Jugendstil Fenster und Türen: wie wurden sie hergestellt?

9watts

ww-birke
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Mal wieder ein spannendes Thema hier. Danke für all die Beiträge!
Dem möchte ich auch zustimmen.
Soweit habe ich noch niemanden hier vorgefunden der sagt 'als ich dieses Jugendstilfenster neulich ersetzt habe...'
Was passiert heute wenn jemand eine solches Fenster (oder eine Tür) hat, es aber in schlechtem Zustand ist? Gibt es Fensterbauer die für solche Arbeiten zu haben sind? Was könnt ihr mir darüber sagen?
 

frank-n

ww-nussbaum
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Na das ist ja mal ein Thema.
So eine Haustür hab ich noch nicht gebaut. Aber Fenster im Gotischen Stil.
Als Basis diente mein altes Tafelbuch.
Die Sprossen waren Glasteilend, also eine Vorrichtung für die Tischfräse gebaut (Bilder , zeichnungen sinngemäß, ja der Dorn geht normalerweise nicht durch).
Für kleinere Radien das ganze als Oberfräse unter eine Platte geschraubt.
Und wenn nichts mehr hilft,dann Schnitzwerkzeug.
Früher , diese Jugendstil Türen zum Beispiel, wurden Formen gebaut, nach einem 1:1 aufriss , danach auf die große Oberfräse mit kopierstift.
Ich hab diese Türen auch mal Live gesehen, und so Pralle fand ich die nun nicht, da gibt es Türen und Tore die gut 50 Jahre älter sind,und besser da stehen.
Leider Darf ich euch vom Wintergarten keine Bilder zeigen, da der Kunde ,gegen Aufpreis, Photos untersagt hatte, und das auch schon 25 Jahre her ist.

Aber ja, solche Türen zu bauen lernt man nicht in einem Youtube Tutorial, und ihr könnt sicher sein das die so teuer war, das der Geselle der sie Gebaut hat 1 Jahr arbeiten musste um sich so eine Tür zu leisten.

Das Tafelbuch von 1895 war ein Geschenk zu meiner Gesellenprüfung vom Ur-Alt Meister ( Er hatte nichts gegen die Bezeichnung)
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Martin45

ww-robinie
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Es gibt diverse Schreinereien die sich auf Denkmalschutz (sagt dir das Wort was?) spezialisiert haben. Haustüren und/oder Fenster. Die machen tolle Sachen, aber die Sachen kosten auch toll viel Geld. Ich sag mal für "normale" Leute nicht unbedingt eine Option oder nur wenn man zufällig vor 15Jahren mal 10 Bitcoins gekauft hatte.
Hatte mal ein Gespräch mit einem Schreiner einer solchen Firma, da liegen Haustüren schnell bei 25.000+ Euro. Meine Preisklasse für eine Haustür ist das jedenfalls eher nicht, auch wenn die Tür die ich da gesehen habe wirklich handwerklich wie optisch toll aussah. Die werden vermutlich auch Innentüren gegen entsprechende Bezahlung bauen.
 

9watts

ww-birke
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Ich möchte eine solche Tür ja nicht kaufen sondern von denen lernen die so etwas machen, wie man so etwas selber angeht. Denkmalschutz ist mir natürlich geläufig—und auch Denkmalfenster—obwohl ich manchmal überrascht bin was mit dem Begriff so alles gemeint ist.
 

9watts

ww-birke
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Früher , diese Jugendstil Türen zum Beispiel, wurden Formen gebaut, nach einem 1:1 aufriss , danach auf die große Oberfräse mit kopierstift.
verstehe ich das richtig wenn du 'große Oberfräse' sagst daß es sich um eine stationäre Maschine handelt(e)?
Ich hab diese Türen auch mal Live gesehen, und so Pralle fand ich die nun nicht, da gibt es Türen und Tore die gut 50 Jahre älter sind, und besser da stehen.
Besser — also haben die Zeit besser überstanden? Oder waren von vornherein weniger gut gebaut? Ich kann mir schon vorstellen das mit so gewagtem Design auch so manches nicht die Zeit so gut übersteht, anfälliger ist als etwas das einfacher ist mit weniger Kurven.
Aber ja, solche Türen zu bauen lernt man nicht in einem Youtube Tutorial,
deswegen frage ich auch hier.
Das Tafelbuch von 1895
Ich habe ein ähnliches Buch (Neuauflage 2003, aber ursprünglich 1874 herausgegeben). Beeindruckend was da so alles dargelegt wird. Ein entsprechendes Buch für den Jugendstil, das hätte ich gerne.
 

flüsterholz

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Vielleicht helfen ja noch ein paar Ausführungen aus dem Möbelbau im Jugendstil. Mit Türen und Fenstern kenne ich mich kaum aus.
Das, was du an Beispielen zeigst, ist ja zum größten Teil französischer Jugendstil (Art Nouveau), sicherlich die populärste und bekannteste Jugendstilvariante. Die Möbel aus Deutschland und insbesondere Österreich sind da sehr viel geradliniger und oft symmetrisch und nicht so verschnörkelt.
Gerade bei den hochwertigen Art Nouveau Möbeln um Bing, Meier-Graefe oder die Ecole de Nancy kann ich mir nicht vorstellen, dass die maschinell hergestellt wurden. Das würde auch der Idee des Jugendstils (Verschmelzung von Kunst und Handwerk) widersprechen. Gerade der "Peitschenhieb" ist sicherlich handgeschnitzt. Ebenso die ganze Pflanzenornamentik.
Es gab aber auch in Frankreich Entwürfe, die schon auf eine maschinelle Fertigung ausgerichtet waren, dann aber einfacher und weniger verziert waren.
Und dann gab es da noch die Möbel für den kleinen Geldbeutel. Insbesondere in Deutschland waren das die gleichen Möbel, wie in den letzten 30 Jahren, die dann für den Zeitgeschmack lediglich ein paar Pflanzenmotive aufgeklebt bekamen.
Ich denke im Fenster- und Türenbau war es ähnlich.
Da es dir ja um den reinen (französischen) Jugendstil geht, würde ich mich für weitere Informationen mal an das Musèe de l'Ecole de Nancy wenden. Ich denke, das ist für Fragen zur Herstellung im Art Nouveau die erste Adresse.
Evtl. noch das dänische Kunstmuseum in Kopenhagen. Die haben in ihrer Ausstellung auch viel Art Nouveau.
 

flüsterholz

ww-robinie
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Du meinst um Stile von Horta oder van de Velde? Würde ich auch nicht ausschließen, sind sich aber bei Möbeln, zu Beginn zumindest, auch sehr ähnlich. Z.B. Guimard. Später werden die französischen Möbel sicher filigraner. Wie das bei Türen aussieht, ...?
 

9watts

ww-birke
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Von welchem Fenster reden wir da genau, hast Du ggfs ein Bild ?
Stimmt, das wäre wohl hilfreich.
Die Türen (ganz am Anfang) sind tatsächlich aus Belgien, hab ich selber noch nicht zu Gesicht bekommen. Die Fenster hier im Anhang hab ich in Bad Godesberg und Poppelsdorf vorgefunden. Sind für mich beeindruckende wenn auch etwas simplere/symmetrischere Kurven als in den Belgischen Türen.
 

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9watts

ww-birke
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Da es dir ja um den reinen (französischen) Jugendstil geht,
nicht unbedingt, aber es ist hilfreich diese Unterschiede zwischen den verschiedenen Gegenden/Ländern anzuerkennen.
würde ich mich für weitere Informationen mal an das Musèe de l'Ecole de Nancy wenden. Ich denke, das ist für Fragen zur Herstellung im Art Nouveau die erste Adresse.
Evtl. noch das dänische Kunstmuseum in Kopenhagen. Die haben in ihrer Ausstellung auch viel Art Nouveau.
sehr hilfreich. Besten Dank.
 
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weissbuche

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Ich glaube nicht an reine Handarbeit. Die Kollegen vor 120 Jahren waren maschinell gut ausgerüstet. Eigentlich hatten die alles was wir auch haben und natürlich hatten die eine stationäre Oberfraese. Modelle bauen konnten die auch, wo ist also das Problem. In Oslo und Helsinki gibt es ganze Straßen mit ähnlichen Fenstern, die Vorstellung, das das alles in Handarbeit gemacht wurde ist absurd, auch damals war Zeit teuer und es ging ja nicht um 10 Fenster, sondern um 100erte. Viel interessanter ist doch die Frage, welches Material haben die genommen. Aus Brettware geht das nicht, da würde an vielen Stellen kurzes Holz entstehen und die Sprossen nicht halten. Die Figuren müssen also aus mehreren Teilen zusammengesetzt sein. Wenn ich so einen Bogen in mehrere Teile zerlegen, wird auch das Fräsen deutlich einfacher. Wir haben bei uns im Kloster ja auch noch original Oberlichtervon 1785 mit ovalen Sprossen. Die sind nun wirklich reine Handarbeit aber eben auch aus mehreren Teilen zusammengesetzt.
 

9watts

ww-birke
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Ich glaube nicht an reine Handarbeit. Die Kollegen vor 120 Jahren waren maschinell gut ausgerüstet. Eigentlich hatten die alles was wir auch haben und natürlich hatten die eine stationäre Oberfraese.
Ich bin mit Europäischen stationären Oberfräsen nicht vertraut. Bei uns kenn ich die schon.

Die Figuren müssen also aus mehreren Teilen zusammengesetzt sein.
das leuchtet ein und ist hier im Gespräch auch schon einige Male erwähnt worden.
Wenn ich so einen Bogen in mehrere Teile zerlegen, wird auch das Fräsen deutlich einfacher.
also fräsen bevor die Bögen zusammengesetzt wurden? Das hätte ich nicht vermutet.
Wir haben bei uns im Kloster ja auch noch original Oberlichtervon 1785 mit ovalen Sprossen. Die sind nun wirklich reine Handarbeit aber eben auch aus mehreren Teilen zusammengesetzt.
Das würde ich auch gerne mal sehen.
 

Holzrad09

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Die Fenster hier im Anhang hab ich in Bad Godesberg und Poppelsdorf vorgefunden.
Heutzutage würde man solche Fenster als Isolierglasfenster herstellen und die Sprossen wären nur noch aufgeklebt und mit Silikon zum Glas versiegelt.
Das man nicht schräg durch den Scheibenzwischenraum auf das Sprossenklebeband schauen kann, wäre im Glaszwischenraum ein Alusteg ( Wiener Sprosse ), die müssen natürlich die gleiche Form wie die späteren Holzsprossen haben aber da gibt man dem Glasvertreter ein Muster mit und dann klappt das in der Regel.

Glasteilende Sprossen müssten bei Isoscheiben mindestens 5cm breit sein, dass sie das Glas auch tragen können, deswegen klebt man die heutzutage auf.
LG
 

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joh.t.

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bei den Zwergen
Ich hatte neulich Ochsenaugen, Oeuil de beauf, in der Reparatur. Einfachste Fenster aus einer ehemaligen Schule im WW, ohne Denkmalschutz.
Ca 700 x 500.
Die waren aus 4 Teilen zusammen gesetzt.
An den Stößen genutet und mit falschen Federn verbunden.
Repariert habe ich mit Repair-care.
 

9watts

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Heutzutage würde man solche Fenster als Isolierglasfenster herstellen und die Sprossen wären nur noch aufgeklebt und mit Silikon zum Glas versiegelt.
ist mir bekannt. Ich habe vor einigen Jahren in Bonn bei einem Fensterbauer mitgearbeitet, und solche 'Verbesserungen' mitbekommen. Die Fenster die wir 1987 aus Passau in die USA importiert haben sind auch so konstruiert.
Glasteilende Sprossen müssten bei Isoscheiben mindestens 5cm breit sein, dass sie das Glas auch tragen können, deswegen klebt man die heutzutage auf.
beides meiner Meinung nach ästhetisch unvertretbar. Die ausgewogenen Proportionen, die filigranen Sprossen, das Gesamtkunstwerk der einfachverglasten Fenster geht damit verloren.
 

yoghurt

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Hallo,
es spricht ja nichts dagegen einfachverglaste filigrane Fenster zu bauen und sie in Form eines Kastendoppelfensters mit einem Isolierverglasten Fenster zu kombinieren.

Im übrigen gelten deutsche Vorschriften für Dich natürlich nicht, allerdings ist es in kaltem wie warmen Klima sinnvoll gedämmte Fensterkonstruktionen zu bauen, da man ja auch Kondenswasser gerne meidet.
 
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