PC Gehäuse aus Holz mit EMV-Lack

obiwarn

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Moin,

wenn ich PCs aus Holz verkaufen will, dann müssen die ja EMV sein. Ich dachte die mit EMV-Lack (zB von Cramolin) auszusprühen. Hat jemand damit Erfahrung? Hält das? Empfehlt ihr eine spezielle Grundierung?

Vielen Dank schonmal.
Einen schönen Tag.
Obi
 

alROD

ww-ahorn
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Erfahrung mit EMV habe ich keine, aber schon etliche Gehäuse gebaut. Zu Störungen kam es noch nie, allerdings waren es immer nur für den "privaten Handel".

Was hast du denn vor? PCs, vor allem im schönen Kleid, sind mein liebstes Hobby. Vielleicht können wir uns wegen der Technik austauschen...
 

WinfriedM

ww-robinie
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Grundieren würde ich schon erstmal, um dem Holz die Saugfähigkeit zu nehmen.

Ob EMV-Lack alleine ausreicht, um die EMV-Vorschriften zu erfüllen, da bleibe ich skeptisch. Gerade auch die Übergangsbereiche z.B. zum Deckel sind schwierig und du bräuchtest evtl. da spezielle EMV-Dichtungen. Gleiches gilt für die Kartenslots, CD-Rom etc. Wenn du dir anguckst, was für Maßnahmen bei Blechgehäusen alle gemacht werden, bekommst du eine Vorstellung, dass man schon viel tun muss, um die Normen einzuhalten.

In dem Moment, wo man auch nur ein Gehäuse geschäftlich in den Verkehr bringt, muss man alle Vorschriften einhalten. Selbst, wenn man es verschenkt oder nur ausleiht.
 

alROD

ww-ahorn
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Die Frage ist aber immer was du machen möchtest. Gehäuse allein kannst du auch explizit als Möbelstück verkaufen, wenn der Kunde PC Bauteile einbaut ist das nicht dein Problem.

Als kompletter PC gibt es auch Möglichkeiten.

Kann man das eigentlich irgendwie messen? Ich behaupte mal das 12mm Holz ausreichend ist, auch mit Acrylglas 4mm oder Leder habe ich schon gearbeitet, alles kein Problem.
 

WinfriedM

ww-robinie
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12mm Holz ist für elektromagnetische Abstrahlung wie Luft, das beeindruckt die Abstrahlung absolut nicht, gleiches gilt für Acryl, Leder oder andere nichtleitende Materialien. Ich habe schon einige Geräte durch den EMV-Test bringen müssen, du kannst dir gar nicht vorstellen, was man da für Aufwand treiben muss, um die Abstrahlung irgendwie in den Griff zu bekommen.

Messen: Für Messungen nach Norm brauchst du Messgeräte für einige hundertausend Euro und eine Halle. Für erste Eindrücke reicht ein Funk-Scanner-Empfänger mit möglichst durchgängigen Frequenzband, z.B. sowas hier:
ALBRECHT AE92H - Handscanner - Empfänger - Funkscanner - CB-Funk bei Reichelt Elektronik


Bis 6GHz wäre natürlich ideal, aber ist teuer und schwer zu bekommen.
 

duebelimplosion

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Hallo,

ich habe vor kurzem mein PC-Gehäuse aus Holz hier vorgestellt, siehe

PC-Komponenten in Holz gewickelt

Ich hatte um habe keinerlei Probleme in Bezug auf EMV - aber ich muss das Ding auch nicht verkaufen.
Und wie Winfried schreibt ist der Schutz eine Sache (und wohl keine einfache) - der messtechnische Nachweis der Einhaltung aller Normen aber noch eine andere.

Willst du das in Serie bauen?
Und wie soll es überhaupt aussehen? Das würde mich interessieren.

Grüße, Rainer
 

Uwe4711

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Was die Meßstelle angeht: beruflich bin ich mal in einem ähnlichen Fall mit dem Testobjekt zu einem auf EMV-Messungen spezialisierten Labor gefahren. Das war damals das entsprechende Labor bei OTTO (ja, vom OTTO-Versand in Hamburg).

Zu den technischen Problemen.

Du müßtest das Gehäuse rundum HF-dicht bekommen. Also nicht nur alle Seiten mit Leitlack (EMV-Lack) behandeln, sondern auch alle Öffnungen und Spalte HF-mäßig abdichten. Im Metallbereich verwendet man neben der entsprechenden Ausformung der Türen und Deckel u.a. Kontaktfedern. Das ganze Gehäuse muß überdies natürlich gut geerdet sein, sonst wirkt das Gehäuse selbst als Strahler.

Auch die Dicke der leitfähigen Schicht dürfte von Belang sein. Was sagt denn der Hersteller des EMV-Lackes dazu? Vielleicht brauchst Du eine doppelte Abschirmung?

Ein anderer Punkt ist die Abstrahlung über die Netzzuleitung, auch das wird gemessen. Dürfte aber weniger problematisch sein, wenn Du auch das Gehäuse des Netzteils gut erdest. (Das Netzteil selbst dürfte zwar die EMV-Vorschriften erfüllen, aber es kommt ja auch auf die Art und Weise an, wie es angeschlossen und eingebaut ist.)

Der Meßtechniker im Labor wird Dir zwar Hinweise geben, was Du wie ändern mußt, aber um einen zweiten und dritten Besuch wirst Du vielleicht trotzdem nicht herumkommen.

Das einfachste wäre tatsächlich, ein fertiges Blechgehäuse mit Holz zu verkleiden. Dann wäre das leidige Thema "EMV" ein für alle mal vom Tisch.
 

obiwarn

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Hallo,

erstmal vielen Dank für die vielen Antworten.
Die Form soll beim ersten Prototypen erstmal nicht die große Rolle spielen (einfach Kasten).
Bzgl. HF und EMV: Das Netzteil ist extern wie bei einem Laptop. Schlitz hat es eigtnl. nur vorne einen ganz schmalen für DVDs (ich verbaue ein Slotlaufwerk ohne Schublade), aber das haben ja Blechgehäuse auch. Hinten bei den Anschlüssen verwende ich das dem Motherboard beigelegte Blech mit Kontaktfedern.

Wenn ich mir so einen Funk-Scanner-Empfänger zulegen sollte, wie prüfe ich dann damit auf EMV und ist das halbwegs aussagekräftig? Weil: Für eine Kleinserie (erstmal so 20 Stück) lohnt es sich ja kaum in ein Labor zu fahren (Ich gehe mal davon aus das die Kosten da sicher in die Tausende gehen?).

Grüße vom Obi
 

Uwe4711

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Ich bin eben in Eile, deshalb antworte ich nur auf den zweiten Absatz.

Selbst wenn Du durch eigene Messungen feststellst, daß Dein Produkt alle Anforderungen erfüllt: Um eine Serienproduktion auf den Markt zu bringen, brauchst Du das Zertifikat einer anerkannten Meßstelle. Überdies mußt Du Dich verpflichten, die ganze Serie so zu bauen wie das abgenommene Muster ist. Änderungen bedeuten wieder eine Neuabnahme.
 

WinfriedM

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Wenn alles glatt läuft und du sofort durchkommst, wird so ein Check im Labor um die 1000-2000 Euro liegen.

Hand-Scanner: Da hilft vor allem viel experimentieren. Nimm ein zugelassenes Notebook und diverse Computer und such dir erstmal recht nahe am Gerät Frequenzen, die abgestrahlt werden. Dann entfernst du dich und schaust mal, wie weit die abgestrahlt werden. Am besten auch, du hast einen Raum, der recht HF-dicht ist, damit andere Quellen dich nicht irretieren. Ist aber am Anfang erstmal nicht so wichtig, bekommst du ja schnell raus, ob ein Signal von dem Computer kommt oder nicht. Wenn du ungefähr ein Gefühl dafür entwickelt hast, mit welcher Abstrahlung du es so zu tun hast und wie weit die reicht (Abstand zum Gerät), kannst du mal an deinem Testobjekt messen.
 

Fraggle

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Oha, Schreiner und Strom... wenn das mal gutgeht... :emoji_slight_smile:

Aber mal im Ernst...
1. Möglichkeit (beide Augen zudrücken)
Angenommen, Du baust nur ein paar Kisten und weißt genau, wo die stehen, nämlich im Privathaushalt und Einfamilienhaus. Und es ist kein Beinbruch, wenns mal Probleme gibt, z.B. Computer stürzt immer ab, wenn das Handy klingelt...
Dann mach Dir mal keinen so großen Kopf, kleb die Box mit Alufolie aus oder nimm das Spray und gut.

2. Möglichkeit (korrekt!)
Wenn die Kisten in der EU in Verkehr gebracht werden, ist eine CE-Kennzeichnung notwendig. Außerdem musst Du als Produzent eine Konformitätserklärung ausstellen in der Du unterschreibst, daß jedes Gerät der Serie alle notwendigen Normen und Grenzwerte einhält.
Wie Du das überprüfst ist Deine Sache, das kannst Du selbst machen (Zertifikat ist überflüssig!) oder ein Labor beauftragen (2000 € sind da eher die unterste Grenze). Das Labor nimmt Dich aber nicht aus der Haftung. Wenn später beim Kunden eine Verletzung der Grenzwerte festgestellt wird, bist Du trotzdem dran. (Tut aber nicht soooo dolle weh...)
Basteleien mit einem Scanner kannst Du dir sparen, nimm besser eine Wünschelrute. Das bringt zwar auch nix, aber die Nachbarn haben wenigstens was zum Lachen. Vor allem ist EMV nicht nur die störende Abstrahlung vom PC (sowohl über die Luft, als auch über die Kabel und die Netzversorgung), sondern vor allem die Empfindlichkeit auf eindringende Störungen. Und das beides in einem sehr weiten Frequenzbereich.
Du brauchst also einen geeigneten Messraum (reflektionsarm oder große GTEM-Zelle) mit der passenden Mess- und Sendetechnik.... Also alles recht utopisch.

Und vergiss vor allem nicht Elektroschrottverordnung. Als Hersteller von Elektrogeräten musst Du Dich bei der Stiftung Elektro-Alt-Geräte Register anmelden und gleich erstmal eine kleinere vierstellige Summe abdrücken. Tust Du das nicht, bist Du eine schöne Zielscheibe für die Zunft der Abmahnanwälte.

Na, noch Lust auf die PC-Gehäuse? :mad:

Gruß
Dirk
 

obiwarn

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Hallo Fraggle,

erstmal vielen Dank für deine sehr informative Antwort.

Du schreibst zur EMV-Überschreitung: "Tut aber nicht soooo dolle weh...". Weisst du da genaueres?

Zu "Empfindlichkeit auf eindringende Störungen": Das wäre genau die Frage, ob EMV-Spray so gut schützt wie ein übliches Blechgehäuse. Alle sonst verbauten Teile sind ja jeweils schonmal CE-Konform.

Zu Elektroschrottverordnung: Mir wurde da take-e-way als Dienstleister empfohlen. So muss man Anfangs anscheinend auch nicht allzuviel zahlen?

Gruß
Obi
 

Fraggle

ww-eiche
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Das mit dem Spray ist ganz schwer zu sagen. EMV hat auch unter gestandenen Fachleuten den Ruf von schwarzer Magie. Ich kenne niemanden, der das wirklich im Griff hätte. (Und ich hab das studiert und mache das beruflich...) Das ist immer eine Kombination aus Erfahrung, Versuch und Irrtum.
Es gibt zwar eine paar "Grundregeln", die man sinnigerweise einhält (metallisch leitendes Gehäuse, Erdung, usw...), aber bei der ersten Inbetriebnahme ist das immer wie eine Wundertüte, ob's wirklich "dicht" ist.

Zum "weh tun":
Kommt drauf an, auf welchem Wege Du Ärger bekommst...
1. Stichprobe durch Marktaufsicht. In Deinem Fall extrem unwahrscheinlich, da die Dinger nicht im Handel rumstehen. Da bekommt man dann netten Besuch von der BNetzA, die sich mal erklären lassen möchte, wie denn das passieren konnte. Wenn man denen glaubhaft versichern kann, daß das nur ein ganz dummes Versehen war und die anderen Geräte i.O. sind, dann gehen die auch wieder. (Genau hier schaut sich auch das erste mal jemand die Konformitätserklärung und die Messprotokolle genau an.)
2. Störungsmeldung beim Kunden. Das kann schon mal passieren. Bei irgendjemandem geht auf einmal der Funk-Garagentoröffner nicht mehr und der ruft evtl. die Funkmessdienst (0180-3232323). Die kommen raus, messen und finden Deinen PC. Dann werden mindestens die Kosten für den Einsatz fällig, der PC wird eingesackt und evtl. weiter bei 1.
Das Risko ist hier extrem von der Bevölkerungsdichte abhängig. In Frankfurt City hätte ich Bauchschmerzen. Im Einfamilienhaus auf der Kuhpleke mach ich mir keine Sorgen.

Gruß
Dirk


PS: Das ganze Gelumpe als Bausatz verkaufen ist in der Tat eine Lösung: Dann bist Du nicht der Hersteller. Den Weg haben viele Kleinstfirmen eingeschlagen, als das Theater mit der Elektroschrottverordnung losging.
 

WinfriedM

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Basteleien mit einem Scanner kannst Du dir sparen, nimm besser eine Wünschelrute.

An diesem Punkt habe ich andere Erfahrungen gemacht. Der Scanner war für uns mit kleinem Budget die einzige Möglichkeit, unser Gerät so zu optimieren, dass wir problemlos durch die Prüfung gekommen sind. Und wir haben aufgrund der Scannerergebnisse sehr viel optimieren müssen.

Ein Scanner erlaubt zwar keine genauen Messergebnisse, er offenbart aber, wenn z.B. auf einer bestimmten Frequenz eine gewisse Abstrahlung vorhanden ist. Und wenn man die auch noch bei 10 Meter Enfernung empfängt, ist das bedenklich und kommt so definitiv nicht durch die Prüfung. Eine Wünschelrute vermag das - in meinen Händen zumindest - nicht zu leisten.

Elektroschrott: Rechne mal so mit etwa 1000 Euro an Kosten pro Jahr bei 1 Tonne.

CE-Konformität: Es ist leider nicht so, dass ein Gerät CE-Konform ist, wenn man 10 Einzelteile zusammenfügt, die alle CE-Konform sind. Wenn es aber z.B. um die Störungen auf der Netzleitung geht, sollte es funktionieren, wenn du ein CE-konformes Netzteil nimmst. Hier sollten dann die Normen für Störabstrahlung ins Netz und leitungsgebundene Störfestigkeit eingehalten sein.

Neben den ganzen Normen, die eigentlich zur Sicherstellung der Funktion von Geräten gedacht sind, kommt ein weiterer Aspekt hinzu: Elektrosmog, den man sich selber aussetzt. Ich würde mich z.B. nicht regelmäßig neben einen offenen PC setzen. Ich stell mir aber auch kein Schnurlostelefon auf den Schreibtisch.

Ich kann übrigens bestätigen, dass der ganze Bereich EMV extrem komplex ist. Man kann vieles nicht auf einfache Aussagen herunterbrechen, nach dem Motto: "Nimm so EMV-Spray und alles wird gut." Je nach Situation verhält sich alles auf einmal wieder völlig anders. Da spielen so viele Effekte eine Rolle, dass man sehr viel Erfahrung braucht, um das in den Griff zu bekommen.
 
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