Fragen zu Spannagel...

hainwerker

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Hallo ihr,

ich lese als Abendlektüre gerade "der Möbelbau" von Fritz Spannagel. Das ist ja schon ein alter Schinken, aber trotzdem spannend.
Eine Sache hat mich stutzig gemacht: Er beschreibt das Verleimen von Brettern mit abwechselnd rechten und linken Seiten obenliegend als "in der Fachwelt kontrovers diskutiert". Und wenn nur als Mittellage in furnierten Platten aufgrund von unterschiedlicher Feuchtigkeitsaufnahme.
Das scheint heute doch aber Standard für alle Platten zu sein, oder?
Was hat sich geändert? Besserer Leim? Neue Erkenntnisse?

Eine weitere Frage, die sich mir gestellt hat: er schreibt, dass eine Hirnleiste bspw. An einer Tischplatte nur in der Mitte angeleimt wird, damit das Holz rechts und links davon arbeiten kann. Das klingt konstruktiv sinnvoll, aber optisch doch sehr unschön, wenn die Hirnleiter auf einmal schmaler ist als die restliche Platte, oder im schlimmsten Fall ein Spalt zwischen Platte und Hirnleiste entsteht. Wie geht man da heute mit um? Habe noch nie eine Hirnleiste verwendet.
 

weissbuche

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Ich sehe das gestuerste Verleihen auch kritisch. Meine Verleimregel seit der Lehre ist: Kern an Kern Splint an Splint, rechte Seite oben. Ein schönes Bild kann ich, meiner Meinung nach, nur so erhalten. Das Stürzen gibt nie ein natürliches Bild. Aber das wird ja von vielen anders gesehen. Ich habe in unserem Waldhaeuschen auch einen Tisch mit Hirnleiste. Ich weiß seitdem, Sommer ist wenn die Hirnleiste übersteht, Winter ist, wenn die Platte übersteht. In normal temperierten Räumen ist das wohl kein Problem, da schwankt die Holzfeuchte nicht so stark. Sinn und Zweck ist es ja, die Platte ohne Gratleiste gerade zu halten, da muß man diesen Nachteil in Kauf nehmen.
 

yoghurt

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Hallo,
ja, ab und an stolpert immer mal wieder jemand über dieses Thema im großen Klassiker von Spannagel. Es ist dort tatsächlich eher so gemeint wie @weissbuche es darstellt. Spannagel unterscheidet (so meine Erinnerung) dabei deutlich zwischen konstruktiv gehaltenen Leimhölzern und frei im Raum stehenden Leimhölzern für die das gestürzte Verleimen sinnvoll ist.

Ich würde behaupten - auch das hat hier schon Widerspruch ausgelöst - dass ein gestürztes Leimholz bei Veränderungen der Luftfeuchtigkeit einen wellenförmigen Querschnitt ergibt und schlechter durch einen Gratleiste im Zaum gehalten werden kann als eine nach @weissbuches Maßgaben verleimte Platte die als ganzes konkav oder konvex werden würde.

Mein guter Freund M. (den ich bewusst hier nicht mit einem @ versehe, obwohl er hier dabei ist) würde meinen, dass das alles in Zeiten zentralbeheizter Räume und technischer Holztrocknung ohnehin keine große Rolle mehr spielt und eine quasi-religiöse Spiegelfechterei ist.

Zur Hirnleiste hat @weissbuche alles gesagt!
 

hainwerker

ww-nussbaum
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Also würde ich gut damit fahren gestürzt zu Verleimen, wenn es keinen weiteren konstruktiven Schutz vorm schüsseln gibt. Falls es den gibt, kann auch eine Seite oben liegen. Und in wohltemperierten Räumen herrscht eh etwas mehr Freiheit beim Leimen.
Nur ob die Hirnleiste tatsächlich nur mittig geleimt wird müsst ihr mir noch verraten, das konnte ich bei @weissbuche nicht herauslesen.
 

IngoS

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Hallo,

ja, das gestürzte Verleimen bei Massivholzplatten wird unterschiedlich gesehen.
Ich halte es so, dass ich bei Füllungen nicht stürze, wegen des Bildes. Die Füllung wird ja durch den Rahmen gerade gehalten.

IMG_20251022_055922.jpg

Bei Platten stürze ich die einzelnen Lamellen schon, was aber auch nicht immer so aufgeht. Da muss man halt schauen und vor allem bei Tischplatten versuchen, ein schönes einheitliches Gesamtbild zu erreichen. Aber hier Kern an Kern und Splint an Splint.

IMG_20251022_060019.jpg

Zu den Hirnleisten schreibst du ja selbst " klingt konstruktiv sinnvoll". Ja, das klingt nicht nur so, sondern ist es auch seit etlichen Jahrzehnten.
Hier eine Hirnleiste die ich gar nicht verleimt habe. Sie hält mit vier Dübeln, die mittleren beiden ohne Spiel eingesetzt, für die Äußeren sind in die Platte Langlöcher eingearbeitet. Die Fuge ist und bleibt dicht.
IMG_20251022_055840.jpg

An den Enden steht die Leiste durch das Schwinden der Platte minimal über. Ist halt so. Wer das nicht ertragen kann muss sich eine andere Konstruktion einfallen lassen, z.B. Gratleisten. Wäre die Hirnleiste verleimt, hätte die Platte irgendwo einen Riss bekommen.

IMG_20251022_055804.jpg

IMG_20251022_054656.jpg

Bei der heutigen industriellen Fertigung mit technischer Trocknung und sehr schmalen Lamellen oder sogar keilgezinktem Material wird nicht mehr auf die Lage der Jahresringe geachtet, sondern so verleimt, wie es kommt.

Gruß Ingo
 

hainwerker

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Hey Ingo, danke für die ganzen Bilder. Das mit den Füllungen habe ich bisher auch immer so gemacht. Dann ist alles geklärt, Dankeschön! :emoji_slight_smile:
 

weissbuche

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Die Hirnleiste wird mittig endweder nur durch einen verkeilt en Zapfen gehalten oder verleimt. Wenn auf der ganzen Breite verleimt wird, kann die Platte nicht mehr arbeiten und damit auch die Hirnleiste sinnlos.
 

Friederich

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Meine Verleimregel seit der Lehre ist: Kern an Kern Splint an Splint, rechte Seite oben.
Na ja, alle Leisten mit der rechten Seite nach oben, widerspricht eigentlich den Verleimregeln; von denen man oft aus ästhetischen Gründen abweicht.
Kern an Kern dagegen ist aus technischer Sicht richtig UND sieht gut aus.
 

agnoeo

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Greene & Greene haben Einsätze verwendet um den Versatz etwas zu kaschieren:

G_4000_G-Hall-Table_5F00_fig-b1.jpg


Diese Nachbildung verwendet allerdings Schrauben statt Zapfen in der Hirnleiste.

Gruß, David
 

weissbuche

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Man stelle sich folgendes Szenario vor: Kunde möchte einen Stripteasetable ( Ausziehtisch) in Massiv, Platte mit schöner Fladerung. Fladerung schließt Kernbretter aus, also Seitenbretter. Die müssen gesichert werden. Da klassische Bauweise verlangt wird, sind Gratleisten aus Metall oder irgendwelche Rohre oder Stangen die eingebohrt werden, raus und die klassische Gratleisten natürlich auch. Es bleibt die Hirnleiste. Der auftretende Überstand muß dem Kunden erklärt und von ihm akzeptiert werden. Wenn die sichtbare Nut/Federverbindung stört, kann die Feder ja abgesetzt werden und die Nut in der Leiste geht nicht durch. Eine andere Möglichkeit, die Anforderungen des Kunden zu erfüllen, sehe ich nicht. Man sieht daß die Hirnleiste, auch heute noch, durchaus eine Berechtigung hat.
 

swrs

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Die Hirnleiste wird mittig endweder nur durch einen verkeilt en Zapfen gehalten oder verleimt. Wenn auf der ganzen Breite verleimt wird, kann die Platte nicht mehr arbeiten und damit auch die Hirnleiste sinnlos.
Wenn die Hirnleiste nur mittig fixiert ist (z.B. Zapfen oder Verleimung) habe ich sie zur Mitte hin minimal konkav gehobelt. Dadurch lässt sich — denke ich — besser vermeiden, dass an den Längskante an den Außenseiten ein Spalt zwischen Leiste und Tischkante entsteht. Ich mache das aber nur zur Sicherheit und bin mir nicht sicher, ob es wirklich hilft.
 
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