Ich schalte mich jetzt auch mal ein, nachdem sich hier leider viel weniger Frauen zu Wort melden, als es in der Holzbranche gibt. An die Fragestellerin habe ich in etwa Folgendes persönlich geschrieben:
"Hallo,
bei mir ist das ja schon 30 Jahre her, dass ich die Ausbildung zur Schreinerin gemacht habe. Ich vermute mal, dass sich seitdem aber nicht allzu viel geändert hat. Meines Wissens liegt der Frauenanteil damals wie heute bei 10 % im Schreinerhandwerk. Das mag unter den Zimmerleuten ein niedrigerer Prozentsatz sein.
Wir hatten damals 1 Tag pro Woche Berufsschule, was ich sehr gut und praktikabel fand. So ist man weder im Betrieb noch in der Schule abgehängt worden. Da ich vor der Lehre Abitur gemacht hatte, war ich in einer speziellen Klasse zusammen mit denen, die auch Abitur hatten oder Umschüler/innen waren. Also alle deutlich über 18 Jahre alt. Ich habe mich nie als Aussenseiterin gefühlt und auch eher Bewunderung von meiner Umgebung entgegen gebracht bekommen. Sprüche wie : "da bist du schwach dazu" hab ich eigentlich nicht gehört, aber auch da dürfte sich der Anspruch zwischen Zimmerei und Schreinerei unterscheiden. Heute wünsche ich, ich hätte mich öfters mal getraut zu sagen, dass manche Gewichte vielleicht doch zu heftig waren, denn ich habe mir Blasenprobleme mit meinem Ehrgeiz, alles genauso wuppen zu wollen, eingefangen.
Ich kann dir nur raten: hör auf dein Gefühl und weniger auf das, was andere sagen. Wenn was körperlich zu anstrengend ist, würde ich das an deiner Stelle ruhig zugeben. Meist kann man mit Köpfchen Einsatz sich Dinge erleichtern. So einfache Verallgemeinerungen wie "Mädchen sind schwächer als Jungen" helfen niemand weiter, das darf frau ihrem Lehrer auch ruhig sagen.
Allerdings hatte ich auch immer das Gefühl, besser sein zu müssen als meine männlichen Kollegen, um ernst genommen zu werden. D.H. dass ich mich schon immer angestrengt habe, vor allem in der Theorie zu glänzen. Einfach nur Durchschnitt war mir als Frau zuwenig. Keine Ahnung, wie ehrgeizig du bist - aber sich selbst mehr im Blick zu haben als die anderen und deren Massstäbe, ist wohl der Rat, den ich dir mit auf den Weg geben kann. Das würde ich heute auch mehr befolgen, als ich es als junge Frau getan habe."
Heute bin ich 59 und arbeite noch recht viel körperlich, aber ich finde es deutlich anstrengender als vor 10 Jahren. Meine Alternative zur Werkstatt ist das Schreiben über Holzthemen geworden. Das werde ich in meinen letzten Berufsjahren noch ausbauen. Es ist aus meiner Sicht immer ratsam, mehr als eine Option zu haben, womit man/frau sein/ihr Geld verdient. Insofern schaden mehrere Ausbildungen auf keinen Fall. Wobei ich in meinem Fall nicht ohne Stolz sagen kann, dass ich "nur" eine Schreinerlehre gemacht habe und mir das Restaurieren, Unterrichten und Schreiben selber beigebracht habe, Schritt für Schritt. Immer dann, wenn sich die Gelegenheit geboten hat, ins kalte Wasser zu springen, d.h. etwas zu tun, was ich mir zugetraut habe, auch wenn ich darin nicht expilzit ausgebildet worden bin, bin ich gesprungen.
Langer Rede kurzer Sinn: wenn du einen Weg vor dir siehst, den du gehen willst, dann tu es einfach! Abzweigungen und Ruheplätze zum Innehalten werden sich bei offenen Augen immer bieten.
Alles Gute!
Melanie
www.holz-sinn.de