Hallo Holzfreunde,
wenn ich so einen Thread wie diesen lese, muß ich doch manchmal den Kopf schütteln.
Da beschließt man, ein ambitionierter Holzwerker werden zu wollen, kann aber erst anfangen, wenn man eine komplette Ausrüstung beisammen hat, die qualitativ natürlich Oberklasse, preislich vorzugsweise Aldi-Niveau haben sollte. (Das erinnert mich an jene häufig erwähnten Leute, die beschlossen haben, in die Berge zu gehen und sich erst mal eine umfangreiche Ausrüstung zulegen, bevor sie überhaupt die Berge gesehen haben).
Vorstellungen von gewünschten Möbeln hat man, Pläne wie so etwas handwerklich zu realisieren wäre eher nicht. Aber wenn dann erst Werkzeuge und vor allem Maschinen mal da sind, dann kann ja nichts mehr schief gehen. Daß Normalsterbliche 3 Jahre den Umgang mit Holz, Werkzeug, Maschinen und Beschlägen lernen müssen kann eigentlich nur an deren Dämlichkeit oder der antiquierten Handwerksordnung liegen.
Kaum jemand, der mit "Hand"werkzeug und einfachen Beispielen beginnt, etwa nach Spannagels Buch "Leichte Holzarbeiten". Und daß man Schrauben auch von Hand eindrehen oder Bretter manuell mittels gezahnter Blechstreifen - genannt Säge - trennen kann, scheint heute ganz in Vergessenheit geraten zu sein.
Sicher, auch ich wollte heute keine Löcher mehr mit der Brustleier bohren und würde mir daher zuerst eine Handbohrmaschine zulegen, die man sowohl in einen soliden Bohrständer einspannen als auch zum Eindrehen von Schrauben (Drehzahlregelung, Rechts-/Linkslauf) nutzen kann. Aber das macht nur Sinn, wenn man eine solide Basis für sicheres Arbeiten hat als da sind ein standfester Tisch und geeignete Spannwerkzeuge. Eine gebrauchte Hobelbank kommt dem Ideal meist schon sehr nahe. Dazu einige ordentliche Handwerkzeuge wie Stechbeitel, Schreinerwinkel, Hammer, Hobel usw. (gibt es alles auch gebraucht -> Anzeigen in Regionalzeitungen).
Wenn man dann nach den ersten Regalbauten, Spielzeugkisten oder Garderobe mit Dübel- oder gar handgestemmten Zapfenverbindungen noch ambitioniert ist, hat man erstens wertvolle Grundkenntnisse über Werkstoffe und Werkzeuge und zweitens mit Sicherheit bereits konkrete Vorstellungen darüber, was zur individuellen Grundausrüstung fehlt.
Das am meisten vermißte Werkzeug/Gerät beschafft man sich dann vor dem nächsten Projekt, nachdem man kalkuliert hat, wie viel man gegenüber einem Fertigkauf wohl einsparen kann. Wenn man bis zu der Stufe gelangt, bei der man ein qualitativ hochwertiges Möbel bauen will und kann, reicht die Differenz meist für Werkzeuge/Maschinen erster Wahl, die einen sein weiteres Leben oder aber doch mindestens die nächsten 30 Jahre begleiten werden. Wenn jedoch das selbstkritisch festgestellte Qualitätsniveau der Eigenschöpfungen eher dem der Rentiermarke gleicht, dann sollte man sich lieber das Geld für teure Werkzeuge sparen und dafür bessere Möbel beim Schreiner oder im gehobenen Fachhandel erwerben.
Was Werkzeuge erster Wahl sind erfährt man sehr gut bei eBay, indem man die erzielten Preise bei Gebrauchtmaschinen/-werkzeugen über mehrere Wochen beobachtet. Ob dann neu oder gebraucht gekauft wird, bestimmt der Geldbeutel.
Wenn man es andersrum macht, besteht die Gefahr auf Grund mangelhafter Maschinenqualität und/oder Beherrschung der handwerklichen Herausforderungen die Lust an weiteren Projekten zu verlieren und die Geräte vergebens gekauft zu haben. Was "günstige" Werkzeuge dann im Verkauf noch bringen ist nicht weit von Null entfernt (siehe eBay).
Im übrigen: man kann den Mangel an einem speziellen Werkzeug nicht immer, aber häufig durch den erhöhten Einsatz von Zeit und selbstgeschaffenen Hilfsmitteln (Schablonen, Halte- Führungsvorrichtungen und dgl.) kompensieren. Dazu bedarf es aber der Tugenden Geduld, Ausdauer und Sorgfalt, gepaart mit einem ordentlichen Schuß Kreativität.
Gruß
Norbert
P.S.: Aus dem sehr empfehlenswerten Buch "Handwerken" von Bernd Schroeder, dtv 1490: "Heimwerken ist die unprofessionelle Vergewaltigung natürlicher Werkstoffe mit unzureichenden maschinellen Mitteln".
@ Kinnik: nimm's bitte nicht persönlich, nur Du selbst weißt ob und wie weit die geschilderten Umstände auf Dich zutreffen. Deine Anfrage war lediglich der Auslöser für das, was mir schon öfter auf der Zunge lag.