Wie stark muss ein Stuhlbein sein?

VolkerDK

ww-robinie
Registriert
23. August 2018
Beiträge
1.604
Ort
Graasten
@raziausdud
Der von dir verlinkte Stuhl hat einen ganz entscheidenden Unterschied: Die Beine stehen zur Belastungsrichtung in einem leichten Winkel.
Das hatte ich angesprochen führt dazu, dass kein Biegemoment entsteht sondern eine Druckkraft.
Dazu ist das vordere Bein an der Sitzfläche genau dort angebracht, wo der "Schwerpunkt" der sitzenden Person in etwa ist. Damit wird auch wieder die Biegekraft auf der Seitenwangen der Sitzfläche minimiert. Es mag willkürlich aussehen, ist aber genau durchdacht.

Es wurde schon angesprochen: gutes Design ist immer auch funktionell.
Bei dem Schwingsessel hat man es auch so gemacht. Das Schichtverleimte Holz ist eben wie eine Holzfeder genau ausgelegt. Es wippt wie ein Schaukelstuhl...aber genau das will man bei einem Stuhl für einen Esstisch ja nicht.
Würde man dieses Holz nehmen, hätte man wohl keine Festigkeitsprobleme, das ist vollkommen richtig. Aber der Stuhl würde dann schwingen...glaube nicht, dass man das will.

@David Wilhelm
Der verlinkte Tisch erinnert mich sehr an die Tische bei der Bundeswehr. Nur hatte man da sich nicht die Mühe gemacht, die Beine mit Furnier zu bekleben, und die Platten waren grün oder blau. Ist das nun minimalistisches Design, oder einfach Effekthascherei? Denke da scheiden sich die Geister. Mein Fall wäre es nicht, da dort Holz vorgeschwindelt wird, wo kein Holz drin ist. Eine Mogelpackung wäre das für mich, eine Silikontitte :emoji_slight_smile:

Schau mal hier
https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_J._Wegner
den Y-Stuhl, ein wahrer Design Klassiker.
Vom Materialeinsatz noch wesentlich minimalistischer als dein Entwurf. Alle Beine in einem leichten Winkel, das schafft Stabilität. Die dünnen, runden Verbinder übertragen die Steifikeit der hinteren, winkligen Beine an die vorderen, fast senkrechten. Die runden Stäbe liegen nicht auf einer Ebene, das wäre mechanisch perfekt, aber in der Holzverbindung nicht darstellbar. (Das Gleiche Problem hat dein Entwurf auch, dort wo Lehne und diagonale Beinversteifung aufeinander treffen.
 

Besserwisser

ww-robinie
Registriert
16. August 2010
Beiträge
3.045
Ort
NRW
Mal einge Gedanken aus der Perspektive eines Stuhlsammlers:
Den skizzierten Stuhl mit Wegeners Y/Wishbone zu vregleichen ist natürlich ein Witz. Die Gemeinsamkeiten sind marginal, wenngleich auch sicherlich beides ein Sitzmöbel. Wenn, dann sollte man eher auf Breuers Lattenstuhl zurückgreifen, oder halt Rietvelds Stühle, der hat nach dem gleichen Prinzip des RedBlue ja auch ne Menge Stühle entworfen. Und die sind mit Querschnitten von maximal 30/30 jetzt auch nicht sooo fett.
Revolutionäres Design entsteht immer auch durch den Bruch von Regeln. Das geht am einfachsten, indem man die gewohnten Materialien verlässt, aber natürlich auch durch neue Denkansätze. Ob solche tatsächlich bei Holzstühlen noch möglich sind sei mal dahin gestellt.
Immerhin finde ich den Entwurf nicht so uninteressant.
Und noch einge Gedanken aus der Perspektive des Tischlers:
Der entwurf ist offensichtlich statisch nicht völlig überdimensioniert. Und dann gibt's nur einen Weg- Versuch macht kluch. Dabei würde ich nicht direkt auf ein perfektes Ergebnis setzten, sondern erst einmal einen Stuhl bauen, der vor allem schnell fertig sind und die Schwierigkeiten und Mängel des Entwurfs offenbart. Dann weiter evolutionär vorgehen. Der vierte Stuhl ist dann bestimmt praxistauglich.
 

Anhänge

  • IMG_7471.jpeg
    IMG_7471.jpeg
    44,4 KB · Aufrufe: 61

VolkerDK

ww-robinie
Registriert
23. August 2018
Beiträge
1.604
Ort
Graasten
@Besserwisser
Kann jetzt nicht sehen, warum das "ein Witz" sein soll. War nicht als Witz gemeint. Und in keinem Wort wurde eine Ähnlichkeit unterstellt. Im Gegenteil, es wurden auf die UNTERSCHIEDE von genialem Design und dessen Umsetzung verwiesen, im Sinne von: So wird es richtig gemacht.
Wenn es um einen Entwurf geht, woran will ich mich orientieren? An den besten Designern, oder den schlechtesten?

Breuers Lattenstuhl kannte ich noch nicht, hab ich mal gegoogelt. Breuer hat auf diagonalen komplett verzichtet, er macht alles ueber den hohen Querschnitt der Leisten...aber wo du vollkommen recht hast: Er lässt auch die hinteren Beine in dünner Quernschnittrichtung stehen, ohne weitere Abstützung.

Ist das deine Stuhlsammlung da? Da sind ein paar interessante Entwürfe dabei...wobei ich die meisten nicht kenn.
Wenn ich in den modernen skandinavischen Möbelhäusern unterwegs bin, oder mir sonst mal Möbel anschaue (tue ich nicht wirklich häufig) fällt mir eines auf: Manche Designstücke gehören zu den "zeitlosen" Klassikern. Und andere, da würde ich Breuers Lattenstuhl mal einordnen, sind wohl eher eine "Provokation", wie du es nennst ein "Bruch der Regeln" um etwas revolutionäres zu entwerfen.

Wenn der Stuhl als solches gedacht ist, klar, kann man sicherlich hinbekommen. Am einfachsten eben durch das Einlassen eines Stahlwinkels. Da könnte man das Hinterbein mittels Scheibennutfräser schlitzen, und den Winkel dann "Hochkant" einlassen und von Innen verschrauben.
 

Besserwisser

ww-robinie
Registriert
16. August 2010
Beiträge
3.045
Ort
NRW
Es ist ein Witz, sorry für die harsche Wortwahl. Organisches Design wie das von Wegener mit geometrisch Orthogonalem zu vergleichen funzt einfach nicht. Die Herangehensweise ist eine andere.
Klar, Mechanik ist Mechanik, aber Analogien sind da nur sehr schwer möglich.
Breuers Lattenstuhl ist fett, das ist ja auch tatsächlich ein Sessel. Aber Rietvelds Stühle sind viel(!) filigraner, deshalb ahbe ich den auch noch mal erwähnt.
An welchen Designern sollte man sich orientieren? Vielleicht an keinen? Sonst gibt's kaum Neues (OK, das ist im Stuhlberich eh kaum zu schaffen). Es muss halt funktionieren. Aber das kann kaum beim ersten realisierten Entwurf klappen.
Ja, das ist Teil meiner Sammlung. Übrigens würden die meisten von euch zu den filigranen Stahlbeinen vom Fritz Hansen 3107 (2.v.l. von der vorderen vier) wohl auch behaupten, die seien zu dünn. Wenn man damit kippelt, knicken die vermutlich auch. Aber das macht man mit dem Stuhl halt automatisch nicht. Und er ist wohl der meist verkaufte Stuhl überhaupt.
 

dascello

ww-robinie
Registriert
9. Januar 2008
Beiträge
4.520
Ort
Wuppertal
Oh ja, der Lattenstuhl. Ich (<120 kg) hab mich mal draufgesetzt, ok, da war ich nochn bissl leichter.
Bin dann gleich und gaaaanz vorsichtig wieder aufgestanden.
Aber der ZigZag auf Besserwissers Foto ganz rechts, der hält!

Aber mein Lieblingsstuhl - auch und gerade zum Cellospielen - ist dieser:

Frankfurter-Kuechenstuhl-Buche-frei-1200x1200.jpg



Gern auch verhunzt, uralt und verranzt.

Geniales Design!


Gruß

Michael
 

VolkerDK

ww-robinie
Registriert
23. August 2018
Beiträge
1.604
Ort
Graasten
@Besserwisser
Mich stört nicht die harsche Wortwahl, mich stört es, dass du mir unterstellst, ich hätte einen "Vergleich" gezogen und Ähnlichkeiten unterstellt.
Habe ich nicht. Ich habe ein Beispiel eines durchdachten, mechanisch richtigen Designs zitiert.

Und wie du schon erkannt hast, die Statik und Mechnanik ist bei allen Entwürfen die gleiche.
Aber letztendlich bin ich nicht der Richtige, um advantgardistische Designs zu bewerten, denn das will ich zugeben, da fehlt mir der Zugang.
Diese Entwürfe, die nur provizieren, Sitze mit senkrechten Lehnen, eingeschränkter (oder überhaupt keiner) Funktionalität (Hill house Stuhl oder wie heisst er), die erschliessen sich mir nicht.

Der "Zig Zag" hält auch nur, weil man in die spitzen Winkel diese dreieckigen Holzleisten eingefügt hat...aber so ist das mit Kunst. Da bin ich Banause.
Kann daher auch nur bewerten, wie es mit der Festigkeit auf sich gestellt ist. Wenn es nur ein Designobjekt sein soll, kann man natürlich sonstwas zusammenbauen.
 

raziausdud

ww-robinie
Registriert
22. Juni 2004
Beiträge
4.727
Ort
Südniedersachsen
Der von dir verlinkte Stuhl hat einen ganz entscheidenden Unterschied: Die Beine stehen zur Belastungsrichtung in einem leichten Winkel.

Das wäre demnach ein weiterer Vorschlag: besonders das hintere Beinpaar ein wenig geneigt bauen. Aber allein das verhunzt, wie - zugegeben - natürlich auch all meine anderen Ideen, das elegante Bild des Ursprungsstuhls. Es ging mir darum die Makel, die fehlenden Teile des Stuhls zu zeigen. Ich versteh schon, dass David den Stuhl so wie vorgestellt und nicht anders haben will.

Auch das hab ich mal in ein Bild gefasst, hintere Beine etwas geneigt. Dabei habe ich noch eine zarte Strebe angedeutet, mit der MIR viel wohler wäre.

Stuhl 3.jpg

Grüße. Rainer
 
Zuletzt bearbeitet:
Oben Unten