@Besserwisser Ah ich glaub, das wir da gar nicht so sehr auseinander sind. Ich hatte da vielleicht andere Bilder im Kopf. Die Architekten und Gestalter, die du aufgeführt hast, waren intellektuelle Avantgardisten. Die haben nicht für die Masse produziert. Das war auch damals schon ziemlich expensive und rar. Gerade die Eames Stühle wurden erst sehr viel später einer breiteren Masse zugänglich. Und die Eames Brüder haben in den vierzigern ihre ersten großen Erfolge gefeiert. Rietfeld, Mies van der Rohe, das Bauhaus, das waren damals abgedrehte Spinner, von denen der Kumpel in Essen keine Ahnung hatte. Erst in den sechzigern kam ja diese Massenkompatibilität des Designs auf. Die Palmentapeten, die italienischen Future Möbel, die Eisbärenfummelteppiche, Orange!!! Alles war Orange! Ich hab noch Brotschneidemaschine und Wecker in der Farbe. Das war eine positive Zeit, verspielt, zukunftsorientiert, kindlich naiv, spacig.
Kunstepochen sind ja immer zwiegespalten. Es gibt die Avantgarde, die Moderne und das Etablierte und Konservative. Selbst zu Leonardos und Michelangelos Zeiten.
Spannend finde ich immer die Farbigkeit der Möbel. Mal bunt, mal monochrom, hell, dunkel. Die schweren norddeutschen Schränke, fast schwarz und wuchtig, dann das helle skandinavische Design, hyggelig, Landhausstil.
Gebrauchsdesign, intellektuelle Gestalter, wertige Entwürfe, die Jahrzehnte vorhalten und ganze Generationen prägen, aber dann auch wieder billiger Massengeschmack, der trotzdem wirkt. Alles so komplex, so verwirrend, so durcheinandergewürfelt. Das Billie Regal - unfassbar - Jahrzehnte hat es durchgehalten, optisch immer gleich, inhaltlich ständig anders. Die ersten Billie Regale sind ja fast doppelt so schwer, wie die aktuellen.
Der Sperrmüll. Früher konnte man wahre Schätze aus dem Sperrmüll ziehen. Stühle, Regale, Kommoden, die Geschichte geschrieben haben. Heute stehen am Straßenrand nur noch zerbrochene Badmöbel, verbogene Bügelbretter und Plastiknachtkästchen.
Möbel begleiten die breite Gesellschaft seit etwa dem Barock, ganz intensiv seit der Industrialisierung (1840er). Vorher waren Möbel exklusiv und äusserst reduziert auf eine gesellschaftliche Elite.
Was sind Möbel heute? Funktional, Statussymbol, meinungsbildend? Ein Statement? Man richtet sich heute wesentlich bewusster ein als früher. Heut muss es immer wie in einem Magazin, schöner Wohnen, aussehen. In der Stadt ganz anders, als auf dem Land. In der Provinz anders, als in einer Künstlerwohnung in Berlin oder Leipzig.
Möbel sind Alltag und Meinung in einem. Sie sind ein Zeichen, ob man bewusst lebt oder nur nutzt.
Ich fand es immer Klasse in Frankreich, Italien, oder Spanien in Häuser oder Wohnungen eingeladen zu werden. Weil es da selbst bei jungen Leuten viel normaler ist inmitten richtig alter Möbel zu leben. In Deutschland ist im Krieg unglaublich viel zerstört und zerbombt worden. In Frankreich auf dem Land hat sich das alles erhalten und man geht viel unverkrampfter damit um.
Ich fand das ja sehr scharf, dass der DDR Wohnzimmerzisch (Multifunktionstisch, ähnlich Festool MFT)l so ein Revival erlebt. Das hätte damals niemand als Designikone tituliert.