Die Entscheidungen mögen oft willkürlich anmuten, aber eine Verwandte, die ein Bauamt leitet, hat es mir mal erklärt, wie deren Logik ist:
Deren Sorge ist nicht der Einzelfall, sondern der Präzedenzfall. Beispiel Anbau: Wenn man das mit einer milden Strafe durchgehen lässt, ist das Risiko, dass plötzlich die Nachbarhäuser auch alle Anbauten bekommen, und dann kriegt man das nicht mehr in den Griff.
Andersrum: Einen Rückbau kann man zwar anordnen, dann geht es aber vor Gericht, weil der Bauherr natürlich lieber 5000 Euro in Anwälte steckt, als 50.000 in Rückbau. Das bedeutet Überstunden, Ortstermine und Stress, und man weiß nicht, wie’s ausgeht. Es kam wohl auch schon vor, dass der Richter dann sagt: „Sieht doch hübsch aus“, und das war’s. Für einen Einzelfall lohnt sich das oft nicht.
Das erklärt zB den Fall oben: Wenn der Anbau 25 Jahre stand und kein Nachbar den nachgemacht hat, ist die Wahrscheinlichkeit von Nachahmern klein, und der Stress vor Gericht lohnt sich für den Einzelfall nicht.
Andersrum: Wenn es um eine Neubau-Reihenhausanlage geht, und einer baut einen Anbau, dann weiß der Sachbearbeiter, dass er demnächst die 50 Nachbarn im Büro hat. Dann ist ein Rückbau mit Klage etc. weniger Stress, als 50 einzelne Streitigkeiten. Und wenn einer teuer abreißen muß, ist das Thema in der Siedlung für immer erledigt.
Hier im Dorf ist auch schon ein Dach abgedeckt worden, weil es die falsche Farbe hatte. Gleiche Logik vom Bauamtsleiter: Freie Grundstücke drumrum, und wenn ich bei einen schwarzen Dach ein Auge zudrücke, habe ich den Streit zwanzigmal. Dann lieber einmal richtig knallen lassen...
Natürlich gibt’s auch da verschiedene Charaktere, aber oft ist es so recht gut verständlich.