Tachschen zusammen,
ich war schon länger nicht mehr hier, bin von dem Faden "geweckt" worden und möchte als Lehmbauer, sprich Verarbeiter, auch meinen Senf, speziell zu dem Video, aber auch generell zu solchen Systemen dazu geben.
Mein erster Eindruck zum Video:
Reiner Marketingsprech für Laien, die gar keine Ahnung von der Materie haben.
Verbunden mit platten Unwahrheiten, die sofort auffallen, wenn man die Geschichte der Entwicklung von Lehmbauprodukten halbwegs kennt
(Zitat aus dem Video "der Erfinder" "hat 2016 als Erster mit der Entwicklung angefangen", richtig ist, WEM hat seine "Klimaregister" schon mind. 6 - 7 Jahre vorher auf den Markt gebracht).
Mein zweiter Eindruck und für mich absolut negativ ist, dass sich hinter dem Entwickler und "Erfinder" die Fa. ArgillaTherm versteckt (deren Geschäftsführer er ist), die in dem Video mit keinem Wort erwähnt wird. Offenheit und Transparenz sind m. M. n. etwas anderes.
Zum Inhalt des Videos:
1.) Ein m²-Preis von 100,- €, netto, an reinen Materialkosten ist für sowas völlig banane.
Dazu kommt, dass diese Formplatten einen absolut ebenen Untergrund brauchen.
Baut man die gleiche Heiz-/Kühlleistung aus Montageschienen, dem gleichen Aluverbundrohr und Lehmputz, kommt man auf ca. 1/3 - 1/2 der Kosten und kann die Rohre unter jedewede, noch so schiefe und buckelige Decke montieren.
2.) Was die Aussagen zum Thema Sorptionsfähigkeit angeht ist es absoluter Humbug von "speziellen" 3-Schicht-Tonen und/oder Lehmen zu sprechen. Ersten sind 3-schichtige Tone in seehr vielen Tonlagerstätten vorhanden, zweitens ist die Sorptionsfähigkeit auch von der Gesamtzusammensetzung der verwendeten Lehmmischung abhängig (auch die Zuschlagstoffe sind mehr oder weniger aufnahmefähig).
3.) Der im Video gezeigte Vergleich der Wasserfestigkeit, bzw. zum Auflösverhalten im Wasserbad hinkt.
Erstens ist im Video zu sehen, dass die rechte (sich schneller auflösende Platte) weniger verdichtet ist als die linke, zweitens sieht man schon an deren Farbe, dass sie aus völlig anderem Lehm, bzw. anderer Lehmzusammensetzung besteht. Meine Vermutung: Es ist eine "normale" Trockenbauplatte. Es wäre, als vergleiche man eine Lodenjacke mit einer gestrickten Wolljacke. Beides aus Wolle, aber ...
m Grunde ist es doch so, jeder Lehmbaustoff wird für seine Anwendung "speziell entwickelt". Sprich, aus mehr oder weniger fetten Lehmen und Tonen, plus Zuschlagsstoffen "zusammen gerührt". Das ist die ganz normale Vorgehensweise im Lehmbau.
Nicht nur ich mache das ziemlich regelmäßig, wenn irgendwo ausgebautes Material wieder aufbereitet und für andere, als die ursprüngliche Verwendung erneut eingebaut werden soll.
Zur Klarstellung: Ich hatte noch nie mit der Fa. zu tun (weder im Guten noch im Bösen) und will niemand schlecht machen. Trotzdem noch eine Frage an
@ClintNorthwood :
Was bedeutet
wir reden hier von Millionen m² von schon montierten Flächen
Will ArgillaTherm (Vertriebler des
HUMID-Systems) tatsächlich schon so viel von dem System verkauft haben?
Grundsätzlich ist aus meiner Sicht zu solchen Heiz- und Kühlflächen aus/in Lehm zu sagen:
Zum Einen kann der Lehm immer nur als Puffer für die anfallende Feuchtigkeit dienen. Auch wenn die Flächen nicht soo feucht werden, dass Schimmel sprießt oder der Lehm sich auflöst und von der Decke fällt, muss er immer wieder die Zeit haben/bekommen, die aufgenommene Feuchtigkeit abgeben zu können. Nur dann kann er mithelfen das Raumklima, sprich, auch die Luftfeuchtigkeit zu regulieren. Abgesehen davon, dass bei Holz-/Balkendecken ab einer gewissen "Dauerfeuchte" die gleiche Verrottungsgefahr bestehen kann, wie für Fachwerk-Außenwände.
Zum Anderen kann ein solches rein auf Adsorption basierendes Kühlsystem niemals die Kühlleistung einer "echten" Klimaanlage, im Sinne von "Aircondition", also direkten Luftkühlung, erreichen.
Nichtsdestotrotz ist aber die Deckenkühlung, den Komfort betreffend, definitiv der Kühlung über die FBH überlegen. Aus den oben bereits genannten Gründen.
Gruß,
KH