Gab es frueher mehr Talent?

Besserwisser

ww-robinie
Registriert
16. August 2010
Beiträge
3.045
Ort
NRW
Jaja,
das ist, was ich auch wieder von Kunden zu hören bekomme: Wieso, Sie müssen doch gar nicht arbeiten, sie haben doch Maschinen.
 

uli2003

ww-robinie
Registriert
21. September 2009
Beiträge
14.381
Alter
58
Ort
Wadersloh
Will heißen, der Großteil der Schreinerstücke die wir aus den vorherigen Jahrhunderten kennen sind hochwertiger Natur.

Naaa... Ich weiß nicht. Handgemacht, ja. Hochwertigerer Natur? Das lese ich aus vielen Beiträgen in diesem Thread.
Genau betrachtet sind das aber nur sehr wenige, wenn man einmal genau hinschaut. Mit genau meine ich das nahe Herangehen, und nicht die Decke auf einem Foto. So viele Tonnen übergekittete und verspachtele Nägel, wie dort verbaut sind..

Auf dem Antiquitätenmarkt wird viel toleriert, der Volksmund sagt 'Das ist alt, das muss & darf so sein'. Der Kunde von heute würde das Teil nicht einmal abladen lassen, sondern den Handwerker zurückschicken und hier einen Thread aufmachen :emoji_slight_smile:

Was ich damit sagen will - die Tischler von damals waren auch Künstler im Korrigieren und Tuschen. Ohne Zweifel gibt es auch Stücke, die sehr gut gelungen sind.

Ich vergleiche es gern mit der Medizin:
Wer von denen, die alter Handwerkskunst hinterhertrauern, würde sich ein defektes Knie aufschneiden lassen, wenn es genauso gut endoskopisch zu reparieren wäre?

Grüße
Uli
 

Snekker

ww-robinie
Registriert
2. Dezember 2012
Beiträge
1.754
Ich würde sagen der Großteil dessen was im Vorigen Jahrhundert Produziert wurde war von der Qualität was Tischlerarbeit betrifft um vieles Besser als das was heute Produziert wird
Was den Modischen Aspekt betrifft so kann man geteilter Meinung sein. Nicht jeder mag Das sogenannte Gelsenkirchener Barock oder den Bauhaus Stil, zwei Richtungen die Gegensätzlicher nicht sein könnten. Auch Jugendstil und Art Deco würde ich noch mit in die Waagschale werfen. Es war richtig was los im 19./20. Jahrhundert. Für mich als Tischler ist der Jugendstil am ansprechendsten Es ist allerdings auch der Stil der den Tischler am meisten gefordert hat. Gelsenkirchener Barock und Bauhaus sind wohl eher für die Massen gedacht gewesen. Wobei der Bauhaus Stil wahrscheinlich die elitäre Mittelschicht ansprechen sollte. Durchgesetzt hat sich der Gelsenkirchener Barock bis ca. 1960 dann hat ihn der Bauhausstil abgelöst und hält bis heute an. Wobei die Qualität der Möbel immer mehr abnimmt. Aus Tischlerplatte wurde Spanplatte wurde Spanplatte mit Kunststoffdekor wurde MDF Platte Lackiert.
 

Herbert 10

ww-robinie
Registriert
20. Februar 2010
Beiträge
1.189
Ort
Hallo

Ich finde dieses Foto als schlechtes Beispiel für das Machbare in früherer Zeit.
Das hat nichts Besonderes .

Ich war letzte Woche im Schloss Triest , da gibt's nicht nur Decken die das Titelfoto lächerlich erscheinen lassen , sondern auch geschwungene Treppengeländer , das so ziehmlich alle Treppenbauer mit ihren Vaccumschläuchen zum sappern anfangen würden .

Auch die Schwalbenschwanzverbindungen an den schellackpolierten Vitrinen etc. würden den meisten Schweißperlen an die Stirn zaubern .

Dekadent waren auch die unendlich aufwändigen Fußböden , kann ich gar nicht so recht beschreiben .

Noch was : Ein Onkel von mir war Zeit seines Lebens hauptberuflicher Holzbildhauer, der weit und breit als einer der besten seiner Zunft galt.
Verglichen mit den geschnitzten Figuren die ich dort gesehen habe erscheint er mir nun als einer der seinen Beruf vollkommen verfehlt hat .

Ich denke das früher die Handwerksfähigkeit doch schon noch viel besser trainiert wurde . Das was man da zu sehen bekommt können mit Sicherheit keine 1% mehr der sogenannten Meister .
Heute gibt es zuviel CNC - Drechselautomaten -Formatsägen usw .und zuwenig an Zeit....................
 

Snekker

ww-robinie
Registriert
2. Dezember 2012
Beiträge
1.754
Ich würde nicht sagen das es früher mehr Talent gab. Früher haben sich die Menschen mit ihrer Arbeit identifiziert. Das ist zum Beispiel deutlich zu sehen in dem buch von Jim Tolpin - The Toolbox Book. Da werden Werkzeugkisten von Tischlern, Zimmerleuten und Schiffszimmerleuten der letzten 400 Jahre gezeigt. Wenn man die Fotos betrachtet ist deutlich zu merken das diese Menschen sich mit ihrem Beruf identifiziert haben. Das erste was ich gedacht habe als ich die Fotos gesehen habe; Alle Achtung die brauchen keine Schriftlichen Reverenzen, da braucht der Meister bloß die Werkzeugkiste sehen und er weiß wen er vor sich hat! Nun sie dir heute die Handwerker an! 1455 Werkzeugkiste in die Karre, nach Hause, Duschen , Bier aus dem Kühlschrank holen Fernseher an, Schalke gucken. Der Beruf ist nur noch ein Job, nichts persönliches mehr.
 

klassenkasse

ww-pappel
Registriert
15. Februar 2011
Beiträge
12
Ort
Leipzig
Hallo,

wie viele richtig festgestellt haben, liegt das Kernproblem an der zu bezahlenden Arbeitsleistung! Schade ist es eben, dass dadurch viel weniger aufwändige Projekte umgesetzt werden als vielleicht gewünscht werden! Dadurch hat natürlich der Tischler vor Ort, der ja sowieso irgendwo ums Überleben kämpft, viel weniger Möglichkeit aufwändige Sachen herzustellen und sich dadurch eben auch eine gewisse Routine zu erarbeiten. Am Können und Talent liegt das dann eher weniger. Ein Teufelskreis!
Irgendwo hier stand die These, dass früher Material teuer und Arbeitslohn billig waren, wiederum heute das Gegenteil der Fall ist. Dem kann ich nur bedingt zustimmen. Ich finde in Zeiten von vollautomatisierten Fertigungsstrecken und Sägewerken müsste doch Material heute billiger sein als je zuvor. Noch dazu kommt immerhin die Tatsache, dass in Deutschland seit Jahren mehr Holz nachwächst als überhaupt benötigt wird. Dies ist wiederum das nächste Kroteske. Das Angebot steigt und steigt, aber der Preis steigt auch??? Komisch! Wird uns doch bei vielen Rescourcen vorgegaugelt umso weniger es gibt umso teurer sei er auch! Angebot und Nachfrage.
Ich bin als Tischler gerne bereit für hochwertige Hölzer oder wirklich qualitativ hochwertige Materialien Geld auszugeben, aber dann muss das Ganze immer noch nachvollziehbar sein. :confused:
Versteht mich nicht falsch, ich will hier nicht rummosern oder gar alles schlecht reden. Nur kann ich eben manchen Materialpreis nicht nachvollziehen! Die Lohnkosten schon, denn da verdienen andere natürlich kräftig mit.

Viele Grüsse :emoji_wink:
 

Snekker

ww-robinie
Registriert
2. Dezember 2012
Beiträge
1.754
Betreffend Vollautomatische Fertigungsstrecken als Konkurrenz! Diese Automaten sind eben keine Konkurrenz. Jeder der das Behauptet macht sich etwas vor! Die Menschen wollen sich immer irgendwie aus der Menge abheben. Es wird also immer welche geben die für etwas besonderes mehr bezahlen. Als Tischler ist es unsere Aufgabe diese Wünsche zu erfüllen. Das Problem ist das gerade die die uns weiterbringen von den Handwerkskammern bekämpft werden. Ich meine die kleinen Individualisten die wirklich Talent und Lust haben etwas auf die Beine zu stellen. Die aber kein Geld haben einen Meisterbrief zu machen oder aus anderen gründen darauf verzichten, die dürfen nicht so arbeiten wie sie gerne möchten. Es ist wirklich ein Problem wenn die die Innovativ sind von der Menge die es nicht ist bekämpft wird. Ich bin Inhaber eines Meisterbriefes. Ich war aber schon Selbstständig lange bevor ich den Meisterbrief gemacht habe. Ich muss sagen es war verschwendete Zeit und Geld einen Meisterbrief zu machen. Ich habe keinen Vorteile durch den Meisterbrief. Talent kann man nicht kaufen oder lernen. Man hat es oder man hat es nicht!
 

TheWoodTinkerer

ww-eiche
Registriert
24. Juli 2010
Beiträge
374
Ort
Luxemburg
... Letztendlich alles doch nur eine Geldfrage ...

Wenn's teuer ist liegt es am Kunden. Es gab und gibt nunmal wenig Kunden für die nichts zu teuer ist. Von daher gibt es eben auch wenig solche Holzdecken und eben auch wenige die solche Aufträge bekamen und bekommen. Ein Betrieb der sich allerdings eingeschossen hat auf moderne Möbel, Küchen, Trockenbau und Spanndecken :emoji_grin: wird auch kaum an solche oder ähnliche Aufträge rankommen weil er vielleicht sogar nicht mehr das besagte "Talent" hat etwas Traditionelles zu fertigen und daher eventuell gar nicht das Risiko eingehen möchte.

Es gibt aber sehr wohl kleine Betriebe die sich auf das Traditionelle spezialisiert haben und auch überleben.
 

Hans-Friedrich

ww-robinie
Registriert
29. November 2011
Beiträge
1.426
Irgendwo hier stand die These, dass früher Material teuer und Arbeitslohn billig waren, wiederum heute das Gegenteil der Fall ist. Dem kann ich nur bedingt zustimmen. Ich finde in Zeiten von vollautomatisierten Fertigungsstrecken und Sägewerken müsste doch Material heute billiger sein als je zuvor. Noch dazu kommt immerhin die Tatsache, dass in Deutschland seit Jahren mehr Holz nachwächst als überhaupt benötigt wird. Dies ist wiederum das nächste Kroteske. Das Angebot steigt und steigt, aber der Preis steigt auch??? Komisch! Wird uns doch bei vielen Rescourcen vorgegaugelt umso weniger es gibt umso teurer sei er auch! Angebot und Nachfrage.
Ich bin als Tischler gerne bereit für hochwertige Hölzer oder wirklich qualitativ hochwertige Materialien Geld auszugeben, aber dann muss das Ganze immer noch nachvollziehbar sein. :confused:
Versteht mich nicht falsch, ich will hier nicht rummosern oder gar alles schlecht reden. Nur kann ich eben manchen Materialpreis nicht nachvollziehen! Die Lohnkosten schon, denn da verdienen andere natürlich kräftig mit.

Viele Grüsse :emoji_wink:

Das GEGENTEIL von Material teuer und Arbeitslohn billig ist natürlich Material billig und Arbeitslohn teuer!
Holz IST heute billiger als je zuvor. Was jetzt nicht bedeuten soll, dass das Material nichts mehr kostet.
Ich meinte auch eher das Verhältnis Material/Arbeitslohn zueinander!
 

Snekker

ww-robinie
Registriert
2. Dezember 2012
Beiträge
1.754
Du sprichst mir aus der Seele WoodThinkerer Wer mit den Apfelsinenkisten Fabriken Konkurrieren will der muss sich nicht wundern wenn er Probleme bekommt. Kein Mensch kann so billig Massenware produzieren wie ein Automat. Es ist also blöd Massenware produzieren zu wollen. Es gibt viele kleine Firmen die Individuelle Möbel und auch andere Schreinerarbeiten anbieten und sehr gut davon leben können. Als ich vor dreissig Jahren angefangen habe mit Schmuckkästchen und verkündet habe Klassische Möbel bauen zu wollen und mich selbstständig zu machen haben alle mir auf die Schulter geklopft und gesagt träum weiter! zehn Jahre später war ich selbstständig und der Kampf begann. Nicht weil ich keine Kunden hatte oder ein schlechter Tischler war, sondern ganz einfach weil ich zu dem Zeitpunkt keinen Meisterbrief hatte. Man stelle sich vor die wollten doch glatt eine sehr gutgehende Tischlerei schließen nur weil ich keinen Meisterbrief hatte. Es gab keinen anderen grund- Ich habe immer meine Steuern und auch Versicherungen bezahlt und niemanden gefährdet. Nun ich habe es nicht so weit kommen lassen in einer Nacht und Nebel Aktion habe ich meinen Betrieb von Deutschland nach Norwegen verlegt und mich in Deutschland ordnungsgemäß abgemeldet. Da mein Geschäft von Anfang an über Mundpropaganda und E-Mail lief war das alles kein Problem für mich nicht und auch nicht für meine Kunden. Die meisten meiner Kunden kommen so oder so aus dem Ausland und für die ist es egal ob ich in Norwegen oder in Deutschland produziere. Für meine Russischen Kunden ist der weg sogar etwas kürzer und unkomplizierter geworden Wer seinen Betrieb zum Montagebetrieb für die Industrie verkommen lässt muss sich nicht wundern wen die Kundschaft Industriepreise verlangt. Es ist alles eine Frage des Bildes was man nach außen bietet.
 
Oben Unten