Bestandsschutz im Baurecht

Weihnachten

ww-ulme
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Hallo liebe Holwurmzgemeinde.
Ich möchte mich gleich von vorne herein entschuldigen und JA, ich weiß, dass ist OT.
Andererseits habe ich hier schon so viele kluge und sachkundige Beiträge gelesen, dass ich denke, dass ich hier eine brauchbare Antwort finden kann.
Also, wenn es zu weit weg ist, vom eigentlichen Auftrag dieses Forums, ok, dann akzeptiere ich, wenn das Thema gelöscht wird.
Wenn es bleiben darf, und ich sogar weiterführende Antworten erhalte, umso besser und besten Dank schon mal allseits in die Runde!

Hinterhaus.png
Dieses Hinterhaus gehört mir. Ich habe es vor mehr als 10 Jahren zusammen mit dem Vorderhaus mitgekauft. Bisher habe ich es nur als Abstellraum genutzt aber nachdem ich hier einige Zeit mitlese, von Schweineställen, die in prächtige Werkstätten umgewandelt wurden, juckt es mich, mir hier auch eine kleine Werkstatt einzurichten. Meine Frage an euch, wenn so ein Hinterhaus schon seit Jahrzehnten besteht, und der Vorbesitzer diesen Flachbau in früheren Jahren als Lager/Werkstatt für seine Installationsfirma genutzt hatte, kann da die Stadt immer noch kommen und meckern, dass das ein nicht genehmigter Baukörper ist und abgerissen werden muss?
Oder gibt es nach einer gewissen Zeit eine Art Gewohnheitsrecht/Bestandsschutz, und ist so etwas reine Ermessenssache oder gibt es da klare Vorgaben?
 

Lico

ww-robinie
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Hinsichtlich Immobilien haben die zuständigen Ämter ein sehr langes Gedächtnis und sind sehr humorlos. Wenn der katastermäßig nicht erfasst ist, kann das Jahrzehnte dauern bis der denen auffällt. Ein Gewohnheitsrecht gibt es da AFAIK nicht. Man liest immer wieder von Abrissverfügungen, meist von Bauten auf Gartengrundstücken, die seit dem letzten Krieg stehen und seit dem dauernd bewohnt sind. Letzthin meine ich mich an einen Fall in Hamburg oder Harburg zu erinnern. Tragisch Fälle für die Betroffenen.

Lico
 

Michel1984

ww-esche
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Dem Vermessungsamt ist es völlig egal ob ein Gebäude genehmigt ist, oder nicht. Das heißt wenn das Vermessungsamt irgendwann mal kommt, oder bereits gekommen ist, um das Gebäude einzumessen, wird das gemacht, egal ob ein Gebäude genehmigt ist, oder nicht.

In der Regel ist für die Genehmigung eines Gebäudes, das Bauamt der Gemeinde zuständig. Kann aber auch passieren, dass die Gemeinde den Schwarzbau duldet und das Landratsamt auf den Abbruch besteht.

Ein Gewohnheitsrecht gibt es leider nicht. Aber solange dich keiner anschwärzt oder die Behörde keinen Grund hat das Grundstück zu prüfen, wird nix passieren. Du solltest halt keine genehmigungspflichtigen An- oder Umbauten machen um keine schlafenden Hunde zu wecken.
 

KalterBach

ww-robinie
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Das Baurecht kennt kein Gewohnheitsrecht. Schwarzbauten oder illegal errichtete Gebäude müssen spätestens nach Aufforderung entfernt werden. Hierzu bekommst Du Post vom Amt. Der Amtsschimmel ist aber geduldig und was er nicht kennt, wird auch erst mal nicht bearbeitet.

Die meisten Städte und Gemeinden haben einen Topf fürs Abreissen oder entfernen von nicht zulässigen Gebäuden. Meist ist der so klein, dass das Risiko den Bau zu erhalten gegen Null tendiert. Mag in manchen Gegenden anders sein, aber oftmals habe ich es so erlebt.

Sollte im Rahmen einer Neuvermessung festgestellt werden, dass Gebäude nicht eingemessen sind, werden diese normalerweise mit eingemessen. Ob da automatisch eine Prüfung auf erteilte Baugenehmigung erfolgt, weiß ich nicht. Wage aber als Vermesser mal zu behaupten, dass dies seitens der Vermessungsverwaltung nicht passiert. Wie sich die örtliche Baubehörde verhält, steht auf einem anderen Stern.

Interessant wird es natürlich, wenn der Nachbar ins Spiel kommt. Wenn dem einen Dinge untersagt werden, die der andere offensichtlich durfte, dann kommt schnell Bewegung in die Sache. Wenn dann noch das Amt aktiv wird, reicht ein Schreiben aus und die Sache wird unangenehm.

Ob eine Baugenehmigung nachträglich erteilt werden kann, hängt von den Grundvorraussetzungen ab. Wenn kein Bebauungsplan vorhanden ist und auch kein besonderer Grund für den Bau möglich ist, wirst Du es in den meisten Fällen nicht genehmigt bekommen. Wenn Du dann den schlafenden Hund geweckt hast, ist Feierabend.
 

Weihnachten

ww-ulme
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... schade. Denn wenn ich da nur mal eine oder zwei Stunden den Hobel laufen lassen würde, müsste ich vielleicht mit Ärger rechnen.
Na, dann wird es wohl nichts mit dem eigenen Werkstättle.
 

VolkerW

ww-kastanie
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Nimm mit dem örtlichen Bauamt wg. Einsichtnahme in die Bauakte Kontakt auf. Dort wirst Du sehen, was genehmigt ist und was nicht.

Falls der Anbau nicht genehmigt ist, solltest Du die Genehmigungsfähigkeit mit einem Architekten besprechen, nicht mit dem Bauamt ("schlafende Hunde"). Für eine Nachgenehmigung muss der Anbau natürlich - sofern als solcher und hinsichtlich der geplanten Nutzung grundsätzlich genehmigungsfähig - die aktuellen Vorschriften einhalten. Bestandsschutz gibt es nur für Bauwerke bzw. deren Nutzung, die einmal ordnungsgemäß genehmigt waren.
 

Weihnachten

ww-ulme
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Beim Bauamt war ich schon. Da habe ich mir die Akte angesehen und daher weiß ich auch, dass die Remise abgerissen werden sollte.
 

KalterBach

ww-robinie
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Da ja links oben im Bild ein Supermarkt zu sehen ist, nutze doch den Raum der "Remise" erst mal als Werkstatt. Musst ja nicht unendlich weit ausbauen. Abwarten und erst mal Arbeiten.

Ansonsten die Frage, was wäre denn baurechtlich nach dem "Abriss" möglich?
 

predatorklein

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Moin

Da habe ich mir die Akte angesehen und daher weiß ich auch, dass die Remise abgerissen werden sollte.

Und was sagt der Bebauungsplan ?
Und wer hat angeordnet , dass der Schuppen abgerissen werden sollte ?

Mit Behörden kannst du im Normalfall auch ganz gut quatschen , da sitzen Leute wie du und ich .
Die kriegen meistens einen Hals , wenn einer versucht , ein halbes Hähnchen zu reanimieren .

Bei uns stehen auch die Garagen zu weit vom Haus weg , wurden in den 60 iger Jahren gebaut .

Mach ich die komplett platt , dürfen sie dort nicht wieder aufgebaut werden .
Wenn ich sie nach und nach renoviere , darf ich das .
Der Tip kann von einer Sachbearbeiterin der zuständigen Gemeinde :emoji_wink:

Solltes du den Schuppen renovieren , auf optimalen Schallschutz achten .

Und überlegen , wie geheizt wird .
Holz würde ich in so einer Gegend nicht verbrennen , ganz schnell wird man wegen dem Rauch von einem Nachbarn angezeigt .
Zumal ich nicht glaube , dass der Schornsteinfeger sowas genehmigen würde .

Gruß
 

ManuelS

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Wie ist das eigentlich wenn ich so ein Haus kaufe in dem Fall mit dem Schuppen weil ich dort eine kleine Werkstatt aufbauen möchte...
Einige Zeit danach kommt raus der Bau ist nicht genehmigt...
Also im Prinzip wie hier. Schlimmer wäre natürlich das Haus oder Teile des Hauses.

Ist das nicht eine Art Betrug vom Verkäufer falls er mir das nicht mitgeteilt hat?
 

Weihnachten

ww-ulme
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@ManuelS
Ich hatte das Haus von einem Makler gekauft und in dem Exposé war nichts von dem Hinterhaus erwähnt. Auch kein Foto. Ich hatte das nicht weiter hinterfragt sondern im Gegenteil, das machte den Kauf unerwartet ja noch interessanter.
 

hukiman

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Ein Schwarzbau bleibt immer ein Schwarzbau... Das verjährt auch nicht...

Wir hatten schon öfters das Problem, dass ein Kunde z.B. eine Gaube möchte, beim Einreichen der Baumappen kommt dann raus, dass der Schuppen ein Schwarzbau ist... Dann wird meist eine Strafe erhoben und nachträglich ein Plan erstellt werden. (Sofern es vom Baurecht überhaupt möglich ist)

Ein Supermarkt als Nachbar ist schonmal gut, da wird keiner meckern nehme ich an.

Ich würde den Schuppen einfach als Werkstatt nutzen... Schlafende Hunde würde ich im Bauamt nicht wecken...

Nachträglich als Werkstatt genehmigen lassen wird baurechtlich vermutlich schwierig, aber das kann dir ein Planer aus deinem Bundesland sicher genauer sagen.
 

hukiman

ww-ahorn
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Ich hatte das Haus von einem Makler gekauft und in dem Exposé war nichts von dem Hinterhaus erwähnt. Auch kein Foto. Ich hatte das nicht weiter hinterfragt sondern im Gegenteil, das machte den Kauf unerwartet ja noch interessanter.

Ich bin kein Rechtsverdreher, aber beim Kauf ist es essentiell zu wissen ob der Bau genehmigt ist oder ein Schwarzbau... Daher solltest du dazu mal genauer nachhaken...
 

Keilzink

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... ist 30 Jahre her: Ich habe von meinem Vater eine Ständerbau-Baracke übernommen. dort mein Gewerbe ausgeübt. Was ich nicht wusste: Der Alte hat das schwarz gebaut. Eines Tages stand ein netter Mensch vor der Tür, vom Bauamt. Sie hätten hier in der Gegend was eingemessen, dabei sei ihm aufgefallen, dass hier einiges illegal steht. Ich bin fast auf den Hintern gefallen. Hab ihm dann erklärt, dass ich keine Ahnung hatte. Er hat sich das ganze angeshen und dann gefragt, ob dieses Gebäude existenziell wichtig für mich wäre, von wegen meiner Berufsausübung usw. Habe ich natürlich bejaht. Dann ging alles ganz unkompliziert: Mein Kamin sei etwas niedrig, er würde jetzt mal bei meinem Nachbarn klingeln und fragen, ob der sich belästigt fühle von dem Rauch. Dem war nicht so. Er hat mir gesagt, ich solle eine einfache Zeichnung vom Architekten anfertigen lassen, bei ihm einreichen, er würde das Gebäude nachträglich genehmigen. So lief das dann auch. Hat kaum was gekostet (meine Schwägerin hat zu dem Zeitpunkt Architektur studiert, mir die Zeichnung gemacht).

Wie es so geht, treffe ich den Herrn ein paar Tage später auf dem Stadtfest wieder. Wir haben dann ein Bier zusammen getrunken, dabei hab ich erfahren, weshalb das so einfach ging: Die Baracke stand in einem Wohngebiet. Allerdings ganz am Rande, hinter dem Zaun begann ein Mischgebiet, mein unmittelbarer Nachbar war eine Reifenmontage-Werkstatt. In so einem Fall meinte er, muss man vernünftig entscheiden: Existenziell wichtig, keine Klagen von den Nachbarn, am Rande eines Mischbebietes. Eine Hausnummer weiter und bei nur privater Nutzung hatte er aber keine Wahl gehabt.
In dem geschilderten Fall würde ich erst mal den Status des Gebiets feststellen. In einem reinen Wohngebiet würde ich die Füsse ganz still halten, und sehr voersichtig sein, vor allem mit Lärm und Nachbarn. In einem Mischgebiet würde ich drüber nachdenken zum Bauamt zu gehen und meine Karten auf den Tisch zu legen.

Viel Erfolg!
Andreas
 

Weihnachten

ww-ulme
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Screenshot_20200923-091836_Gallery.jpg
Hier der Ausschnitt von 1899, das ist nördlich von einem Parkplatz und Supermarkt umgeben, alles andere aber sind 4geschossige Mehrfamilienhäuser.
Auf dem Plan das Hellrote das ist damals als Remise bezeichnet worden und das ist heute der Flachbau.
Nee, also ich lass das. Direkter Nachbar links ist eine Kneipe, die hat vor Corona ein Vietnamese übernommen, sein Biergarten endet Wand an Wand mit meinem Flachbau. Da kann ich nur Ärger bekommen.
 
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