@seschmi
Danke für deine Ausführungen und das du dir die Zeit genommen hast deine Sichtweise zu erklären.
Ja - ich kenne das Video das du ansprichst.
Aber um es kurz zu machen - die Theorie von Alex Snodgrass (wusste nicht, dass er so heißt) ist für mich nicht haltbar und der Ansatz falsch und gefährlich. Warum ich dieser Meinung bin:
Wenn man an einem Stahlband wie z.B. einem Bandsägeblatt eine punktuelle Kraft an der Vorderseite einleitet (z.B. durch außermittigem Lauf auf einer balligen Rolle), dann entstehen beim Aufbringen der Blattspannung am Kontaktpunkt (vorne) höhere Spannungen. Wenn man dann aber am Band eine gewisse Strecke nach unten (weg von der Krafteinleitung) geht, dann ist die Spannung bereits nach einer Länge von 5-10 x Blattbreite (hängt vom Querschnittsverhältnis ab) über den gesamten Querschnitt des Blattes linear und an jeder Stelle nahezu gleich. Grund ist die von dir erwähnte Elastizität des Stahls. Bandsägeblätter werden in der Regel mit 250 MPa vorgespannt - das ergibt eine Dehnung von 0,12% -unabhängig vom Blattquerschnitt, denn der Eingangswert (250 MPa) ist ja die Materialspannung. Das klingt im ersten Moment nach wenig - wenn man aber eine Länge von 800mm vom oberen Quadrant der Rolle bis zum Werkstückoberseite ansetzt, dann bedeuten die 0,12% das schon 1 mm Dehnung.
Diese Dehnung ermöglicht es auch der Zugspannung, sich nach einer gewissen Stracke gleichmäßig über die gesamte Blattbreite zu verteilen. Das kann man mit FEM heutzutage auch schön simulieren und visualisieren.
Wenn man konservativ von 10 x Blattbreite ausgeht und das Blatt eine Breite von 20mm hat, dann ist spätestens bei 200 mm Abstand vom oberen Quadranten der Rolle die Spannung über den Blattquerschnitt konstant. Und damit gibt es auch keine gespannte Vorderkante und lockere Hinterkante o.ä.
Ohne äußere Einwirkung versuchen sich Spannungen innerhalb eines Werkstücks immer auszugleichen. Dafür brauchen sie halt etwas Strecke.
Diesen Umstand nutzt man z.B. bei DMS (Dehnungsmessstreifen) Messungen an Flachstählen oder ähnlich gestalteten Elementen. Die Faustformel ist: wenn man 5- 10 mal Querschnittsbreite von der Einspannstelle weg ist, dann ist die Messung ok weil die Spannung über den Querschnitt konstant ist und die nicht-Linearität - verursacht durch durch die Einspannstelle /einseitige Krafteinleitung - nicht mehr da ist.
Wenn sich das Blatt überhaupt nicht dehnen würde (E-Modul unendlich - gibt es aber nicht), dann hätte Snodgrass recht.
Zusätzlich würde sich eine stärker gespannte Vorderkante mehr dehnen als die Hinterkante. Das Ergebnis wäre eine sichtbare (Ver)Biegung des Bandsägeblattes entgegengesetzt zur Sägerichtung.
Das die Theorie von Alex Snodgrass nicht stimmen kann sieht man auch an einer anderen Tatsache: das Band würde sofort reißen weil die gesamte Kraft - oder ein großer Teil davon - von der Vorderseite des Blattes aufgenommen würde. Das Blatt ist mit 250 MPa vorgespannt. Das ist schon ein beachtlicher Wert zu dem noch die Biegespannung (Rollendurchmesser) und Schnittkraft (Werkstückoberkante bis angetriebene Rolle unten) kommt. Das ganze dann noch verschlechtert durch die Kerbwirkungen am Zahngrund. Wenn Alex Snodgrass Recht hätte, dann würden die Blätter sehr schnell reißen weil die Spannung an der Vorderseite ein Mehrfaches der Auslegungsspannung wäre. Aber das tun sie offensichtlich nicht. Eine erhöhte Gefahr von Mikrorissen am Zahngrund ist aber da - an dem Punkt der Rolle wo das Blatt außermittig läuft sind punktuell erhöhte (in der Auslegung des Blattes nicht berücksichtigte) Spannungen an der Blattvorderkante. Das wirkt sich aber ggf. nicht aus wenn man das Blatt nicht dauernd maximal belastet.
Und dann noch etwas, was zwar kein wissenschaftlicher Beweis ist, aber zu berücksichtigen ist: es wurde mal auf einem Lehrgang ein Mitarbeiter eines Herstellers auf diese These angesprochen. Er hat im Prinzip das gesagt was ich oben geschrieben habe und hinzugefügt:
"wenn das so wäre, dass das einen messbar stabileren Schnitt gibt, dann hätten wir als Hersteller das schon längst übernommen - dann aber die Bandagenform geändert um die Schränkung des Blattes nicht zu beschädigen. Aber die Theorie ist leider falsch - wir haben es ausprobiert und es bringt nichts."
Ein älterer (erfahrener) Monteur hat dann noch folgende Info gebracht:
"Bei manchem Maschinen hilft das wirklich. Das habe ich schon bei Kunden gesehen bei denen der Parallelanschlag nicht sauber ausgerichtet war. Da hat der außermittige Lauf des Blattes die Schränkung einseitig plattgedrückt, das Blatt damit nicht mehr geradeaus, sondern leicht schräg gesägt und alles war wieder ok. Wenn der Unterschied in der Schränkung links - rechts mehr als 0,1mm (!) ist, dann sägt ein Blatt schon nicht mehr geradeaus.
Ich unterstelle ausdrücklich nicht, dass du deinen Anschlag nicht richtig eingestellt hast, aber es ist zumindest eine plausible Erklärung warum ein außermittiger Bandlauf in gewissen Fällen helfen könnte sauber am Anschlag zu sägen. Kann ja nicht nur alles Einbildung von dir sein.
Heißt für mich - und dafür bitte ich um Verständnis: bis es keine technische Erklärung gibt wie und warum ein außermittiger Bandlauf helfen sollte bleibe ich sehr skeptisch und würde ehrlich gesagt niemandem empfehlen das Band so einzustellen. Und das habe ich - wie schon erwähnt - auch noch nie gebraucht. Nach korrekter Einstellung - die ja aber auch wirklich nicht schwierig ist - neues gleichmäßig geschränktes Blatt und Lauf in der Mitte - hat noch jede BS die ich in den Fingern hatte zur Zufriedenheit der Kunden geradeaus gesägt. Sind aber alles "normale" Schreiner die max. Hartholz bearbeiten. Falls du extreme Werkstoffe etc. sägst kann das ggf. anders aussehen
Wenn du noch weitere Argumente / Infos hast würde ich die wirklich gerne kennenlernen - man muss bereit sein jeden Tag dazu zu lernen - aber ich will es auch nachvollziehbar verstehen.
Gruß - Paul