Guten Morgen zusammen!
Vielen Dank Zwerg, für dein Engagement.
Deine Befürchtungen decken sich sehr mit meinem Erleben der Situation. Ich bin stellenweise immernoch schockiert, was es weiterhin für Situationen gibt. Hier mal 2 Beispiele aus den letzten 2 Wochen:
- Ich stehe im Toom am Zuschnitt (tue ich eigentlich nicht mehr, aber brauchte dringend ne Multiplexplatte). Vor mir ein älteres Ehepaar (er sichtlich gebrechlich und bestimmt 85, sie etwas jünger und resuluter, vielleicht Anfang 70), das dem jungen Mitarbeiter erklärt, dass sie eine Holzplatte brauchen, um die Fensterfläche ihrer Kellertüre zu verkleiden, in der seit der Flut keine Scheibe mehr ist. Sie hätten jetzt monatelang in Mainz bei Familie gewohnt, seien jetzt aber zurück gekommen, da es bei ihrem Haus überhaupt nicht vorwärts ging. Sie leben nun im OG, EG ist ein Rohbau. Da wo sie in Sinzig wohnen, stand das Wasser gute 2m hoch......
Durch die Kellertüre würde es sehr stark ziehen, bis zu ihnen ins OG, dass ohne Türe übers Treppenhaus mit dem Keller verbunden sei. Sie würden die verbliebenen Zimmer so nicht warm bekommen. Handwerker seien zwar da gewesen, hätten sich dann aber untereinander darüber zerstritten, wer was erledigt und seien jetzt seit Tagen einfach nicht mehr gekommen. Die beiden würden es in der Kälte nicht mehr aushalten und sie wolle nun den Fensterspalt selbst verschließen. 4 Monate nach der Flut.......
- Habe für meinen Sohn einen Schreibtisch gesucht, er bekommt zu Weihnachten einen PC und braucht mehr Platz. Bei Ebay Kleinanzeigen einen gefunden, der zu meiner Überraschung zu verschenken war. Sofort Kontakt aufgenommen, als ich erfuhr, dass er in Dernau steht, und schnell abgegeben werden muss, weil der Vermieter die Wohnung gekündigt hat und sie plötzlich raus muss, sofort Geld angeboten. Vor Ort wurde ich dann von einer sichtlich fertigen Frau, Mitte 50, sehr freundlich begrüßt. Sie wohnt in einer 110qm Wohnung, die sie vor 3 Jahren mit ihrem halbseitig gelähmten Ehemann nach jahrelanger Suche bezogen hat. Der Mann ist vor 6 Monaten unerwartet verstorben. Sie hat vom Vermieter nach der Flut die Kündigung wg Eigenbedarf bekommen. Muss nun raus, hat auch was neues in Neuenahr gefunden, muss aber jetzt auf die Schnelle von einem 110qm Haushalt auf einen 60qm Haushalt verkleinern. Da sie aber als Pflegekraft in einem betroffenen Seniorenheim in Ahrweiler arbeitet, hat sie seit Monaten durchgehend Stress und kommt zu nix mehr.... Aus lauter Verzweiflung hat sie nun alle möglichen Dinge zum verschenken eingestellt, einfach um sie los zu werden. Eigentlich kann sie aber jeden Cent brauchen.
Umzug steht in Kürze an, sie steht weitgehend allein da, konnte aber ein paar Freunde mobilisieren.
Habe ihr letztlich einen fairen Preis für den Schreibtisch bezahlt. Was mich am meisten getroffen hat, war aber, wie glücklich sie war, Wertschätzung wg ihres Berufes zu erfahren und bei dem Geschäft nicht abgezockt zu werden. Sie wollte sich einfach ihren Kummer von der Seele reden.
Dies mal exemplarisch dafür, was man immer wieder erlebt. Ich muss immer aufpassen, dass ich nicht wieder in mein Helfersyndrom verfalle, man würde am liebsten jedem helfen, kommt dabei aber schnell selbst an eigene Grenzen. Es sind nicht nur die direkten Flutopfer, sondern auch viele, die indirekt betroffen sind. Jemand, den ich kenne und dessen gesamte Wohnung betroffen ist, war vorübergehend woanders untergekommen, steht seit Monaten unter Strom und hat große Angst vor Weihnachten (so geht es hier gerade vielen). In der alten Wohnung wurde jetzt Estricht gegossen, die weiteren Arbeiten werden aber noch Monate dauern. Nun muss die Person aber aus der "Notunterkunft" plötzlich Mitte Januar wieder raus und weiß nicht wohin.
Eine andere Familie wollte eigentlich Ende Juli, losgelöst von der Flut, umziehen. Die neue Wohnung hatten sie bereits fertig renoviert. Der Umzug konnte dann aber nicht erfolgen, die alte Wohnung war aber bereits gekündigt. Jetzt nach mehreren Monaten bei Freunden und Familie, sind sie in eine Wohnung gezogen, die sie sonst nie genommen hätten, einfach weil sost nix zu bekommen war. Beim Einzug steht aber schon fest, dass sie es dort nicht lange aushalten werden.
Vieles schaut von außen zunächst gut und besser aus, ist es aber häufig nicht. Die Leute sind fertig, es ist dunkel, es ist kalt und die Menschen am Ende ihrer Kräfte....... Dies gilt nicht nur für direkt betroffene Personen, sondern auch für viele drumherum, die seit Monaten im Ausnahmezustand leben und geholfen haben, wo sie können. Es drückt aufs Gemüt.
Viele Grüße,
Flo