"Die Frage, ob Holzstaub Krebs erregend ist, wurde in den letzten zwanzig Jahren in Deutschland kontrovers diskutiert. Die Antwort lautet: Nein.
Das schweift zwar jetzt weit vom Original-Thema ab, ist aber ein Holz-Thema und interessiert ja den einen oder anderen doch. Außerdem zufällig ein Thema, bei dem ich Profi bin.
Grundsätzlich ist das Wort „verursacht Krebs“ schonmal falsch, jedenfalls nicht in dem Sinne zu verstehen, wie ein Balken, der auf den Finger fällt, einen gebrochenen Finger verursacht.
Jedes Mal, wenn sich eine Zelle in Deinem Körper teilt, werden die gesamten Gene, also 3 Milliarden Buchstaben, kopiert. Dabei passieren Fehler (Mutationen). Jede Minute. Wenn ganz bestimmte Fehler in einer Zelle zusammenkommen, entsteht Krebs. Krebs wird also durch Kopierfehler verursacht, nicht durch Staub.
Jetzt gibt es Einflüsse, die die Fehlerquote beim Kopieren erhöhen, und damit das Risiko. Dazu zählt UV-Licht, Röntgenstrahlung, Zigarettenrauch und vieles andere. Letztlich ändert sich aber nur die Wahrscheinlichkeit, man kann immer Glück oder Pech haben (Beispiel Helmut Schmidt).
Selbst wenn man auf alle Risiken verzichtet (nur Karotten, kein Sex, und auch sonst wenig Spaß), kann man Krebs kriegen, vermutlich ist die Wahrscheinlichkeit immer noch ca. 20 Prozent auf’s ganze Leben gerechnet. Letztlich muss also jeder selbst entscheiden, welche Risiken er eingeht und welche nicht. Grillen ist zB ein Risikofaktor, auf den ich nicht verzichten möchte.
Um solche Entscheidungen zu erleichtern, gibt man das relative Risiko an, also wieviel höher das Risiko mit Risikofaktor ist gegenüber ohne.
Dabei ist aber immer noch zu beachten, wie hoch das absolute Risiko ist: Wenn einige Studien finden, dass Schreiner ein 24-fach erhöhtes Risiko für Krebs der Nasenschleimhaut haben, klingt das erstmal sehr viel. Wenn das aber nur einer von 10.000 ist, ist es eher wenig im Vergleich zu anderen Lebensrisiken, wie Herz-Kreislauferkrankungen oder andere Krebsarten.
Wenn man nun wissen will, wie das relative Risiko ist, ist es sinnvoll, bei Medline eine Metaanalyse zu suchen - das ist eine Auswertung einer großen Zahl von Studien. Googlen hilft da nur bedingt, nicht alles, was google findet, ist auch wahr, während bei Medline nur Zeitschriften erfasst werden, die zumindest gewissen Qualitätsstandards genügen.
Da findet sich zB dies:
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4339645/
Wenn Du runterscrollst, findest Du die Forrest-Plots der ausgewerteten Studien. Die zu erklären, führt jetzt hier zu weit (gerne per PN), aber man sieht, dass die meisten schon ein erhöhtes Risiko für Holzstaub sehen.
Das sagt aber erstmal nur, dass das Risiko, einen Krebs der Nasenschleimhaut zu bekommen, bei beruflich Holzstaub-exponierten erhöht ist, laut diesem Artikel um den Faktor 6. Das sagt erstmal nichts über den Mechanismus, es kann auch ein Faktor sein, der üblicherweise zusammen mit Holzstaub auftritt, wie Beize. Allerdings stammen die Daten aus unterschiedlichen Berufsgruppen, zB. Sägewerker beizen ja eher nicht, denke ich.
Faktor 6 klingt erstmal viel, man muss aber bedenken, dass solche Tumoren sehr selten sind - ich kann mich nicht erinnern, schonmal einen gesehen zu haben. In absolutem Risiko sind das eher 3 Fälle pro 100.000 (0,5 in der „Normalbevölkerung“) Das muss man dann im Verhältnis zu anderen Risiken im Leben sehen, wie Verkehrsunfälle. Der Weg zur Montage ist für den Schreiner vermutlich schon gefährlicher.
Dennoch ist natürlich jeder Fall ein Fall zu viel, und bei einigen Hunderttausend Schreinern trifft es halt doch einige. Deshalb gibt es ja entsprechende Richtlinien der Berufsgenossenschaften, und es ist auch sinnvoll, die einzuhalten.
Hat aber, wie erwähnt, mit der Ausgangsfrage nichts mehr zu tun. Ich gehe davon aus, dass der Betrieb BG-konform ausgestattet ist, dann wird da sowieso wenig Staub freiwerden. Und alle Risikoberechnungen gelten ja für ein gesamtes Arbeitsleben, einmal etwas Staub einatmen erhöht das Krebs-Risiko nicht messbar. Da ist ein Meteoriteneinschlag in die Werkstatt dann ein größeres Risiko...
Um die Muttis zu beruhigen : Nimm halt Obsthölzer, Obst ist ja bekanntlich gesund