warum verzieht sich Kammer getrocknetes Holz weniger ?

Holzsinn

ww-robinie
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Servus miteinander,

kann mir jemand verständlich erklären, warum sich Kammer getrocknetes Holz später weniger verzieht?
Und warum wird behauptet, dass die Kammertrocknung das Holz "stresst"? Was bedeutet das in dem Zusammenhang und wie zeigt sich der "Stress"?

Danke für eure fachkundigen Antworten!

Melanie

p.s. bin immer wieder positiv überrascht, wieviel wirklich Holzkundige hier versammelt sind!
 

schorsch

ww-robinie
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Hallo,
das wär mir jetzt ganz neu, dass sich kammergetrocknetes Holz später weniger verzieht.
Ich glaube das Problem liegt darin begründet, dass man mit luftgetrocknetem Holz nicht die Zielfeuchte erreicht und die letzten Prozent dann im bereits verarbeitetem Zustand, -durch die Nachtrocknung, zu Schwund und Verwerfungen führen.
Würde man das luftgerocknete Holz in einem klimatisierten Raum auch auf die Zielfeuchte nachtrocknen, hätte man bestimmt das spannungsfreiere Holz mit einer gleichmäßigeren Verteilung der Holzfeuchte über den Holzquerschnitt.
Gruß Georg
 

derdad

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Einen schönen Abend!
Ich bin auch der Meinung, dass natürlich getrocknetes Holz weniger Spanungsreich ist als künstlich getrocknetes. Bei gleicher Holzausgangsfeuchte, und gleicher Feuchteveränderung wage ich beinahe zu wetten, dass es natürlich getrocknetes Holz weniger verzieht.

Den Stress würde ich in etwa so erklären: wenn du im Sommer jeden Tag ein bisschen mehr in die Sonne gehst bekommst du eine schöne Bräune ohne all zu grosse Hautschädigung. Wenn du dich 3 Std in die pralle Sonne legst hast du einen gewaltigen Sonnenbrand.
In der Trockenkammer findet innerhalb relativ kurzer Zeit eine grosse Feuchteveränderung im Holz statt, für die man normalerweise Jahre braucht.
Bei nicht sachgemäßer Trocknung in der Trockenkammer kann es passieren, dass es im Holz zu Zellbruch und Faserrissen kommt.
Bei richtiger Trocknung in der Kammer wird das Holz getrocknet und immer wieder mit Dampf befeuchtet (ausser Vakuumtrocknung), damit die äusseren Fasern und Zellen offen und weich bleiben, und somit das Holz gleichmäßig durchtrocknen kann.
LG Gerhard
 

GuterSchnitt

ww-ahorn
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derdad bringt es erneut auf den Punkt.
Zwei Begriffe möchte ich hinzuschleudern: Trocknungsspannungen und damit Trocknungsschäden. Beides sind mögliche Folgen bei zu schneller Trocknung (Ersteres führt in der Regel zu Zweitem).
Einfach formuliert: Beim Trocknen werden Holzschichten teilweise überdehnt, andere zusammengedrückt und plastisch verformt. Das hat unterschiedliche Schwundreaktionen zur Folge. Auch das von derdad angekündigte Feuchtigkeitsverhältnis (außen schneller Trocken als Innen) kann das zu trocknende Brett "schüsseln".
Derdad´s Sonnenbrandbeispiel ist m. E. eine sehr schöne Metaphorik für das "gestresste Trocknungsverständnis".
 

yoghurt

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Hallo,
ich kenne es auch so, dass das Holz je länger es gelagert wird weniger arbeitet. (Habe dazu aber jetzt keine seriöse Quelle) Friedrich erklärt es hier: https://www.woodworker.de/forum/members/70597.html durch das Kriechen. Das leuchtet mir ein. Insofern sollte natürlich (=langsam) getrocknetes Holz besser stehen als fachgerecht technisch (=schnell) getrocknetes. Die Frage bleibt natürlich, ob und wo dieser Sachverhalt relevant wird. Vermutlich ist das nur relevant, wenn man z.B. einen breiten Tisch aus einer Bohle bauen möchte.
 

Holzsinn

ww-robinie
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Aber warum gibt es beispielsweise bei Leimholz so wenig Verzug? Das wird doch in fast allen Richtungen miteinander verleimt, grobjährig neben feinjährig, gegen den Faserverlauf und mit etc. Das müsste sich doch unter natürlichen Bedingungen eigentlich verziehen, oder?

Ausserdem hab ich mir kürzlich eine 3 cm starke ovale Tischplatte gebaut aus stark fladriger Kirsche mit ziemlich liegenden Jahren ( ich stell demnächst mal ein Bild ein). Ich habe die Kammer getrockneten Bohlen beim Holzhändler vor allem wegen ihrer lebhaften Fladerung und damit besonders ausdruckstarken Maserung ausgewählt. Bei natürlich getrockneten Holz hätte ich mich, rein instinktiv, nicht getraut, so liegende Jahre zu verarbeiten.

Melanie
 

Holz-Christian

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Hallo, auch eine Vacuumtrockenkammer hat eine Sprüheinrichtung zum Ausgleich eines zu steilen Trocknungsgefälles.
Fällt die eingestellte Trocknungskurve zu schnell ab wird Wasser in die Kammer gesprüht.
Luftgetrocknetes Holz kann übrigens auch durch Hitze/ Trockenperioden im Sommer Stress/Spannungen aufweisen.
Will heißen das dieses Holz nicht unbedingt spannungsfreier/ besser ist.
Der negative Ruf von Kammergetrocknetem Holz ist wohl falsch bedienten zu sehr Umsatzorientierten Einsatz von Frischluft/Abluft Trocknern geschuldet.

Gruß Christian
 

derdad

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Aber warum gibt es beispielsweise bei Leimholz so wenig Verzug? Das wird doch in fast allen Richtungen miteinander verleimt, grobjährig neben feinjährig, gegen den Faserverlauf und mit etc. Das müsste sich doch unter natürlichen Bedingungen eigentlich verziehen, oder?

Ausserdem hab ich mir kürzlich eine 3 cm starke ovale Tischplatte gebaut aus stark fladriger Kirsche mit ziemlich liegenden Jahren ( ich stell demnächst mal ein Bild ein). Ich habe die Kammer getrockneten Bohlen beim Holzhändler vor allem wegen ihrer lebhaften Fladerung und damit besonders ausdruckstarken Maserung ausgewählt. Bei natürlich getrockneten Holz hätte ich mich, rein instinktiv, nicht getraut, so liegende Jahre zu verarbeiten.

Melanie

Genau weil es so in kleinen Stücken verleimt wird, verzieht es sich wenig. Die einzelnen kleinen Lamellen gleichen sich gegenseitig aus. Eine Lamelle verzieht es im Uhrzeigersinn. Eine andere dagegen. Die Verleimregeln werden bei Leimholz zwar nicht, oder kaum berücksichtigt, durch die Kleinteilung ist dies aber egal.
Obwohl ich es ehrlich gesagt bis jetzt nur bei wirklich hochwertigen und teuren Leimholzplatten gesehen habe, dass sie ich nicht (kaum) verziehen.

Was die liegenden Jahresringe betrifft: eine schöne gleichmäßige Maserung zeugt von einem geraden Wuchs ohne Fehler. Nur das WERFEN, also Schüsseln ist bei Seitenbrettern grösser als bei Kernbrettern. Das VERZIEHEN, also der Probellerverzug (winschief, windisch, winsch,....) ist nicht grösser.

@ Christian: Bei einem Vacuumtrockner ist die Sprüheinrichtung sozusagen ein Notfallhelfer. Beim Kondensationstrockner ist es standard.
Selbstverständlich kann es passieren wenn ein Holzstapel im freien steht, dass bei zu starker Sonneneinstrahlung Spannungen entstehen. Aber nur dort wo die Sonne direkt draufscheinen kann. Das sind ein paar Bretter. In einer Kammer ist bei falscher Trocknung die ganze Füllung betroffen. Auch bei 40° im Freien treten im Stapel nie so grosse Temperaturen auf wie in einer Kammer.
Bei richtiger Trocknung sollte es zwischen natürlicher Trocknung und künstlicher keine Unterschiede geben. Bei GLEICHER Holzfeuchte natürlich.

Gute Holztrocknung ist eine Frage der Zeit und also auch der Kosten. Kaum ein Holzhändler der selbst trocknet lässt das Holz zuerst noch Lufttrocknen. So bis 15-20%. Sondern meist kommt das Holz gleich bei Fasersättigung, also ca. 30%, in die Kammer und wird getrocknet. Auch da zählt jeder Tag. Und so wird die Trocknung immer am Rand des gerade noch möglichen durchgeführt. Die Händler machen das aber nicht weil sie Gauner sind, sondern um am Markt preislich bestehen zu können.

Holztrocknung gibt immer wieder unendlichen Diskussionsstoff.

In diesem Sinne
Gerhard
 

Friederich

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Aber warum gibt es beispielsweise bei Leimholz so wenig Verzug?
Hallo Melanie,
Arbeiten tut es genausoviel. Aber das Verziehen, bzw. Schüsseln der einzelnen Lamellen gleicht sich aus. Es entsteht also eine unauffällige Wellenlinie, statt eines einzelnen großen Bogens.
 

Woodmaster117

ww-kirsche
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Hallo Melanie,

warum sich Kammer getrocknetes Holz später weniger verzieht?

Dieser Aussage kann aber auch ein Irrtum zu Grunde liegen...
Beim durchschnittlichen Holzhändler liegt vorwiegend kammergetrocknetes Holz auf Lager. Die Partien, welche als LD (luftgetrocknete Ware) gekennzeichnet sind, haben oftmals eine deutlich höhere Ausgleichsfeuchte als in der Tischlerei ohne Nachtrocknung verwendbar. Diese müssten dann erst noch auf 9 bis 10 % nachgetrocknet werden.
In diesem Falle wäre die Aussage richtig, würde jedoch nicht zu verallgemeinern sein.

Grüße, Thomas
 

Besserwisser

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Der Aussage liegt wohl ein Irrtum zugrunde.
Kammergetrocknes Holz neigt einfach eher zum reißen und ist schon bei der Bearbeitung unruhiger, weil sich die inneren Spannungen nicht langsam und unsichtbar in vielen kleinen Teilen zwischen den Zellen abbauen konnten.
Kriechen kenne ich in dem Zusammenhang nicht, der Link funzt auch nicht, aber vielleicht ist das selbe gemeint.
Was ich aber wohl vom Hörensagen kenne -ohne Anspruch auf Korrektheit, aber hört sich logsch an: Wirklich altes Holz, >200 Jahre tot, da gehen langsam auch die Zellstrukturen kaputt, und deshalb arbeitet das dann tatsächlich deutlich weniger.
 

Mitglied 59145

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Was ich aber wohl vom Hörensagen kenne -ohne Anspruch auf Korrektheit, aber hört sich logsch an: Wirklich altes Holz, >200 Jahre tot, da gehen langsam auch die Zellstrukturen kaputt, und deshalb arbeitet das dann tatsächlich deutlich weniger.

So, das ist ja mein Thema!

Ich habe hier Bohlen aus dem Rheinkies, richtig untersucht und ca. 3000Jahre alt.
Kann das nicht irgendwie belegen, aber auffällig wenig arbeiten tut es ganz sicher nicht. Vielmehr kann ich sagen, dass wir ja meist alte Balken aufsägen. Die Holzauswahl ist in der Regel, technisch betrachtet, nicht sehr toll.
Selbst wenn wir alte Bohlen oder Bretter haben, ein "weniger arbeiten" im Vergkeich zu neuem Holz kann ich nicht bestätigen.

Allerdings habe ich auch kaum Erfahrung mit frischem 'Holz was direkt technisch getrocknet wurde. Ich kenne eigentlich nur Luftgetrocknetes was dann ab 20% in die Kammer kam.

Gruss
Ben
 

magmog

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Guuden,

Nach meinen Erfahrungen ist sorgfältig und sachgerechtes KD Holz von wesentlich besserer Qualität als zufallsgetrocknetes.
Ich denke, dass eine sorgfältig geführte KD Trocknung wesentlich besser auf einen Spannungsabbau im Holz eingestellt ist, als das zufällige Klima Geschehen.
Oberflächliche Windrisse kenne ich von modern getrocknetem Holz z.B. nicht, nur von "natürlicher" Trocknung.
 

Friederich

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Nach meinen Erfahrungen ist sorgfältig und sachgerechtes KD Holz von wesentlich besserer Qualität als zufallsgetrocknetes.
Aber nicht besser als ebenfalls "sachgerecht und sorgfältig" luftgetrocknetes.:emoji_slight_smile:
Und sorgfältig Lufttrocknen ist viel einfacher als sorgfältig Kammertrocknen. Man muss sich nur Zeit lassen.
 

Holz-Christian

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Bestes Beispiel das Holz auch nach Jahrhunderten im verbauten Zustand noch arbeitet ist altes Kircheninventar.
Als man in den 60 er Jahren Warmluftheizungen in die Kirchen einbaute kam es in der Folge zu schweren Schäden durch Schwundrisse.

Gruß Christian
 

Holzsinn

ww-robinie
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Servus miteinander,
ich danke euch für die interessante Diskussion. Was ich den Antworten entnehme, ist, dass es wie immer auf die Sorgfalt ankommt, egal für welche Art der Holztrocknung man sich entscheidet. Und wie so vieles anderes auch, hat die Einschätzung etwas mit der eigenen Erfahrung und auch bisschen dem eigenen Glauben daran zu tun.
Schön, dass es mehrere Möglichkeiten gibt, an das Thema Holztrocknung anzugehen. Ich bin auf alle Fälle jetzt schlauer.

Melanie
 

skicu

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Hallo zusammen,
vorweg: ich bin kein Fachmann, trockne Holz selbst auch nur amateurhaft an der Luft, habe aber über die Jahre ein wenig Literatur zum Thema verschlungen...

Theorie: könnte das gutmütigere Verhalten (in welchem Grad auch immer) von kammergetrocknetem Holz zumindest zu einem Teil auch daran liegen, dass der Desorptionspunkt in Holz generell niedriger liegt als der Adsorptionspunkt? Will meinen: wurde Holz in der Kammer weiter heruntergetrocknet, als später an Umgebungsfeuchte zu erwarten ist, nimmt das Holz insgesamt weniger Wasser wieder auf (und "arbeitet" daher weniger).
Ob das wirklich einen nennenswerten Effekt bewirken kann, oder ob die Differenz der beiden Sorptionspunkte eher theoretischer Natur sind, kann ich natürlich nicht beurteilen...

(vgl. Seite 6: https://widmannschule.de/index.php/...nik-allgemein/71-skript-holzfeuchte/file.html )

Irgendwo hatte ich vor längerer Zeit mal gelesen, dass das einmalige Unterschreiten des späteren Sorptionspunkts auch langfristig einen Effekt habe. Aber die Quelle dafür finde ich auf Anhieb nicht mehr...

Was meint ihr? :emoji_slight_smile:

Viele Grüße
Hannes
 

Friederich

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Will meinen: wurde Holz in der Kammer weiter heruntergetrocknet, als später an Umgebungsfeuchte zu erwarten ist,...
Hallo Hannes,
das würde ich so gut wie ausschließen. Es wird aus Kostengründen bestimmt nicht weiter runtergetrocknet als unbedingt nötig. Also nur bis zur zu erwartenden mittleren Holzfeuchte.
Hab jedenfalls noch nie was andres gehört.
 

Besserwisser

ww-robinie
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Oh, klar, ahb ich schon gehabt, Holz das sisch hinterher "falsch" bewegt hat, das kann ja nur daher kommen.
Zu den Sorptionspunkten: Den Hystereseanteil kann man vernachlässigen.
 

Mitglied 59145

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Man geht immer davon aus das Holz zu nass ist und trocknet, manchmal ist es aber zu trocken....
 
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