Bierlack mit fraglicher Oberfläche...

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Hallo und guten Tag,
habe einen alten Schrank geerbt, welcher mit einer Oberfläche aus Bierlack / Bierlasur versehen ist. Da der Auftrag schon sehr gelitten hat (stellenweise großflächige Schrammen) und mir die Biermalerei auch optisch nicht so recht gefällt, wollte ich den Schrank abbeizen.
Ich bin mir nur nicht sicher, ob man über die Lasur möglicherweise noch einen Klarlack aufgetragen hat, denn das ganze ist kein glatter homogener Überzug sondern eher etwas, das entfernt an runzelige Krokodilhaut erinnert. Es hat den Anschein, als sei der Lack in sich vollkommen gerissen. Andernorts habe ich gelesen, dass auch Leinöl unter Umständen solche Effekte hervorrufen kann, nur weiß ich nicht, ob dieses hier zum Einsatz kam (eine Bierlack-Basis mit Leinöl versiegeln?). Nun habe ich mich mitunter ja schon an das eine oder andere Möbelstück in unserem Hause zwecks Aufarbeitung herangetraut, aber bei diesem muss ich doch kapitulieren: mit Bierlacksachen habe ich so gar keine Erfahrung. Welche Möglichkeiten des Abbeizens ergeben sich denn bei dieser Art der Lackierung? Habe zwar versucht, mich schon vorzuinformieren, aber ich bin nicht sicher, ob Heißluftfön, Rohrreiniger oder Natronlauge sich als Abbeizmittel in diesem Fall eignen. Möchte da jetzt nichts falsch machen. Der Schrank soll im Anschluss entweder in einem dunkleren Farbton lasiert (Wasserbasis) oder mit pigmentiertem Hartöl behandelt werden (muss mich noch entscheiden). Für Ihre Hilfe im voraus schon einmal recht herzlichen Dank.
Viele Grüße
Gisela
 

edelres

ww-robinie
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Ablaugen - Abbeizen

Merry Christmas Gisela & Forumsfreunde,

Bei der sogenannten Bierlasur, kann es sich auch um Kleistermalerei handeln. Die geringe Klebekraft von Bier oder Kleister wurde zum Auftragen der Pigmente und deren Fixierung auf der Oberflaeche genutzt.

Diese lasierten Oberflaechen waren Feuchtigkeitsempfindlich und benoetigten eine schuetzende Deckschicht. Diese bestanden aus Oellacken auf Leinoelbasis um einen mehr glaenzenden Lack zu erzielen, wurde der Leinoelfirnis mit Harzen gefuellt, dazu wurde unter anderen Kolophonium und andere helle Harze verwendet, welche bei der Alterung und Temperatureinwirkung sich aus der Oberflaeche loesten und wie in deiner Beschreibung wie Krokodilhaut aussehen.

Eine beschaedigte Bierlasur-Oberflaeche ist sehr schwer bis nicht zu restaurieren.

Anstriche auf Oelbasis lassen sich mit Natronlauge (Aetznatron=Natriumhydroxid) 5 - max 10% verseifen und mit reichlich Wasser abwaschen, mit Essigsaeure (unverduennte Essigessenz) lassen sich evtl zurueckbleibende Laugenreste neutralisieren. Bilden sich, beim Trocknen, weisliche Schleier auf der Oberflaeche, ist dies ein Zeichen dass nicht genug abgewaschen wurde.

Heissluftfoen wuerde ich nicht empfehlen, da auch bei groesster Vorsicht Brandflecken nicht vermieden werden koennen, die dabei entstehenden Ausduenstungen und Feinstaeube sind gesundheitsscheadlich. Bei den granulierten Rohrreinigern, handelt es sich um Aetznatron (Nartiumhydroxid) welchem zur staerkeren Wirkung (groessere Hitzeentwicklung) Aluminium in Pulverform beigemischt wurde. Der Rohreiniger kann ohne weiteres zum Ablaugen verwendet werden.

Wichtig !!!! Beim Umgang mit Aetznatron, vor Beginn des Ansetzen der Lauge bis einschliesslich Reinigen der Geraete und Arbeitsplatz, Gesichtsschutz und Gummihandschuhe benutzen.

Eine gesundheitliche Schaedigung von Natronlauge entsteht durch Veraetzungen, Umweltschaeden entstehen kaum wenn mit genuegend Wasser nachgewaschen oder mit Saeure neutralisiert wird. Bei den neutralisierten Abbauproduken handelt es sich um Kochsalz.

Zu den geplanten Lasuren kann ich durch meine Marktferne zu D nichts sagen, da koennen einige qualifizierte Forumsfreunde (z. B.frankundfrei) fundiert weiterhelfen.

Als Gedankenanstoss.

Wuensche noch schoene Feiertage und alles gute im "Neuen Jahr"

Ottmar
 

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Abbeizen - Ablaugen mit Ätznatron

Lieber Ottmar,
vielen Dank für Deinen umfangreichen Gedankenanstoß, welcher ein gehöriges Stück weiter geholfen hat.
Rein intuitiv würde ich zu der Verwendung von Rohrreinigern tendieren, bin jedoch mit der Verfahrensweise nicht allzu vertraut. Gibt es denn neben den bereits genannten Sicherheitshinweisen noch Dinge, die besondere Beachtung finden sollten? Und gibt es z.B. Medien, die sich zum Anrühren und Auftragen besser eignen als andere? Was noch wichtig wäre: der Schrank verfügt in den Türen über eine Bleiverglasung. Muss diese erhöhte Aufmerksamkeit in Form von Schutzmaßnahmen erhalten (evtl. chemische Reaktion)? Leider habe ich mit Säuren nur wenig Erfahrung (dafür jedoch umso größeren Respekt davor) und „erst das Wasser.....“ ist alles, was vom Chemieunterricht noch hängen geblieben ist. Deshalb bin ich für jeden guten Tipp mehr als dankbar. Sehr hilfreich wäre vielleicht auch so eine Art Kurz-Anleitung zum allgemeinen Vorgang des Ablaugens mit Aetznatron (zum bildhaften erfassen der Abläufe). Ich hoffe, das sind nicht zu viele Fragen auf einmal....
Im voraus schon mal recht herzlichen Dank für die Hilfe.
Dir und den anderen Forumsteilnehmern noch schöne Restfeiertage

Gisela (die es immer ganz genau wissen möchte)
 

Hacki

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Hallo Gisela,
Es gibt Betriebe, die gewerblöich abbeizen/ laugen.
Gelbe Seiten!
Vor dem Ablaugen: Entferne die Scheiben, Beschläge und Schlösser.
Gruß Gerd
 

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Abbeizen

Hallo Gerd,
vielen Dank für den Hinweis. Diese Alternative hatte ich noch gar nicht in Betracht gezogen. Bisher habe ich unrestaurierte Möbel, die in meinen Besitz gelangten, immer als persönliche Herausforderung betrachtet. Das Entfernen alter Farbe übt dabei immer eine ganz besondere Faszination auf mich aus, insbesondere dann, wenn sich nur erahnen lässt, was sich unter oftmals vielfältigen Lackschichten am Ende verbirgt (mag ja sein, dass ich damit zu den komischen Vögeln zähle... :emoji_slight_smile: Rein intuitiv hätte ich mich schon gerne selbst an den Schrank gewagt. Aber ich lasse Deinen Ratschlag mal in meine Überlegungen mit einfließen, wenn mir die Sache mit dem Ätznatron allzu abstrakt erscheint, greife ich darauf zurück.

Gruß
Gisela
 

edelres

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Ablaugen

Hallo Gisela,

zu Gerd's Vorschlag mit dem Abbeizservice kann ich nur sagen vor meiner Auswanderung, waren die Ergebnise nicht akzeptabel, oft wurden dabei durch Unverstaendnis oder schludrige Arbeit irreparable Schaeden erzeugt.

Bei einiger Sorgfalt ist das Ablaugen mit Aetznatronlauge nicht schwierig. , Wichtig ist dabei Geduld.

Ausfuehrung:
10l Plastikeimer, irrgend ein Holzstab zum umruehren.

Nach dem Anlegen von Schutzbrille und Gummihandschuhen,
die erforderliche Menge Aetznatron/Rohrreiniger abwiegen und den Eimer mit der noetigen Menge Wasser fuellen, dann langsam das Aetznatron unter staendigem Umruehren im Wasser aufloesen, dabei beachten, dass sich dieses nicht am Boden ansetzt. Die Lauge ist nun fertig zum Benutzen.

Zum Auftragen einen Kunststoffborstenpinsel verwenden, dabei die abzulaugende Stelle mit der Lauge feucht halten, bis sich die Farbe loest. Mit Geduld solange Lauge auftragen bis sich alle Farbreste geloest haben. Nicht versuchen in diesem Stadium Farbe abzukratzen. Die Lauge macht die Arbeit des Abloesens.

Hat sich alle Farbe abgeloest, spritze ich mit einem Wasserschlauch ausgiebig das Holz ab. Besonders entlang von Kanten und Zierleisten, bis das austretende Wasser nicht mehr schaeumt. Bei Weichholz ist kein neutralisieren notwendig.

Ich vermeide die trockene Oberflaeche zu schleifen, sind Rauheiten vorhanden, glatte ich diese mit einem groben Schleifvlies beim Auftragen von Wachs oder Oel. So erhalte ich eine gleichmaessig gefaerbte Oberflaeche aus Altersfarbton plus Lauge.

Ich lauge bei einem Schrank grundsaetzlich die gesamte Oberflaeche innen und Aussen ab um einen ansprechenden Gesamteindruck zu erzielen, Das abgelaugte Moebel lasse ich im Schatten oder einem beluefteten Raum trocknen, das kann Wochen dauern. Die Tueren, stelle ich leicht diagonal auf eine Kante auf und beobachte dabei ob nicht noch Verschmutzungen entlang von Zierleisten auslaufen. Hier nehme ich die Feuchtigkeit mit einem Zelluloseschwamm auf.

Die Arbeit im Freien ausfuehren, falls nicht moeglich, den Boden mit Plastikfolie abkleben, darauf eine Schicht Zeitungspapier, diese mit Tesakrepp gegen Verrutschen fixieren.

@ Gerd, ich habe bis jetzt noch niemanden gefunden, welcher die Ablaugarbeiten zu meiner Zufriedenheit ausfuehrte.

Als Gedankenanstoss

mfg

Ottmar

PS: Bei dem Rohreiniger muss bei den Innhaltsstoffen Natriumhydroxid stehen. Vermutlich ist die Verwendung von Rohrreiniger die preiswertere Loesung, da Aetznatron in kleinen Mengen, bedingt durch notwendige Vorsichtsmassnahmen, Verpackung usw mehr kostet.
 

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Krokodilhaut-Bierlasur

Hallo Ottmar,
vielen Dank für die ausführliche Anleitung; so lässt es sich für mich gut nachvollziehen. Ich denke, dass ich das ganze erst einmal an ein paar lackierten „Übungsbrettern“ ausprobieren werde. Sollte dies von Erfolg gekrönt sein, geht es ans Eingemachte :emoji_slight_smile:
Nochmals herzlichen Dank für die hilfreichen Ratschläge

Viele Grüße
Gisela
 

strosob

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Hallo Ottmar,

Können Sie nochmal die Bilder von 2007 einstellen auf denen man die Bierlasurtechniken sehen konnte. Sie sind leider in Ihrem anderen Beitrag nicht mehr vorhanden. Wäre Klasse, da ich eine Decke restaurieren muss aus dem Jahre 1873, bei dem durch ein Wasserschaden einige Teile der Bierlasur auf Stuck zerstört wurden. Stil Neo-Renaissance.

Viele Grüße

Stephan
 

edelres

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Bierlasur Bilder

Hallo Forumsfreunde,

ich werde die Bilder auf dem Woodworker.de server ablegen, dann gehen diese nicht mehr verloren.

Bin im Moment nicht in der Lage dies sofort zu erledigen, sollte bis zum 1.11. erledigt sein.

mfg

Ottmar
 

sachsejong

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noch ein Tip zum Selbstbauen von Abbeizer

Wenn man- wie der Ottmar empfiehlt- sich seinen Ablauger aus Ätznatron selbst schmiedet, kann man mit billiger Speisestärke daraus eine dickere Paste machen, die dann auch auf der Fläche hält und nicht abläuft.

Mischungsverhältnis kann ich wenig dazu sagen, ich habe es einmal versucht und das Zeug dabei aus dem Gefühl raus verwendet. Rausgekommen ist eine gummiartige Substanz, die sich besch...en verarbeiten liess
 
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