Made in Germany vs Handmade in Germany?

bikemaniac

ww-ahorn
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Hallo,

Ich habe mir mal so hypothetische Gedanken gemacht:

Stellen wir uns ein Massivholzstuhl mit einem modernen Design vor. So einen Stuhl bekommt man zB bei Ikea. Dieser Stuhl dient jetzt als Muster.

a) Ikea Massivholzstuhl. Wird in einem Niedriglohnland hergestellt - vielleicht China/Rusland, vielleicht mit Holz aus China/Rusland. Verkaufspreis schätzungsweise 100 Euro.

b) Der gleiche Massivholzstuhl wird als Kopie in einem grossen Unternehmen in Deutschland hergestellt. Immer noch Massenproduktion aber man kann "Made in Germany" rechtfertigen. Holz kommt vielleicht gar nicht aus Deutschland. Verkaufspreis schätzungsweise 250 Euro.

c) Der gleiche Massivholzstuhl wird als Kopie bei einem Schreinermeister in Deutschland hergestellt. Wahrscheinlich einheimisches Holz. Einzelanfertigung und für die Herstelung wurde Elektromaschinen benutzt. Man kan jetzt wirklich "Made in Germany" rechtfertigen. Verkaufspreis schätzungsweise 500-1000 Euro.

d) Der gleiche Massivholzstuhl wird als Kopie bei einem "old school" Schreinermeister in Deutschland hergestellt. Er verwendet nur Handwerkzeug und kein Elektrowerkzeug. Er hat selbst den Baum in Wald geschlagen (oder ein lokaler Förster) und getrocknet. Hier spechen wir jetzt von "HANDmade in Germany". Verkaufspreis schätzungsweise 2000 Euro.

Wenn man die 4 Stühle nebeneinander aufstellt sieht man unmittelbar keinen Unterschied ausser das Preisschild und die Geschichte die hinter jedem Stuhl steckt.

Frage: Gibt es überhaupt eine Kundschaft für den 2000 Euro Stuhl?

Lucas
 

Jaquiria

ww-buche
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Vermutlich ja, und zwar im ähnlichen Rahmen wie der Output der jeweiligen Schreinereien. Auf 500.000 Kunden die einen für 100€ kaufen, kommen 1000 denen made in Germany wichtig ist, 50 denen Schreinerarbeit was wert ist und einen Liebhaber dem es egal ist was das kostet.

Ich kenne die Gegebenheiten zB aus dem Messerbereich - du kannst ein ikea Messer kaufen, eins von Zwilling, eins vom deutschen Messermacher (zB Schanz, Stutensee) und ab 400€ aufwärts Liebhaberstücke die zwar in keiner Relation zu ihrem Nutzwert stehen, aber die Schmiedekunst von Handarbeitern wertschätzen. Das geht locker bis 6000€ vom Schweizer Meisterschmied, der seine eigene Legierung in Kleinstproduktion im Stahlwerk machen lässt.
 
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benben

ww-robinie
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Ich würde das nicht "einen Dummen"nennen. So ein 2000€ Stuhl gibt es, auch die Kundschaft dafür. Nur wird der seltenst so aussehen wie ein Plagiat eines 100€ Stuhles.

In meiner Ausbildung wurden mal 8 "Musizierstühle" aus Eiche gefertigt. Das waren noch DM Zeiten und mich hat Kalkulation nicht interessiert, aber das wird wahrscheinlich auch 5stellig pro Stuhl gewesen sein. Ich fand die wirklich schön, auch wenn ich mit Musik nichts zu tun hatte. Mit den Stühlen hatte ich auch nichts zu tun, ausser dem schleifen halt :emoji_grin:

Verkauf ist immer auch Emotion, man muss nur bei der passenden Kundschaft das richtige Bedürfniss wecken/befriedigen.
 

pedder

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Ich glaube nicht, dass es einen Markt für einen handgefertigten IKEA Stuhl gibt, wenn der soviel kostet, wie 20 IKEA Stühle.
Deutsche sind sehr preisbewusst und nur wenige wären bereit, für die Romatik soviel Geld auszugeben.

Ob es einen Markt für handgefertigte 2000 € Stühle gibt? Ich schätze, man muss da eine große Geschichte mit erzählen.
Am besten eigens design. Und irgendwas esoterischen als Backround. Mondholz und Co.
 

Hoosier

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Stuhl für 2000 Eur? Leute, lauft mal in München in eines der "besseren" Häuser, da gibt es noch ganz andere Preise...

Es gibt einen Markt für alles, und es steht ja auch immer ein Markenname/Herstellername im Hintergrund. Da ist viel Luft nach oben.

Aber es geht auch nicht alles, z.B. 2000 Eur Stuhl von Ikea kauft niemand, egal wie der zustande käme. Bissl vergleichbar der Phaeton von VW... Da war das VW-Emblem halt auch bisschen zu groß:emoji_stuck_out_tongue:
 

Hondo6566

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Im Netz kann man wortwörtich jeden Scheiß zu fast jedem Preis kaufen.
Manches wird erst durch einen hohen Preis verkäuflich.
 

Hoosier

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@Hondo6566 sprichst Du da aus Erfahrung?

Ich kenne Leute die im Internet als Händler aktiv sind... das ist ein seeehr mühsames Geschäft mit anspruchsvollster Kundschaft, Retoure von beschädigten Sachen, Beschwerden, schlechten Bewertungen usw... Wenn es so einfach ist - bitte :emoji_wink:
 

uli2003

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Stuhl für 2000 Eur? Leute, lauft mal in München in eines der "besseren" Häuser, da gibt es noch ganz andere Preise...
Da bleiben aber 80% im Handel hängen.

Hochpreisige Artikel als Massenprodukt? Ne, da müssen schon Alleinstellungsmerkmale vorhanden sein, sodass nicht jeder so ein Teil rumstehen hat. Womit soll man denn dann angeben?
 

Hoosier

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Da bleiben aber 80% im Handel hängen.

Hochpreisige Artikel als Massenprodukt? Ne, da müssen schon Alleinstellungsmerkmale vorhanden sein, sodass nicht jeder so ein Teil rumstehen hat. Womit soll man denn dann angeben?

80%? Wissen oder Gefühl? Keine Ahnung, ist aber doch bei Allem so...

Massenprodukt? Was ist das? Ein Bugatti oder ein Dacia? Eine Ariane5-Rakete ist auch ein "Massenprodukt", im jeweiligen Markt
 

teluke

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Zu einem exklusiven Preis gehört auch eine exklusive Leistung.
Dazu zählt die handgemachte Kopie eines Billigstuhls ganz bestimmt nicht.

Kauf Dir doch mal einen Lattenstuhl von Breuer. Da brauchst Du mit 2000€ gar nicht anzutreten.

Ich habe eine private Kopie davon gemacht.
Technisch wahrscheinlich besser als das Orginal und optisch bestimmt nicht schlechter.
Ist ein Hingucker im Wohnzimmer, jeder Gast schaut so lange bis ich ihn auffordere den Stuhl auszuprobieren.
Jeder ist vom Sitzkomfort überrascht (der Breuer war schon ein Hund).

Was ist der Stuhl wert?
Im Vergleich zum Orginal nichts.
 

agnoeo

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Es ist möglicherweise hilfreicher zu überlegen, was für einen Stuhl man in dem Preissegment herstellen kann, der sich so nicht als Massenwaren anfertigen lässt. Beispiel Windsor. Klar kann man da auch mit Maschinen Teilschritte beschleunigen, aber das sind dann im Gesamten Prozentanteile, nicht Größenordnungen. Wenn man den auf Massenproduktion trimmt, kommt einfach was anderes bei raus.
Einen Markt gibt es dafür sicherlich, es gibt einige renomierte Handwerker, vornehmlich in USA und GB und die rufen so 1000-2000€ auf für ein Exemplar. Das wird sich nicht jeder leisten können und wollen, aber Geschichte und ein ansehnliches und brauchbares Möbel steckt dann schon da drin.

Gruß, David
 

hlzbt

ww-eiche
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irgendwo
Deutsche sind sehr preisbewusst und nur wenige wären bereit, für die Romatik soviel Geld auszugeben.
Die Story muss stimmen. Es gibt irrationale Liebhabermärkte (gerade im Holzbereich, gerne auch bei Musikinstrumenten). Und am besten ist es wohl bei Möbeln für's Kinderzimmer.
@bikemaniac - du schreibst aus Kopenhagen. Kildemoes-Räder waren - im Vergleich zum verbauten Material - auch immer sehr teuer oder von mir aus auch überteuert. Das wurde eben auch mit einer passenden Story ("dem Konzept") begründet.
Die Story ist Teil des Marke. Eine Einzelanfertigung ist keine "Marke", ein Einzelstücke bauender Handwerker muss seine "Marke", wenn er das möchte, über einen längeren Zeitraum entwickeln - und dann konsequenterweise auch mal Aufträge ablehnen, die dem "Markenbild" entgegengehen (oder dies "quasi-anonym" machen). Doof, sowas.

Ich denke, dass die in D eher niedrige Bereitschaft, für gute Möbel viel Geld auszugeben, aber immer noch auch (!) mit den Nachwirkungen des 2. WK zusammenhängt (Zerstörung von Wohnraum, oft billiger Neubau, Wegwerfmöbel, ...).
 

uli2003

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? Steht doch schon im ersten Satz - Gegenteil ist die Einzelfertigung :emoji_wink:
Das Vorhandensein eines Gegenteils schließt andere Möglichkeiten nicht automatisch aus, wie beispielsweise Kleinserien, generell Serien- oder auch Sortenfertigung.

Wobei auch seriengefertigte Möbel hochpreisig sein können, schauen wir mal zu Arper, B&B Italia, Edra.
Die Kundschaft ist oft eigen, keine Frage. Ich habe lange für einen Innendesigner gearbeitet und diese Möbel ausgeliefert und aufgestellt.
(Man muss halt wissen, ob man das Segment bedienen möchte. Der Innendesigner nicht mehr, er schaut sich jetzt die Radieschen von unten an. War wohl doch zu stressig.)
 

KaiX0

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Luxus geht immer! Uhren, Autos, Messer, WoMos...
Die Story ist entscheidend. Sie muss den Mehrwert (Unikat/ besonders edles Material/ spezielles Design/ handmade...) nur glaubhaft! herausstellen.
Die Zielgruppe muss klar sein, Marketing darauf abgestimmt und das Produkt muss sein Versprechen halten.
 

pedder

ww-robinie
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Verstehe hier von so manchen die Gedanken nicht! Da mache ich mir keinen Kopf warum es Nobelprodukte gibt!
Ich glaube wir haben in Moment ganz andere Probleme in D und von diesen Problemen hängt unsere Zukunft ab!
Solche "Nobelprodukte" sichern vielen Deutsche ihr Einkommen. Wir leben ja nicht von Ackerbau und Viehzucht.
 

Markus627

ww-ulme
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Ich sehe im Nobelbereich auch in den Krisen Potential. Vielleicht mehr als im "Ottonormverbrauchsektor" Bspw. ist die Zahl der Millionäre ansteigend seit Jahren. Denke die Probleme der Normalos (wir) fallen da nicht ins Gewicht (Energie usw.). Es geht dabei nur um eins:

Man braucht eine Marke, dann ist der Preis nicht so wichtig. Wie diese kreiert wird ist die eigentliche Kunst.

Es gibt Turnschuhe für 800€ (hat ernsthaft mein kleiner Bruder im Schrank). Sehen so naja aus und sind auch nur aus Gummi und Schnur. Kommen bestimmt aus Asien (muss ich Mal reinschauen) Wie man so etwas schafft zu etablieren ist mir unklar.

Das Thema gehört für mich fast an den Tresen :emoji_stuck_out_tongue:

@bikemaniac : Oder war die Frage ernsthaft vor dem Hintergrund eines Business Models gestellt?

Btw: Aktuell baue ich einen 3000€ Stuhl nach. Vielleicht traue ich es mich ja das Mal vorzustellen (von allen Anfängern hier bestimmt der Größte :emoji_wink: )
 

hhirte

ww-kiefer
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Altes Dilemma zwischen Preis und Wert. Bestes Beispiel: bitcoin. Wert:0 Preis knapp $20k.
Oder manche Picasso-Malereien, da ist der Wert für mich auch ein verschwindender Bruchteil des Preises.
 
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