Wertastung

U.Tho

ww-robinie
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Ja, das ist Arbeit und er Erfolg kommt erst Jahrzehnte später, erlebt man eventuell selber gar nicht. Ich finde diese Wertschöpfung aber gut. Der Zeitaufwand pro Baum ist eigentlich sehr gering im Vergleich zur Wertsteigerung des dann geernteten Stammes.
Wenn ich mit Lehrbeginn anfange in die Rente einzuzahlen, dauert es ja auch lange Zeit, bis ich wieder was davon habe.
 

Mitglied 30872

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...Der Zeitaufwand pro Baum ist eigentlich sehr gering im Vergleich zur Wertsteigerung des dann geernteten Stammes...

Naja, das muss man auch mal durchrechnen. Es ist zwar positiv, 100 Jahre später überdurchschnittlich wertvolles Holz ernten zu können, aber betriebswirtschaftlich betrachtet kann man es auch bleiben lassen. Mit allem drum und dran (Wege, Rüst- und Pausenzeiten) schaffe ich vielleicht 4 Bäume pro Stunde. Da bin ich schon gut. Wenn der bayerische Kollege einen Baum fertig hat, kostet das rund 10 EUR. Wenn ich die 10 EUR 100 Jahre lang verzinse, habe ich mehr verdient und habe auch nicht das Risiko, dass der Baum das Zielalter möglicherweise gar nicht erreicht. Zu Niedrigzinszeiten wie aktuell mag das gehen.
Also: Im Privatwald, nach Feierabend bei einem Spaziergang den einen oder anderen ästen ist schon o.k.. Wenn man aber rechnen muss, sind das doch recht hohe Aufwendungen. Ich glaube nicht mal, dass es bei uns hier tatsächlich durchgeführt wird, wenn auch dann und wann in der Forsteinrichtung geplant.
 

Ben Benson

ww-ahorn
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celle
Davon gab es schon diverse Varianten. Durchgesetzt hat sich keine, da alle in irgendeiner Art die Rinde verletzt haben.
 

Lorenzo

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Das hab ich mir gedacht als ich das Video gesehen hab. Die Äste sind weg, aber der Baum hat auch echt viel Rinde verloren, und jeder Buckel im Stamm wird dann wohl bis in lebendes Gewebe abrasiert. Dann tauscht man Äste gegen Wunden..
 

fragnix

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Wertastung findet auch im Norden statt, mein Sohn macht das gelegentlich in seinem Forstbetrieb.
Die (diese und andere) Kostenbetrachtung tut ja so, als ob es in jeder Minute etwas besseres zu tun gäbe. Das ist nicht so. Meldet der Rottenkollege sich krank, dann muss der Windwurf warten, und es kann (muss) etwas alleine gearbeitet werden. Und da es nicht jedesmal eine Fläche zur Neuanpflanzung gibt, und die Wege auch irgendwann fertig sind, ist Wertastung dann halt mal das Beste, was Du tun kannst.
 

kberg10

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Forstwirtschaft sollte auch einen Lebensinhalt darstellen. Andererseits ist jeder von uns dem Geldverdienen ausgeliefert und muss rechnen.
 

seschmi

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Es wird scheint‘s recht unterschiedlich gehandhabt - zufällig habe ich über das Thema kürzlich mit einem Forstwirtschaftsmeister hier in Franken gesprochen.

Seine Auskunft war wie Turins: Sie machen das schon lange nicht mehr, zuviel Aufwand, lohnt sich nicht.
 

weissbuche

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Hallo,
hier in der Nordheide werden regelmäßig ausgesuchte Nadelholzbestände geästet. Wer sich die Stämme auf der Nadelholzsubmission in Oerrel anschaut, weiß auch warum. Die Preise die dort erzielt werden, würden ohne Ästung nicht zustande kommen.
Gruß Eckard
 

GertG

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Das Denken, daß man heute nur morgens was tun muß, damit man abends was davon hat, ist zwar weit verbreitet, aber in vielen Sachen eben doch falsch.
Ein Bekannter, der beim damals ältesten Klavierbauer der Welt; Ibach in Schwelm, gelernt hat, sagte mir, daß die da früher Holz eingekauft und eingelagert hätten, welches erst Jahrzehnte später in die Produktion gekommen wäre.
Erst als man den Boom der 70er und 80er Jahre ausnutzen wollte und so viel billigen Mist wie möglich zu hohen Preisen unter das Volk gebracht hat, wäre auch die Firma von ihrem Ruf her irreparabel geschädigt worden. Das über hundert Jahre alte Lager hat man in der Zeit auch geplündert, statt immer wieder neu einzupflegen.
Von da an gings bergab bis zur Einstellung der Produktion vor ein paar Jahren.

Steinway soll aber immer noch nach diesen Kriterien verfahren.
Wie die heute dastehen, weiß sicher jeder.
 

weissbuche

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Habe vor 20 Jahren mal die Fa. Steinway in HH besichtigt. Ein beeindruckendes Holzlager. Die verleimten Böden für die Flügel bleiben mehrere Jahre liegen bevor sie ausgehobelt werden, alles sehr nachhaltig und holzgerecht.
Wir haben über 20 Jahre geästete Kiefer aus einem Stadtforstamt verarbeitet. Prima Ware, schmale Jahrringe und eben keine Äste und das Holz hatte vom Wald bis in unser Lager max. 100 km auf der Uhr. Deshalb sollte weiter geästet werden auch wenn der Nutzen erst in 80 oder 100 Jahren eintritt. Das heute oft nur von heute bis morgen gedacht wird und Geld immer sofort neues Geld ringen muß, ist gerade in der Forstwirtschaft der falsche Weg.
Gruß Eckard
 

seschmi

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Wie ist das eigentlich mit Fichte? Fichte kriegt ja sehr schnell Wundfäule bei Rindenverletzungen. Ist da das Wertasten nicht kontraproduktiv?

Ganz unabhängig vom Fichtensterben - man sieht hier ja sowieso fast keine gesunden Fichten mehr.
 

Ballenzwerg

ww-nussbaum
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Wenn die Wertastung korrekt durch geführt wird (glatter Schnitt, in passender Entfernung zum Stamm je nach Baumart, damit der Astansatz überwallt wird, etc.), dann ist das auch in Fichtenbeständen kein Problem und führt nicht zur Rotfäule etc. (in einigermaßen gesunden Beständen). In den typischen Bauernwäldern früher, ist eben der Altbauer einfach mal mit dem Hackl durchgegangen und hat die störenden Äste abgeschlagen. Ganz schlecht, weil zackig und grosse Wundfläche , wo die Erreger Pilze, Sporen etc. ) Angriffsfläche haben. Eine andere Möglichkeit ist die Haltung von Fichten im Dunkelstand, d.h. sehr eng beieinander über relativ lange Zeit, um die natürliche Astreinigung zu erreichen (Absterben der unteren Äste wegen Lichtmangel, aber: Borkenkäferanfällig, keine Naturverjüngung, anschliessend Kahlschlag und Neuanpflanzung....). In Zeiten von geklebten, tragenden Holzteilen ist aber weder Dunkelstand noch manuelle Astreinigung sonderlich wirtschaftlich (auch in der Kalkulation über drei und mehr Generationen), da zunehmend weniger lange, astfreie Stämme benötigt werden (kann man ja problemlos aus mehreren Teilen zusammen pappen). Zur Produktion von Tonholz (für Musikinstrumente) oder hochwertigem Innenausbau/Möbelbau/Furnierproduktion wird das noch gemacht, das geht aber über Zeiträume von bis zu 200 Jahren (z.B. in speziellen Wäldern in Frankreich und in Höhenlagen mit engen Jahresringen wegen geringem Zuwachs). Früher war auch Starkholz sehr gesucht, da man damit lange tragende Holzkonstruktionen darstellen konnte, jetzt gibt es dafür Preisabschlag, weil weniger benötigt wird und das Handling schwieriger ist (wie dick kann die Säge Bäume überhaupt verarbeiten etc.). Holzwirtschaft und Forstbewirtschaftung ist dummerweise ein Wirtschaftsbereich, der sich in der Planung über sehr lange Zeiträume erstreckt, mit vielen unbekannten Variablen (Ungeziefer, Krankheiten wie Eschentriebsterben etc.), Klimaveränderungen, Wetterkapriolen, Kostenentwicklungen (Arbeitskosten) und unklaren Erlösen. Da braucht es viel Idealismus und Glauben an die Zukunft. Und keiner weiss, ob die getroffenen Entscheidungen auch wirklich richtig waren. Das macht es aber auch wieder einfach, sollen mich doch meine Erben/Nachfolger wegen meiner Wirtschaftsweise in 50/100 Jahren verfluchen (falls es falsch gewesen sein sollte) das kratzt mich dann in meiner (astfreien :emoji_wink:) selber geschreinerten Holzkiste nicht mehr.

VG
Zwerg
 

GertG

ww-robinie
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Ein nicht geringer Teil an der Bauzeit meines Fliegers ging beim Herumturnen auf den Holzstapeln der Händler drauf, weil man sehr eng gewachsene und astfreie Ware brauchte, die in Deutschland so nicht produziert wird.
Das war dann in der Regel polnische Kiefer, wenn man die überhaupt bekommen konnte. Aber auch da mußte man jede Bohle einzeln hochheben und begutachten.
So was ist natürlich ein Sonderfall, für den eine Änderung der Holzproduktion genausowenig lohnt wie für die paar Instrumentenbauer in Deutschland.

Aber grundsätzlich ist das Erzeugen von gesundem, gerade gewachsenen Holz nichts, was auch einem ökologisch angehauchten Forstwirt quer im Weg steht.
 
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