Oha,
Definiere doch bitte "Besitzende" (am Besten mit Besitz in Eur und ca. Anteil an der Bevoelkerung).
Du wirst mir zustimmen, dass das "Modell" z.B. 1789, 1917 und im Deutschland der dreissiger Jahren nicht so ganz rational funktioniert hat, oder?
Deine Meinung, kann ich so aber nicht unterschreiben. In meinem Freundeskreis sind die politischen Ansichten ueber die Jahrzehnte erstaunlich stabil geblieben. Auf beiden Seiten der "neutralen" Mitte.
Was ist "die Weltsicht"? Ganz die deine? Meinst Du Weltanschauung? Ideologie?
Auch wenn ich manchen Unsinn (also Dinge, die ich fuer Unsinn halte - nicht "man"), der im Verlaufe dieses threads geaeussert wurde, nur schwer nachvollziehbar finde, "wenn man nur das gelten lässt, was man selbst auch nachvollziehen kann", dann ist man schnell in Gefahr aus Selbstueberschaetzung in die Irre zu rennen.
"Ich weiss, dass ich nichts weiss!", egal wer das mal gesagt hat, ganz doof war er nicht!
Have a good night!
Mattes
Hallo Mattes
"Besitzender" ist jeder, der ein wirtschaftliches Gut hat, das er gerne behalten möchte. Das sind keine zwei Klassen, sondern eher ein schleichender Übergang. Insofern wirds mit dem Anteil an der Bevölkerung schwierig. Wenn ich unter der Brücke den besten Schlafplatz habe, dann gebe ich den nicht einfach so her. Dann bin ich eigenverantwortlich. Morgens in der Schlange an der Essensausgabe sind wir dann wieder alle Brüder und wollen mehr Suppe. Wenn ich dann eine Arbeit habe und eine eigene Wohnung, dann ist schon wieder Ende mit der Brüderlichkeit, dann heißt es: bei mir wohnt Ihr nicht, geht arbeiten, mach ich auch. Aber klar bin ich für die Mietpreisbremse, die spinnen ja, die Vermieter. Solange, bis ich selbst eine Wohnung vermiete - Unverschämtheit, ist doch meine Wohnung, da kann ich doch verlangen, was ich will. Wers nicht zahlen will soll doch abhauen. So geht das weiter bis zur Bahre. Also braucht es einen politischen Ausgleich der Interessen. Dazu muss aber jede Gruppe ihre Interessen vertreten und formulieren. Und die Politiker müssen sich an das gebunden fühlen, was sie vor der Wahl versprochen haben. Und nicht nachher den selbstgerechten Sonnenkönig (Sonnenkönigin) spielen, der so unnachvollziehbar ach so weit blickt. Sonst funktioniert das nicht. Wenn eine gewählte Interessensvertretung die Interessen ihrer Klientel zugunsten eines "Übergeordneten Standpunktes" hinten an stellt, geschehen oft kaum zu korrigierende Ungerechtigkeiten. Das Paradebeispiel ist die jahrelange "Lohnzurückhaltung der Gewerkschaften" in Deutschland. So eine Gewerkschaft braucht kein Arbeiter.
Ja, klar, der Mensch ist nicht nur rational. Aber besser ist es, wenn dieses Element stärker ist als Ideologien oder diffuse Ängste, finde ich.
1789 hat das mit der Interessenvertretung des dritten Standes doch ganz gut geklappt, sonst würden heute noch die Bourbonen herrschen. Die rationalen Elemente der französischen Revolution (und in deren Folge) sind nicht zu unterschätzen (z. B. der Code Civil). Ohne Kampf waren die (für viele) notwendigen radikalen Änderungen der Gesellschaftsordnung wohl nicht möglich. In dieser Folge gab es da maßlose Auswüchse und Grausamkeiten.
Der Unterschied zur Russischen Revolution ist der, dass diese nicht, wie die Französische Revolution ein echter Volksaufstand war, sondern ein organisierter Putsch. EIne Machtclique hat einfach die andere abgelöst. Nichts wars mit den Interessen des Arbeiters oder Bürgers.
Die Entwicklung im Deutschland der dreißiger Jahre war komplizierter, da müsste ich jetzt weiter ausholen.
Mit Weltsicht beziehe ich mich auf Winfrieds Definition oben im SInne eines übergeordneten neutralen Blickes auf die Dinge mit Focus auf den besten ausgewogenen Weg für "die Allgemeinheit".
Nebenbei: Den Sokrates kann man sehr gut falsch verstehen. Das war keineswegs so gemeint: ich weiß ja eh nichts, darum denke ich nicht selbst und glaube alles, was andere sagen. Es war eher so: ich höre nicht auf, zu denken, und jedes Ergebnis ist nur ein Zwischenergebnis. Und: seid Euch Eurer Erkenntnisse mal nicht so sicher. Schließlich hat Sokrates' Schüler Platon die Akademie in Athen gegründet und dessen Schüler Aristoteles war wohl einer, der offensichtlich mehr wusste, als die meisten Menschen vor und nach ihm. Also definitiv keine Schule der nichtwissenden Demut und Hinnahme.
Gruß vom Bodensee,
Wolfgang