Wiener Geflecht / Sonnengeflecht reparieren

KrauserKater

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Hallo liebe Community,

Nachdem ich hier schon eine Weile still mitlese möchte ich Euch nun um eure Expertise bitten, da ich bisher leider keine ausreichenden Infos dazu finden konnte.

Ich habe vor kurzer Zeit diese (siehe Fotos) Chippendale-Stühle erhalten, die ich gerne erneuern möchte. Unglücklicherweise ist das Sonnengeflecht an allen Stühlen bis auf einem (siehe Fotos - defekt und intakt) zerstört. Da ich mir die professionelle Reparatur leider nicht leisten kann und für gewöhnlich bei solchen Handwerksarbeiten relativ geschickt bin, möchte ich gerne versuchen, sie selbst neu zu flechten. Ich habe mich dank diverser Anleitungen im Internet und einigen tollen Beiträgen hier im Forum schon ganz gut in die "Basics" des Wiener Geflechts einlesen können, bin mir aber durchaus bewusst, dass ich mir hier als Starterprojekt eine "Mammutaufgabe" auferlege.

Unglücklicherweise finde ich speziell zum Sonnengeflecht keinerlei Tipps oder Anleitungen und habe als einzige Vorlage nun diesen einen intakten Stuhl. Mit genauer Beobachtung ist die Vorgehensweise daran zwar halbwegs gut zu erkennen, aber es wäre wahrscheinlich ungemein einfacher, wenn ich irgendeine Art von Anleitung hätte.

Kennt jemand von Euch Ressourcen, egal in welcher Form (online, Bücher, Videos....) die die Vorgehensweise beim Sonnengeflecht veranschaulichen, oder kann es vielleicht sogar selbst grob umreißen? Ich bin für jeden Tipp dankbar und freue mich!

Liebe Grüße,
Krauser Kater
 

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derdad

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Das klingt nach einer Frage für @derdad
Bin schon da.
Guten Morgen!
Einige wenige Anleitungen gibt es in Büchern wie zb.hier:

https://www.amazon.de/Das-Buch-vom-...=Stuhl+geflecht&qid=1622010245&s=books&sr=1-1https://www.amazon.de/Caners-Handbo...=Stuhl+geflecht&qid=1622010245&s=books&sr=1-5
Prinzipiell gehören Sonnengeflechte, oder in diesem Fall die Halbsonne, zu den anspruchsvollen Flechtarten. Ich kenne viele arrivierte Kollegen, die sagen, sie tun sich das nicht an. Du solltest also schon halbwegs sattelfest beim "normalen" Wiener Geflecht sein, wenn du es machen möchtest. Bei deinen Lehnen kommt noch dazu, dass es die "gesteckte" Technik ist. Es sind die Löcher nicht ganz durchbohrt und die Rattanfadenenden werden in die Löcher gesteckt und fixiert.
Alle Vorgänge hier zu beschreiben würde zu lange dauern.
Du kannst mir aber schreiben oder mich anrufen, ich hab auch schon per Videokonferenz Anleitungen gegeben.
www.sesselflechterei.at
Ich weiß nicht welchen Preis dir die Kollegen für eine Lehne mit Halbsonnen gesagt haben, bei mir kostet so eine Lehne € 370,- All in.
Noch ein Satz zu "Chippendale": Deine Sessel sind Chippendale-Stilsessel aus den 1940ern/1950ern. Echte Chippendale wären ca 200 Jahre älter.
Ich hoffe ich konnte etwas weiterhelfen
Gerhard
 

KrauserKater

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Hallo und herzlichen Dank für die Antworten und interessanten Background-Infos!

Dankeschön für die Buchtipps, das hilft mir schon sehr!
Dieses Projekt wäre meine erste Erfahrung mit dem Flechten - ich bin mir bewusst, dass diese Herausforderung etwas hoch gesteckt ist.. :emoji_confounded:
Ich habe die 6 Sessel für insgesamt 55.- erhalten, dementsprechend war mein Gedanke, dass ich hierbei mit gutem Gewissen auch einfach drauf loslegen und ausprobieren könnte. Leider ist die professionelle Reparatur da eben komplett außerhalb meines Budgets, ich kann es mir leider einfach nicht leisten..
Vielen vielen Dank für das Angebot mit der Kontaktaufnahme, ich werde mich noch weiter einlesen und komme sehr sehr gerne darauf zurück!!

Liebe Grüße,
Krauser Kater
 

Sue Wolken

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Schön diese Seite gefunden zu haben! Ich habe auch gerade einen alten Stuhl zu reparieren und zwar die Sitzfläche und die Seitenlehnen. Die Rückenlehne ist noch in Ordnung, aber sehr dunkel und nun meine Frage: Kann ich die Flechtschiene beizen, damit die dunkler werden und wenn ja womit? Außerdem habe ich mir eine Flechtnadel gekauft, aber so richtig weiß ich nicht wie das gehen soll?! Hat jemand ein Tipp, wo ich mir dies anschauen kann? Liebe Grüße von Sue auf den Wolken.
 

Sue Wolken

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Ja, super, ich bin eh noch in der Vorbereitung. Noch irgendwelche Tipps zu doppelt geflochtenen Armlehnen? Das Buch habe ich, aber vielleicht was Praktisches? LG Sue
 

derdad

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Liebe Sue,
soweit ich es herauslese bist du eine komplette Neueinsteigerin im Sesselflechten. Ich gehe auch davon aus, dass es sich um das Wiener Geflecht (8Eck Geflecht) handelt. Ich hoffe auch, du hast bereits alle Beiträge in verschiedenen Anfragen gelesen.
Du schreibst von Sitz, Seitenlehnen, und später auch von doppeltem Geflecht. Eigentlich etwas, das auch einige meiner Flechtkollegen ablehnen zu machen, da es ihnen etwas zu kompliziert ist. Ehrlich gesagt hab auch ich noch nie ein doppeltes Geflecht gemacht, sondern bin immer auf die "gesteckte Technik" (im Englischen "blind hole" genannt) ausgewichen. Geht schneller und ist weniger "Denkarbeit". Wenn es richtig gemacht ist, sieht man keinen Unterschied. Für Lehnen ist stecken problemlos anwendbar, für Sitze hat es zu wenig Belastbarkeit. Bzgl. Stecken hab ich hier im Forum schon etwas geschrieben und will mich nicht wiederholen.
Der Sitz ist wahrscheinlich rechteckig oder trapezförmig. Dies wäre für einen Anfänger ideal. Jedoch wird dein Sitz relativ gross sein, ich gehe bei Doppelgeflecht nämlich von einem Fauteuil aus, da müssen die Fäden sehr fest gespannt werden.
Die Seitenlehnen haben wahrscheinlich eine undefinierte Form mit Rundungen und Schrägen. Hier muss man sehr aufpassen die richtige Bezugskante zu finden und die richtigen Löcher zu finden in die die Fäden doppelt laufen. Speziell bei Rundungen. Denn sonst bekommt man am Rand keine X sondern V und dadurch ist der äusserste Faden im rechteckigen Grundgeflecht nicht fixiert und rutscht nach aussen. Welche Löcher man nehmen muss und welche nicht ist von Fläche zu Fläche sehr individuell und bedarf einiges an Erfahrung.
Eine Flechtnadel wird immer wieder angepriesen und beschleunigt das Flechten des Grundgerüsts ein bisschen, ist jedoch nur in wenigen Fällen anwendbar. Und auch dann nur mit Erfahrung. Für die Diagonalfäden ist sie gänzlich unbrauchbar.

Beizen/Einfärben: Einfärben von Rattan ist etwas schwieriger als Einfärben von Holz. Die glatte Seite, jene mit der Schale, nimmt nur schwierig Farbe und an und wird durch die geglätteten Blattrispen fleckig. Die rauhe Seite nimmt Farbe sehr gut auf und wird sehr dunkel. man kann die Fäden auch nicht vorher einfärben, da durchs Durchziehen beim Flechten die Farbe z.T. wieder abgeschabt wird. Also erst das fertige Geflecht färben.
Wasserbeizen sind unbrauchbar da, wie bereits erwähnt, die glatte Seite kaum saugt. Das Beste wären Spiritusbeizen. Auch Lösungsmittelbeizen sind durchaus anwendbar.
Viele meiner Kollegen nehmen sehr verdünnte KH-Lacke, mit denen Sie sich die jeweilige Farbe zusammenmischen. Ich habe für mich Acrylfarben entdeckt (auch weil ich als Hobby Aquarell und Acryl male). Ich nehme Künstleracrylfarben, mische mir die passende Farbe, und verdünne sie dann mit Wasser zu einer Konsistenz wie Milch. Acryl trocknet sehr schnell und haftet auch auf der glatten Schale sehr gut. Dadurch, dass es sich auf die Oberfläche drauflegt und nicht sosehr eingesaugt wird, ist auch der Farbunterschied zwischen glatter und rauher Seite nicht so gross.
Ich beginne beim ersten Auftrag mit einer Grundfarbe die dem hellsten Ton des alten Rattans entspricht. Dies ist meist ein Mix aus Umbra, Siena ungebrannt, Siena gebrannt. Nach 1/2Tag Trocknung kommt die eigentliche Farbe, die etwas heller sein sollte als die des alten Geflechts. Diese Farbe ist schwer zu verallgemeinern. Es kann von rotbraun über beige, beigebraun, grünlichbraun bis beinahe schwarzbraun alle Schattierungen haben. Hier ist "try and error" angesagt. Fürs mixen der Farbe brauche ich um vieles länger als fürs eigentliche Färben. Es ist auch schon passiert, dass ich für einen Hocker mit 35cm Durchmesser 2 Std gemixt habe und 10min gepinselt :emoji_wink: Es gibt einfach keine Normfärbung bei Rattan.
Zu guter Letzt, und nach einer Nacht Trockenzeit, kommt noch 2x sehr verdünnter Acryl- Klarlack drauf. Wieder mit 1/2 Tag Wartezeit dazwischen. Der Klarlack gibt den Glanz und schützt nochmals vor Abrieb. Ich trage den Klarlack auch nur auf der glatten Rattanseite auf, weil das Geflecht "atmen" muss.
Eine weitere Möglichkeit ist es, das Geflecht mit Schellack zu lackieren. Jedoch ist die Farbgestaltung dabei beschränkt.

Leider wird das Einflechten von Sesseln oft als "Bastelei" hingestellt. Es stimmt, die Arbeitsschritte sind nicht all zu viele, das verwendete Werkzeug überschaubar, um aber eine wirklich gute und auch haltbare Einflechtung zu bekommen bedarf es viel Erfahrung. Wie bei jedem Handwerk.

Ich will aber den Eifer nicht bremsen sondern vielmehr ermutigen es zu probieren. Die Erwartungshaltungen sollten jedoch nicht all zu hoch angesetzt werden, sondern man muss auch damit rechnen einmal eine ganze Fläche herauszuschneiden und von vorne zu beginnen. Hab ich auch zu Beginn machen müssen.

Viel Erfolg
Gerhard

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marcus_n

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Ich habe gute Erfahrungen mit Leinölfirnis gemacht. Gerade bei altem Geflecht, das schon sehr trocken ist, wird alles wieder ein wenig geschmeidiger und bekommt eine schöne Patina. Bisher hab ich nur einfache Geflechte gefertigt, bzw. repariert. Ich habe einen mächtigen Respekt vor hochwertigen Geflechten. Das macht man nicht mal so nebenbei. Es erfordert sehr viel Erfahrung.
Gruß
 

derdad

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Ich habe gute Erfahrungen mit Leinölfirnis gemacht. Gerade bei altem Geflecht, das schon sehr trocken ist, wird alles wieder ein wenig geschmeidiger und bekommt eine schöne Patina. Bisher hab ich nur einfache Geflechte gefertigt, bzw. repariert. Ich habe einen mächtigen Respekt vor hochwertigen Geflechten. Das macht man nicht mal so nebenbei. Es erfordert sehr viel Erfahrung.
Gruß
Ich hab Leinölfirnis noch nie bei Geflecht probiert. Das es eine Patina macht wird stimmen. Meine Anleitung oben hat sich darauf bezogen, das ein neues Geflecht farblich an ein altes angepasst werden soll. Da geht es meist um Farbnuancen, die man wahrscheinlich mit Leinölfirnis nicht einbringt. Das Beste für Rattangeflechte wäre kein künstlicher Farbauftrag.
Bzgl Geschmeidigkeit: Hast du da eigene, langzeitige Erfahrung die auch belegbar und testbar ist? Oder Anwendung lt gelesenem oder gehörten Tipp? Es interessiert mich deshalb, weil ich schon lange mit allen Mitteln herumexperimentiere, aber noch nichts gefunden habe, das mich zufriedenstellt.
LG Gerhard
 

marcus_n

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@derdad. bzgl. Leinölfirnis war das ein Versuch. Ich habe seit ein paar Jahrzehnten einen Sonnenliegestuhl hier herumstehen, der schon lange auf eine Restaurierung wartet. Zustand ganz ok, kleine Stellen reparaturbedürftig. Dieser Stuhl ist aus den 1920er, 30er Jahren. Das Geflecht begann an den Beinen vereinzelt zu brechen. Ursprünglich war wohl ein Klarlack vorhanden, der aber im Laufe der Jahre verschwunden ist. Ich habe an unsichtbarer Stelle etwas Firnis aufgebracht. Die trockenen Stellen wurden deutlich geschmeidiger, biegsamer, weicher. Das ist jetzt schon ein paar Jahre her. Eine Schwächung kann ich bis heute nicht erkennen und ich denke man könnte das durchaus mit Schellack noch behandeln. Nur Firnis würde ich auf Dauer eher nicht verwenden. Das ist dann schon ein arger Staubfänger. Aber lackiert eine adäquate Lösung.
Gleiches hab ich bei einer Thonet-Kopie nocheinmal probiert, das Geflecht sollte sowieso getauscht werden. Das Ergebnis war gut. Ich habe Firnis von Staufen genutzt. Mehr kann ich dazu nicht sagen.
Gruß
 

derdad

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Dass das Geflecht nach dem Auftrag von Leinöl, etc, oder auch Wasser momentan geschmeidiger wird ist klar. Mich würde interessieren wie lange der Zustand anhält. Es wird ja auch immer "empfohlen" das Geflecht von Zeit zu Zeit zu befeuchten um die Geschmeidigkeit zu erhalten. Ich hatte beim Flechten das Gefühl, dass Rattan schnell wieder austrocknet und einen Test gemacht. Hab einen Rattanknäuel gemacht. Gewogen mit Präzisionswaage 5,65 gr. Hab ihn in Wasser gelegt und alle 5 min gewogen. Nach 20 min war die Sättigung erreicht. Dann hab ich den Retourprozess gestartet und in der Luft getrocknet. Bei 20°C und 72% rel.LF. Nach 30 min war das Ausgangsgewicht wieder erreicht. Rattan nimmt also schnell Feuchtigkeit auf und wird geschmeidig. Genauso schnell verliert es die Feuchtigkeit aber auch wieder. Also bringt befeuchten eines fertigen Sitzes nur etwas, wenn man ihn nach Jahren wieder einmal straffen möchte. Zu häufiges befeuchten ist meiner Meinung sogar kontraproduktiv, da das Material dadurch mürbe und brüchig wird.
Ölige Mittel muss ich erst probieren. Auch auf Langzeitwirkung.
Das Alles aber nur alles kurze Nebenbei Info und nicht wirklich zum Thema gehörig.
LG Gerhard
 

Sue Wolken

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Hallo und vielen Dank für die Tipps! So ganz neu bin ich nicht beim Flechten. Habe schon einige Sitzflächen und auch Lehnen erneuert, aber eben noch nie so einen Sessel. Werde ihn fotografieren, wenn ich zu Hause bin und die Gesteckte Technik habe ich auch noch nie gebraucht. Das mit der ollen Flechtnadel habe ich mir fast schon gedacht. Werd ich trotzdem mal probieren, nun habe ich sie ja. Und für die Geschmeidigkeit, dachte ich, ist Bienenwachs ganz gut .Liebe Grüße
 

derdad

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Für Alle die tiefer in die Materie Sesselflechten eintauchen wollen, oder sich ein paar Tipps und Anleitungen holen möchten kann ich die Facebookgruppe "Cane & Wicker Restoration" wärmstens empfehlen. Wir sind schon über 1000 Gruppenmitglieder. Vom Anfänger bis zum Profi der schon jahrzehnte sein Geld damit verdient. Gegründet von einem Australier vor 10 Jahren. Mittlerweile sind es Mitglieder rund um den Globus.
Einfach beim ersten Anmelden die 3 Eingangsfragen bejahen und auf die Freischaltung warten. Oder mir euren Facebook Namen senden und ich lade euch dann ein.
LG Gerhard
 

miwa

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Lasst das Geflecht wie es ist. Dunkel wird es von alleine. Und Öl und Bienenwachs wird ja wohl am Ende eher hart als geschmeidig. Außerdem will Ölen und Wachsen schon bei ebenen Flächen gekonnt sein. Wie soll das dann erst bei einem Geflecht gemacht werden.
PS: Sonnen-oder Halbsonnengeflechte sind nun wirklich nichts für Anfänger. Gruß miwa und hoch dem Handwerk.
 
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