Ich kann Tobias ja verstehen - weil ich bis vor drei Jahren genauso gedacht habe, wie er (ich bin Informatiker und mittlerweile bekehrter Hobbyschreiner). Ich hatte die billige Hundefutterkreissäge für 49€ gekauft, auch die wackelige Kapp-und Gehrungssäge für 39€, die gute Tip-Standbohrmaschine für 29€ mit 1mm-Seitenschlag, die Fingerweg-Ober(narren)fräse für den gleichen Preis. Letzte Schandtat waren die Wegwerf-Leimklemmen vom Discounter, die beim ersten Einstaz auseinander sprangen aber sehr schön aussehen (wozu "teuere Bessey-Klemmen" kaufen?). Die Laserwasserwage für 10€ habe ich rechtzeitig zurückgegeben, bevor ich damit Schaden anrichten konnte. Wer damals gesehen hätte, wie ich OSB-Platten (2500x590) blancierend ohne Anschlag auf der Hundefutterkreissäge zuschnitt, hätte mich in Schutzhaft gesteckt. Interessanterweise habe ich diese Phase unversehrt überstanden (aber ich hatte nur Glück, wie ich heute weiss). Zu der Zeit war ich einfach unbelehrbar und unbedingt begeistert von den Sonderangeboten der Discounter und diversen Baumärkten. Und ich war mir als reiner Kopfarbeiter einfach nicht über die Gefahren im Klaren. Dann hat mir ein befreundeter Schreiner seine alte Maffel Erika Tischkreissäge mit Unterflur-Zugeinrichtung von 1982 verkauft (300€, damals wusste ich noch nicht, dass so etwas überhaupt existiert). Seitdem habe ich den Billig-Schrott (s.o.) nicht mehr angefasst und kenne jetzt den Unterschied zwischen Ingenieurleistung im Holzmaschinenbau und Marketinggags der Discounter. Mit der alten Erika säge ich mich an 1/10 mm heran und die Arbeit macht Spaß und entspannt - nach der Arbeit mit dem Billigzeugs war ich nur genervt, weil nur Mist rauskam und ich dachte, es läge an mir. Allerdings brauchte ich noch drei Monate, bis ich die Profimaschine" wirklich verstanden hatte. Hier wäre ein Schreinerkurs oder einige Stunden in der Werkstatt meines Schreiner-Bekannten sehr gut angelegt gewesen - aber ich hatte damals ja "keine Zeit" dafür. Stattdessen habe ich die Zeit lieber durch rumprobieren vertrödelt. Man(n) kann ein echter Depp sein (gerade wenn man glaubt, besonders schlau zu sein).
Mittlerweile habe ich eine respektable Werkstatt zusammengestellt (schwere ACM 600-Bandsäge von 2004 (1300€), Rapid-Formatsäge mit Absaugung von 1980 (700€), Metabo-Abricht- und Dicktenhobel von 1998 (700€), Festool-Oberfräse, -Rutscher, -Akkuschrauber usw. und last not least eine alte Hobelbank (50€)) und lerne mit jedem Tag in der Werkstatt neugierig, mit Respekt und sehr vorsichtig dazu.
Wenn Tobias will, kann er meine oben aufgeführte Discount-Billig-Startwerkstatt für 100€ kaufen (aber auf eigene Gefahr). Einen Erstehilfe-Set lege ich kostenlos bei.
Im Ernst: Für den Absolute-Beginner wie z.B. Tobias empfehle ich die kleine Festool-Tauchsäge und einen Festool-Multifunktionstisch mit Führungsschine. M.E. die ideale Kombination, um z.B. Gerätegehäuseteile (auch aus Kunststoff) sicher und exakt zuzuschneiden. Damit lassen sich durch die vielen Anschlagmöglichkeiten auch Kleinserien schnell herstellen (nach einiger Übung und wenn man verstanden hat, wie der Tisch funktioniert!) und die Tauchsäge ist relativ sicher (im Vergleich zu einer offen laufenden Tischkreissäge mit Kickbackgefahr, wie ich leider am eigenem Leibe erfahren musste - gut wenn man privat eine Ärtztin kennt, die auch am Wochenende kleinere Hautfetzen wieder annäht).
Mit einer Triton-Stichsäge (mein erstes und ältestes Festool-Werkzeug) kann man mit etwas Übung und den richtigen Sägeblättern übrigens auch exakte Schnitte machen, wenn man eine vernünftige Einspannmöglichkeit hat (bitte nicht die Discount-Werkbänkchen für 29€, die bestenfalls - wenn überhaupt- als Stützbock taugen) - heute noch genauso wie am Tag der Inbetriebnahme.
Wenn man weiss, dass Buchen- und Eichenfeinstaub krebserregend ist, sollte einem die Gesundheit ein kleiner Staubsauger (z.B. Festool CT-Mini) wert sein. Ich habe es (natürlich) mit einem Discountsauger versucht: Er stellt sicher, dass der Feinstaub auch wirklich vom Grobstaub getrennt wird, und somit auch die kleinsten Lungenzellen noch erreicht werden - für Raucher sicher kein echtes Problem.
Leider kostet auch dass mehr als 149€, die aufgeführten Geräte sind aber garantiert 100% abwärtskompatibel mit der Wera-Schraubendrehereinsätzen.
(Entschuldigung für den Spott, aber die Wera-Bits habe ich auch und ich lache auch mal gern über mich selbst aber auch über andere).
Mein Resüme: Entweder ganz oder garnicht. Aber die ca. 200-300 € für den Billigmurx waren insofern gut angelegt, um zu testen, ob die Hobbyschreinerei wirklich das richtige für mich ist. 3mm-Sperrholzplatte und 20x40 Dachlatten lässt sich zugegebenermaßen damit hinreichend gut bearbeiten, wenn man gewisse Gefahren billigend in Kauf nimmt und nur ab- und zu ein paar Kisten bauen möchte.
Nebenbei habe ich in den letzen drei Jahren noch was gelernt: Wenn man ein Werkstück vermurxt, ist das verkorkste Material nicht das wirkliche Problem, aber es ist schade um die wertvolle Zeit, die dabei drauf gegangen ist und der Frust, der durch schlechtes Werkzeug entsteht, sollte auch nicht vernachlässigt werden. (Das sage ich als Hobbyschreiner, der Profi sieht das bestimmt ähnlich). Und mal "eben schnell" was bauen ist auch nicht. Wenn man sich nicht die angemessene Zeit nimmt (ohne ein Mindestmass an Vorüberlegung und Planung), kommt auch mit dem besten Werkzeug nix gescheites bei raus.
Grüße,
Bernd