Biedermeier Stuhl restaurieren

KlausCK

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Liebes Forum,

vor ein paar Tagen fragte mich eine gute Freundin, ob ich mal vorbeikommen könne um einen alten Stuhl zu verleimen. Ich hatte nur zwei Zwingen dabei und beim untersuchen des guten Stücks in der dunklen Küche, wurde mir schnell klar das ich mit den beiden Zwingen an diesem Abend nicht sehr weit komme.
Also habe ich ihn mitgenommen um ihn in meiner Werkstatt näher untersuchen zu können. Das ganze Ausmaß überraschte mich am nächsten Tag dann sehr, aber ich habe viel Zeit und Lust diesen wieder in einem besseren Licht dastehen zu lassen als im jetzigen Zustand. Erfahrungen mit Knochenleim und Schellack ausreichend vorhanden. Wie auf den Bildern zu sehen wurde dieser schon mehr als 3 mal mit Weißleim verschmiert, mit großen Nägeln malträtiert und einige Jährchen nicht gereinigt. Nun meine Fragen:

- Kirsche!? (hab an der rechen Flanke schon mal mit heissem Wasser und Schwamm das Holz freigelegt)
- Wie entferne ich am schonendsten die riesigen Nägel die von oben durch die Sitzfläche in die vorderen Beine geschlagen wurden? (die vorderen 8 cm evtl. komplett entfernen und mit neuem Kirschholz neu ansetzen?)
- dicke Nagellöcher etwas aufbohren und mit selbstgemachten Rundhölzern aus Kirsche "verstecken"?!
- warum hat die Rosette in der Rückenstrebe ein durchgehendes Loch?
- die Strebe (Fichte) in den Mitte unter der Sitzfläche sieht aus als gehöre sie dort nicht hin! Komplett entfernen oder durch eine Strebe aus Kirschholz ersetzten?

Vielen Dank schonmal für eure Hilfe und Ratschläge!
Klaus
 

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welaloba

ww-robinie
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Lieber Klaus, da hast du dir ordentlich was vorgenommen. Bevor du mit Leimen anfängst, müsste aller Weißleim entfernt werden. Das geht bei mir teils mechanisch, teils mit Abbeizer und viel Geduld. Manchmal geht auch heißes Wasser und vorsichtiges Fönen.
Sitz lösen ist dringend erforderlich, wenn du das Zargengestell ordentlich verleimen willst. Das Loch in der Rückensprosse sollte das kleinste Problem sein. Die Strebe unter dem Sitz ist an der Stelle völlig normal, darf auch Weichholz sein / dürfte das Original sein. Wenn ich diesen Stuhl zu restaurieren hätte, würde ich wohl 15 - 20 Stunden ansetzen. Ganz sicher würde ich nicht mit Knochenleim arbeiten, sondern mit Fischleim, der mir genügend Zeit lässt und der sich mit Knochenleimresten bestens verbindet. Die Nägel durch den Sitz: Kann man durch Kirschnägel ersetzen, sind aber ebenfalls eher ein kleineres Problem. Wenn sie sich garnicht ziehen lassen, den Kopf wegbohren vor Sitz abbauen. Nachher kann man dann mit großer Zange den Stift rausziehen.
Frohes Schaffen wünscht Werner PS: sollte ich was vergessen haben: Die Kollegen werden das ganz sicher anmerken.
 

Friederich

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Hallo Klaus,
konstruktiver Schwachpunkt dieses Stuhle ist, dass die Sitzfläche in der Tiefe durch den Rahmen gesperrt wird, und somit reißen kann, wenn sie trocknet. (Unter der Annahme, dass sie vorne und hinten an den Zargen befestigt ist)
Falls du also die Sitzfläche entfernen und neu befestigen willst, achte darauf, dass sie vorher wirklich sehr gut runtergetrocknet ist.
Und dann wiederum besteht die Gefahr, dass sie beim Quellen, also Feuchterwerden, die hinteren Beine wegdrückt. Hier muss also etwas Luft bleiben.

Wenn du die Platte beidseits schelllackpolierst, entschärfst du diese Risiken deutlich. Die Holzfeuchte schwankt dann viel weniger.

Ideal wäre natürlich eine Befestigung,welche nicht starr ist. So wie man eine Tischplatte auf dem Untergestell befestigt. Z.B. durch Nutklötze. Oder Schrauben durch Langlöcher.
 

KlausCK

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Danke schon mal für die Ausführlichen Antworten!

Die Sitzfläche ist zur Hälfte mit Weißleim aufgeleimt, die andere Hälfte hat sich gelöst und hat sich etwas hochgebogen. Ich werde die Variante mit den Nutklötzchen umsetzen, Schrauben und Nägel möchte ich nicht verwenden.

Was ich mich immer noch frage ist warum die Rosette in der Rückenlehne dieses Loch hat - ich kenne ähnliche Stühle aber ein durchgängiges Loch habe ich dort noch nicht gesehen. Hatte es evtl. eine Funktion?
 

Friederich

ww-robinie
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Die Sitzfläche ist zur Hälfte mit Weißleim aufgeleimt, die andere Hälfte hat sich gelöst
Zum Glück:emoji_slight_smile:. Hätte der Leim nicht nachgegeben, dann wäre wohl die Sitzfläche gerissen.
Nochwas: wenn die Zapfen nicht mehr stramm genug sitzen, dann nicht versuchen, durch besonders viel Leim aufzufüllen. Besser dünne Furniere aufleimen. Und dann auch wieder mit dem Stammeisen etwas nacharbeiten, falls sie dann zu stramm wären.
Die Flächen der Zapfen dürfen nur etwas stramm sitzen, damit sie das Holz nicht spalten. Ober und Unterkante dagegen darf recht stramm sein, da hier keine Spaltgefahr besteht.

Im Loch in der Rosette war vielleicht irgendeine Applikation aus Betall oder Knochen??
 
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