Die Antiquitätenhändler stecken in einer schwierigen Phase. Über Jahrzehnte haben sich beachtliche Bestände angesammelt. Man kann aus nahezu jeder kunstgeschichtlichen Epoche auf Mobiliar zugreifen. Aber die jungen Generationen interessieren sich nicht mehr dafür. Bereits seit etwa zwanzig Jahren fallen die Preise ins Bodenlose. Selbst Barockmöbel sind vergleichsweise preiswert zu erstehen. Früher undenkbar.
Die Möbel aber, die heute gefragt sind (etwa ab Werkbund, über Bauhaus, Skandinavien und Italien) sind teilweise in sehr schlechtem Zustand, weil Materialien verwendet wurden, die heutige Restauratoren nicht mehr erhalten können (Kunststoffe). Sie zerfallen zusehends.
Ich finde aber vor allem das steigende Interesse an 50er Jahre Möbeln interessant. Das war für meine Generation immer der Ausdruck des biederen Piefkes. Heute reissen sich alle darum.
Hinzu kommt, das die Postmoderne kein greifbares Design mehr bietet. Die Möbel von heute haben also kein eindeutiges Design mehr und sind auch nicht für langfristiges Nutzung gestaltet. Wegwerfartikel bei der Massenfertigung.
Besonders spannend aber sind die aktuellen Meister- und Gesellenstücke. Ich habe einige Bücher aus den sechziger Jahren über Möbelbau. Die entsprechen nahezu eins zu eins dem breiten Designgeschmack. Wenn man sich die Ladeneinrichtungen der großen Bäckereiketten und Modesalons anguckt, dann bedienen sie sich exakt der 60er Jahre Ästhetik. Irgendwelche Berufsschullehrer oder Meister müssen hier ihren Einfluss geltend gemacht haben.
Der heute so beliebte "industrial Style" ist ja auch nur eine Retrowelle aus den 90er Jahren. Ein alter Hut sozusagen. Stahlkufe trifft Eichenbohle, und das möglichst grobschlächtig. Hier werden Elemente der siebziger und achtziger aufgegriffen (Mad Max, Alien)
Literaturtipp: Werkstoffe und Verarbeitung im Innenausbau, Otto Steinhöfel, 1965 / vgl. Innenausbau Bäckereikette Wolf