Stuhl restaurieren

Pendejo

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Hallo allerseits!

Gerne würde ich euch mal fragen, wie man am einfachsten diesen Stuhl repariert. Es handelt sich dabei weder um einen besonders wertvollen noch tollen Stuhl. Aber da er mir sehr gelegen käme und ich Freude am Holzwerken habe...na ihr wisst schon :emoji_wink:

Die Problemstellensind die 4 Zapfenverbindungen. Also die beiden seitlichen Verstrebungen unter der Sitzfläche sind etwas lose. Dadurch bewegen sich die Beine Richtung Stuhlmitte. Ausserdem ist die vorderste Lamelle der Sitzfläche gebrochen. Der Stuhl wurde anscheinend mal mehr schlecht als recht restauriert. Auf der vordersten Lamelle sind bspw. plötzlich Schrauben und keine Nägel mehr drin?! Wie auch immer. Wie soll ich da vorgehen? Wie kriegt man die intakten gennagelten Lamellen runter ohne was kaputt zu machen? Muss ich hier einfach die beiden seitlichen Verstrebungen neu machen oder reicht evtl. neu Leim angeben?
Eine Buchenbohle liegt für diese Arbeit bereit...

Fragen zur anschleissenden Behandlung, damit das etwa gleich aussieht, folgen dann später, wenn ich das Reparieren geschafft habe :emoji_wink:

Vielen Dank schonmal für eure Hilfe & Ratschläge!
 

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Keilzink

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... das ist ein ganz altgedienter Genossen von Stuhl, paarmal repariert mit "Bordmitteln" - zum Beispiel bin ich mir ziemlich sicher, dass die Riemen, die die Sitzfläche bilden, nicht original sind. Gleiches gilt (meiner Meinung nach) für die Leiste in der Lehne. Die Sitzfläche war aufgepolstert oder mit Geflecht versehen - das weiss man, wenn man die Riemen runtergenommen hat.

Ansonsten gefällt er mir ganz gut, zeitlich würde ich den Ende 19. /Anfang 20. Jahrhundert einordnen. Man könnten ihn durchaus in den Urzustand zurückversetzten: die wackligen Verbindungen sanieren, die alte Sitzfläche wieder herstellen. Was die Oberflächenbehandlung angeht, halte ich mich zurück, da verstehe ich nicht genug davon.

Andreas
 

Pendejo

ww-robinie
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Vielen Dank für deine Information bzgl. des Stuhls. Mir gefällt er eben auch ganz gut und vom Aussehen würde ich den gerne so belassen, wie er derzeit aussieht. Und dass ich nicht der erste wäre, der sich an dem Stuhl zu schaffen macht, wudnert mich auch nicht :emoji_wink:

Aber eben bei bei dem Vorgehen bin ich mir etwas unsicher. Bspw. wie macht man das:
..., wenn man die Riemen runtergenommen hat.

?

Man könnten ihn durchaus in den Urzustand zurückversetzten: die wackligen Verbindungen sanieren, die alte Sitzfläche wieder herstellen. Was die Oberflächenbehandlung angeht, halte ich mich zurück, da verstehe ich nicht genug davon.

Und überhaupt, wie saniert man einen solchen Stuhl? Für ein paar Stichworte wäre ic hdenke ich bereits dankbar, damit ich das nicht völlig verkehrt anpacke.
 

welaloba

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Hallo, um einen Stuhl wie diesen ordentlich zu leimen, muss man den Sitz abnehmen, damit alle Zargen frei sind und der Stuhl in Einzelteile zerlegt werden kann. Die hintere (Sitz-) Querzarge ist meistens noch ordentlich verleimt und bleibt wo sie ist. Die seitlichen Zaggen lösen sich eher hinten als vorn. Also rausnehmen und Zapfen von evtl. Ponalresten befreien. Das geht mit Heißluft oder Abbeizer. Möglichst wenig Holz wegnehmen, das muss wieder ergänzt werden. Wenn du Glück hast, ist in den Zapfenlöchern nur Knochenleim. Der würde sich mit frischem Knochenleim oder frischem Fischleim bestens verbinden. Wenn Zapfen nur ein "bisschen" lose sind, finden wir oft kreuz und quer eingeschlagene Nägel. Die müssen raus, um eine Verbindung ohne größeren Flurschaden auseinanderzunehmen. Wenn alle losen Verbindungen freiliegen, die Passformen prüfen und evtl. Ergänzungen aus Buche oä. bereitlegen. Wenn man sich viel Zeit nehmen kann, leimt man zuerst die Vorderzarge mit den Vorderbeinen. Fischleim rein, 50er Zwinge drauf und trocknen lassen. Dann kommen die Seitenzargen dran, vorgehen wie gehabt. Wenn alles zugleich geleimt werden soll, kann man auch einen Spanngurt verwenden. Zum Schluß den Sitz wieder draufleimen.
Ich halte das Modell mit den Sitz-Brettern für authentisch. Aber, wie der Vorredner schon sagte, das sieht man erst, wenn der Stuhl zerlegt ist.
PS: Wenn die hinteren Seitenzargenverbindungen sehr schwach erscheinen, kann man sich mit eingepassten Ecken helfen. Diese werden mit seitlichen und der Hinterzarge verleimt und nehmen etwas von der Hebelwirkung auf der hinteren Verbindung.
Gruß Werner
PS: Wie immer viel Gespräch über das bisschen Holz namens Stuhl. Kunden wollen nur selten den ganzen Aufwand, der bei alten Stühlen notwendig ist, bezahlen, eben wegen: Das bisschen Holz....
PS: Oberfläche ist das wenigste: Fingerfett und anderen Dreck mit Spüliwasser abnehmen, Fehlstellen mit Schellack (evtl. auch mehrmals) nachpinseln und aufpolieren.
PS: Sitz abnehmen: Entweder sind die Brettchen schon lose oder man muss von unten mit Wasser, Wärme und Geduld evtl. auch mit vorsichtigem Klopfen die Verbindungen lösen. Wahrscheinlich gehen dabei die Dübel kaputt, die müssen dann später erneuert werden.
 

Annimi

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Bitte mach mal mehr Fotos aus der Nähe...

...oben seitlich, damit man sich die Rückenlehne genau anschauen kann und unten an den Füßen + einmal von unten gen Sitzfläche für Einblick in Verbindungen der Lehne mit Zarge.
Denke, daß die obere Rundholzstrebe und die zweite Flache neuer sind als die Lehnstollen. Die vorderen Füße, naja, wir haben deutlich aufwendigere Stühle die die gleichen Frontstollen haben.
Sitz war def. gepolstert. Das macht Dir ein Restaurator im Raumausstatterhandwerk fachgerecht, (schätze das kostet so um die 200€). Geht aber auch günstiger ist nur dann nicht historisch fachgerecht.
Ganz ehrlich im guten Antiquitätenladen bekommst Du bessere Stühle als dehn hier und dazu noch komplett mit einheitlichen Elementen. Leim ihn ordentlich zusammen, style den Stuhl im Vintage-Look und schenk den Deiner Freundin als Blumenständer die wird sich freuen!

Grüße anni
 

Pendejo

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PS: Sitz abnehmen: Entweder sind die Brettchen schon lose oder man muss von unten mit Wasser, Wärme und Geduld evtl. auch mit vorsichtigem Klopfen die Verbindungen lösen. Wahrscheinlich gehen dabei die Dübel kaputt, die müssen dann später erneuert werden.

Vielen Dank welaloba für diese ausführliche Antwort. Dann werde ich versuchen, den Stuhl mal vorsichtig auseinanderzunehmen. Ich denke normalerweise würde man einen Heissföhn dafür nehmen? Ich versuche es mangels Gerät einfach mal mit dem normalen Haarföhn ob da was geht. Sobald ich das geschafft habe, melde ich mich zurück mit dem, was ich dann genau sehe zum Zustand :emoji_wink:

Sitz war def. gepolstert. Das macht Dir ein Restaurator im Raumausstatterhandwerk fachgerecht, (schätze das kostet so um die 200€). Geht aber auch günstiger ist nur dann nicht historisch fachgerecht.
Ganz ehrlich im guten Antiquitätenladen bekommst Du bessere Stühle als dehn hier und dazu noch komplett mit einheitlichen Elementen. Leim ihn ordentlich zusammen, style den Stuhl im Vintage-Look und schenk den Deiner Freundin als Blumenständer die wird sich freuen!

Grüße anni

Hallo anni

Wie ich oben geschrieben habe. Mir ist bewusst, dass das kein sehr wertvoller Stuhl ist. Den habe ich und dachte mir ich kann versuchen den zu reparieren. Das muss weder fachgerecht sein (wäre natürlich schön, aber ob ich das hinkriege? eher nicht...) noch schnell gehen. Mir ist bewusst, dass man das nicht eben mal so schnell macht und das sich das eigentlich nicht lohnt. Aber Schreinern ist ja mein Hobby und da kann man die Zeit vertreiben wie man will, ohne auf Kosten und Zeit zu schauen. Denn 200€ oder evtl. mehr möchte ich eben nicht ausgeben, da nehme ich mir lieber die freie Zeit und versuche es selber. Wenn es schlussendlich nicht klappt, ist das schade, aber nicht tragisch.
 

Keilzink

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... genau. So hab ich mir mein (durchwachsenes) Wissen und Können in Sachen "Restaurierung" angeeignet: Lesen, Fragen, mit den Augen stehlen und: Ausprobieren. Vorzugsweise an Objekten, wo nicht die Welt untergeht, wenn es denn schiefgeht.

Andreas
 

Pendejo

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So, bin gerade daran den Stuhl auseinanderzunehmen. Ging besser als erwartet. Der Stuhl wurde wirklich nicht sonderlich gut repariert. Die Dübel sind für mich falsch hineingemacht worden. Einfach längs, also in gleicher Richtung wie der Zapfen. Ich hätte den eher quer zum Zapfen und durch den hindurch einen Dübel gesetzt.

Nun, wie auch immer. Kratze gerade Leimreste von den Zapfen. Danach möchte ich noch die Schlitze so gut wie möglich von Leimresten säubern. Ich denke, danach wird der Zapfen eher lose in dem Schlitz sitzen. Da ich noch nie mit PU-Leim gearbeitet habe:
Der dehnt sich doch aus? Könnte man mit PU-Leim eine etwas lose Schlitz-Zapfenverbindung haltbar verleimen? Oder gibt es andere Leime die sich für so ein Vorhaben eignen? Oder muss ich mir da anderst behelfen?
Allenfalls dachte ich eben daran, einen Dübel quer durch den Zapfen zu legen und dann von aussen wieder zu verkitten, damit man das nicht so sieht.

Leider ist mir auch noch ein Zapfen gebrochen. Denke also, eine Querstrebe muss ich nochmals neu machen.

Viele Grüsse aus der Werkstatt!
 

Pendejo

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Hallo allerseits!

Meine laienhafte Restaurierung ist zu einem Ende gekommen. Deshalb hänge ich für die Interessierten noch einige Bilder an.

Arbeitsgänge:
- Stuhl komplett auseinander nehmen
- Zapfen & Schlitze säubern
- Zapfen etwas dicker gemacht
- einige Dübel zur Verstärkung gemacht
- neu verleimt
- Fehlstellen eingefärbt
- Stuhl neu mit Schellack bepinselt

Fazit: Dieser Schellack fand ich sehr interessant in der Verarbeitung, obwohl ich eigentlich nicht so auf lackierte Flächen stehe. Werde mich da einmal etwas mehr einlesen versuchen, damit ich die Flächen noch etwas polieren kann um ein feineres Bild von der lackfläche zu erzielen. Für mein Projekt hier aber ganz okey, auch wenn ich Pinselstriche drin habe teilweise...oder kann man das jetzt noch etwas glattpolieren? Wie?

PS: Das wichtigste natürlich - der Stuhl wackelt nicht mehr und steht wieder bombenfest :emoji_slight_smile:
 

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Haui57

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Ich finde, der Aufwand hat sich gelohnt.
Ich denke mal, viele von denen, die sich hier rumtreiben (so wie ich) haben Spaß am Holz, möchten etwas lernen und was schaffen, worauf sie stolz sein können. Es muß auch nicht immer allen gefallen. Sicherlich hätte der eine oder andere dieses und jenes anders gemacht. Aber konstruktive Kritik nehme ich auch immer gern an.
Denke mal, das Ergebnis kann sich sehen lassen und wenn er denn auch noch wieder seinen Zweck erfüllt, umso besser.

Mein Lob hast du.
 

welaloba

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Dann hat das ja wohl geklappt mit dem Beifärben der hellen Stellen.
Wem der gepinselte Schellack zu sehr glänzt, der reibt alles mit Schleifvlies matt und arbeitet mit einem Mattierballen nach. (Füllung Schafswolle, darauf zwei Lagen fusselfreies Leinen; Material ist wachshaltiger Schellack mit etwas Polierölzugabe, auch fertig zu kaufen als Clou Ballenmattierung. Das ergibt nsach zweidrei Runden einen sehr schönen seidigen Glanz, und alles sieht nicht mehr so glanzgepinselt aus. Aber auch so sehen wir ein sehr schönes Ergebnis. Chapeau!
Gruß Werner
Und war da mal was gesagt worden, dass das "ganz sicher" ein Polsterstuhl war? Hast du in den Oberkanten der Zargen andere Nagellöcher gesehen als die zu den Sitzbrettern?
Ich würde das nicht so in Zweifel ziehen, wenn ich solche Brettsitze nicht schon öfter im Original gesehen hätte. Besserwisserei zu Ende.
 

Keilzink

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...Werner: - "ziemlich sicher" war die Ansage - ganz sicher bin ich mir sehr selten :emoji_grin:.

Auch von mir: Glückwunsch und Dank fürs Zeigen - ist ja nicht immer üblich hier, dass man noch was hört. Und natürlich dieselbe Frage wie Werner.

Andreas
 
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