Zum Thema Brüssel: Ich war da bis vor einigen Jahren öfter bei der EU unterwegs, kenne also die Verhältnisse "in echt".
In der Tat sind die genannten "Lobbyisten", anders als oft dargestellt, nicht nur Vertreter der Großindustrie, sondern mehr oder weniger aller gesellschaftlichen Gruppen. Da wird es auch Interessenvertreter der Handwerker geben, es gibt Umweltverbände, Bürgerrechts-Gruppierungen, Patientenvertreter und alles mögliche. Übrigens auch solche von anderen Ländern (Schweiz z.B.).
Das ist natürlich auch sinnvoll so: Die "Politiker", die solche Verordnungen entwerfen, sind ja nicht in allem fachkundig, also ist es sinnvoll, dass die Betroffenen Gelegenheit bekommen, sich dazu zu äußern. Das ist auch transparenter, als viele denken: Man kann sicher finden, was z.B. das Handwerk oder der Holzhandel zur Verordnung gesagt haben. Natürlich gibt es da, wie überall, verschiedene Menschen und sicher auch Schurken, aber nicht mehr als überall sonst.
Insgesamt muss ich aus eigenen Erfahrung sagen, dass die EU Kommission schon sehr bemüht ist, vernünftige Lösungen zu finden und auch konstruktiv. Wenn etwas wirklich Unsinn ist, wird es auch korrigiert (kenne selbst Beispiele).
Man muss auch akzeptieren, dass vieles schlicht und einfach komplex ist: Beispiel Lieferkettengesetz (siehe oben): Irgendwie ist jeder dagegen, dass Waren von Kindern und Zwangsarbeitern hergestellt werden. Also besteht erst einmal Konsens, dagegen vorzugehen. Nur: Wenn man zum Beispiel Kleinbetriebe grundsätzlich ausgenommen hätte, hätte sich auch sofort ein Ein-Mann-Betrieb gefunden, der die Container aus dem Schurkenstaat entgegennimmt und an den Großkonzern verkauft. Das erzeugt aber wieder Schwierigkeiten bei anderen Ein-Mann-Betrieben, die wahrlich nichts böses wollen - zu behaupten, es gäbe da eine einfache Lösung, ist aber Unsinn. Die Themen sind kompliziert, das ist einfach die Natur der Sache.
Was mir öfter negativ aufstößt, ist, wie Politiker der Einzelstaaten den schwarzen Peter zur EU schieben. Alle Verordnungen der EU werden im Rat beschlossen (nicht im Parlament), dort geht es nach Mehrheit der Staaten und der Bevölkerung. Da Deutschland die größte Bevölkerung hat, geht da eigentlich nichts ohne deutsche Zustimmung. Beispiel Schlachthöfe: Da wurde ja von der Landespolitik die EU als "Totengräber der Hausschlachtung" hingestellt. Wenn man aber in die Realität schaut, hat Deutschland unter der Regierung dieser Partei die Sache beschlossen. Das ist ziemlich billig: Wenn etwas wichtig ist, aber nicht populär, beschließt man es in Brüssel und schimpft dann auf Brüssel.
Was auch auffällt: Bei jeder neuen Verordnung droht angeblich von neuem der Untergang der Wirtschaft in der EU. Wenn man dann zwei Jahre später schaut, ging es irgendwie trotzdem. Ganz viel liegt da an den untergeordneten Behörden: Letztlich gibt die EU ja nur den Rahmen vor, wie der ausgelegt wird, ist dann Sache der Staaten, Länder und Ämter.
Zu
@brubu : In der Tat ist die Schweiz da irgendwie gekniffen: Sie müssen fast alle EU-Regeln erfüllen, weil die allermeisten Produkte in die EU gehen und die Schweiz halt sehr eng mit der EU verbunden ist. Sie können aber nicht richtig mitreden, weil sie halt kein Mitglied sind. Mein Eindruck ist, dass vielen Schweizern das vor der Volksabstimmung nicht ganz klar war. Siehe oben: Es ist immer sehr einfach, gegen jede Verordnung zu motzen, weil es immer einen Sonderfall gibt, der irgendwie doof ist. Konstruktiv mitarbeiten ist aber, wie oft im Leben, sinnvoller.