie fauler und der Boden oft zu weich. Heute macht man sich die geringere Feuchte eher zu Nutze. Mit der Trocknungszeit hat man sich damals sicher nicht so beschäftigt.
 

Lorenzo

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Es waren auch einfach Arbeitskräfte frei die im Sommer anderes zu tun hatten. Ich denk trotzdem dass es den Leuten bekannt war dass der geringere Wassergehalt im Holz auch von Vorteil ist. Vor allem wenn hochwertiges Schreinerhokz draus werden soll.
 

teluke

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Es waren auch einfach Arbeitskräfte frei die im Sommer anderes zu tun hatten. Ich denk trotzdem dass es den Leuten bekannt war dass der geringere Wassergehalt im Holz auch von Vorteil ist. Vor allem wenn hochwertiges Schreinerhokz draus werden soll.
Genau das war der Grund.
Die Bauern haben im Winter im Wald gearbeitet, daran erinnere ich mich noch.
Da wurden die dicken Eichen gefällt.
 

seschmi

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Es gibt auch je nach Region Naturschutz-Regelungen, die Fällungen während der Vogelbrutzeit verbieten, üblicherweise von April bis September. Früher war das ganz einfach: Im Sommer musste auf den Feldern gearbeitet werden, da gab es keine Zeit zum Fällen.

Jemand hat hier auch mal eine Studie verlinkt, dass der Wassergehalt im Holz im Winter gar nicht geringer ist - das scheint ein Mythos zu sein.

Zur Trocknung: Holz ist ja etwas plastisch, da kann es schon sein, dass sich bei längerer Lagerung Spannungen abbauen. Da bei Lufttrcknung das Holz jahrelang liegt, kann das schon etwas ausmachen.
 

kgb007

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Unterschieden werden muss zwischen der reinen Trocknung und dem Altern des Holzes. Die flexiblen Anteile im Holz verhärten mit der Zeit, das Holz arbeitet sich über die Jahreszeiten „tot“. Deshalb folge ich der Erkenntnis, dass abgelagertes Holz sich besser zum Möbelbau eignet als lediglich kammergetrocknetes. Was benötigt wird ist ausreichend Lagerplatz! Die Produktivität einer Tischlerei ist vielfach höher als vor hundert Jahren. Deshalb kommt das aus der Mode.
 

Lico

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dass es den Leuten bekannt war dass der geringere Wassergehalt im Holz auch von Vorteil ist.
AFAIK geht das nicht um den Wassergehalt sondern um Nährstoffe, vornehmlich Zucker, die Holzschädlinge lecker finden. Von denen ist in der Ruhephase weniger im Splintholz. Aus dem gleichen Grund gilt geflößtes Holz auch als resistenter gegen Schädlinge.

Lico
 
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Holzrad09

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AFAIK geht das nicht um den Wassergehalt sondern um Nährstoffe, vornehmlich Zucker,
Ähm ....
Zucker spielt zwar auch eine Rolle, wird aber hier nicht explizit aufgeführt.
Warum die Holzernte im Winter stattfindet, hat mehrere Gründe:

  • Bodenschutz: Schnee und Frost sind optimal für den Transport des Holzes, da ohne Schäden an Boden und Forstwegen Bäume entnommen werden können. Auf dem gefrorenen Boden können die Bäume aus dem Bestand an die Forststraße gebracht werden, ohne diesen zu schädigen. Bei der Holzernte hat der Schutz des Bodens höchste Priorität, da er die Grundlage eines ganzen Ökosystems und Basis eines gesunden Waldes und damit einer naturnahen Waldwirtschaft ist.
  • Geringerer Wasseranteil: Im Herbst und Winter, nach dem Laubfall, ist die „saftarme“ Zeit, in dieser Zeit ist der Wassergehalt in den Stämmen der Bäume am geringsten. Dies gilt vor allem für die Laubholzarten wie Buche, Eiche, Ahorn oder Esche. Der geringere Wassergehalt wirkt sich positiv auf die Holzqualität aus.
  • Arbeitssicherheit: Auch aus Arbeitssicherheitsgründen werden Laubbäume von Waldarbeiter oft im Winter gefällt, da die Bäume kein Laub mehr haben. Der Waldarbeiter kann so die Situation in den Kronen besser beurteilen, etwa ob es Totäste gibt, die bei Erschütterung herunterfallen und Verletzungen verursachen können.
  • Holzqualität: In der kalten Jahreszeit besteht keine Gefahr, dass das Holz durch Pilz- oder Insektenbefall an Qualität verliert.
  • Waldschutz: Wird bei der Holzernte der verbleibende Bestand beschädigt, ist in der kalten Jahreszeit die Gefahr geringer, dass sich Pilze und Insekten dadurch verstärkt ausbreiten.
Quelle: https://www.baysf.de/de/medienraum/themenspecials/forstwirtschaft-im-winterwald.html
LG
 

Gelöschtes Mitglied 109767

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Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Denkweise, dass das Holz im Winter weniger "Saft" hat schon mehrfach widerlegt worden:
Ein Beispiel:
  • 4.2.1 Nachweis der Wassergehalts-Änderungen im Tages- und Jahresablauf
    Es ist bekannt, daß der Wassergehalt des Holzes lebender Bäume sich im Tages- und Jahresverlauf ändert. Untersuchungen an gefällten Bäumen belegen dies. Danach ist der Wassergehalt im Stamm von zum Beispiel Buchen in den Wintermonaten und im Mai besonders hoch, während in den Monaten September und Oktober das Holz durch einen relativ geringen Wassergehalt gekennzeichnet ist. Bei Fichten läßt sich ein maximaler Wassergehalt des Splintholzes im April und Februar, ein minimaler Wassergehalt im Mai feststellen. Das trockene Kernholz weist keine Veränderungen des Wassergehalts auf Gleiches gilt für Kiefern.
    Die mobile Computer-Tomographie erlaubt es nun, am lebenden Baum ohne verletzenden Eingriff den Wassergehalt von Kern- und Splintholz zu bestimmen und durch mehrfache Tomographie des gleichen Baumes im Laufe des Tages bzw. Jahres den zeitlichen Verlauf des Wassergehaltes objektiv zu bestimmen. [15]
Quelle:
Computer-Tomographie in der Forstwirtschaft und Baumpflege (Teil 2) (ndt.net)

Wir verarbeiten relativ große Mengen an luftgetrocknetem Holz - einen reproduzierbaren Unterschied in der Trocknung / Restfeuchte nach einer gewissen Zeit in Abhängigkeit von der Erntezeit der Bäume konnten wir nicht feststellen.
Fazit: in Bezug auf den Wassergehalt des Holzes scheint es relativ egal zu sein, wann ein Baum gefällt wird.

Viele Grüße
Alois
 
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