Thonet-Sessel ablaugen / aufarbeiten?

maximue

ww-pappel
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Hallo,

ich lese nun schon eine zeitlang in diesem Forum mit und bin begeistert von den kompetenten Menschen die ihr Wissen hier mit Neuligen wie mir teilen :emoji_slight_smile:

Mein Anliegen ist folgendes: Wir ziehen demnächst in eine neue Wohnung und haben endlich Platz für ein paar alte Thonet-Sessel (Nr. 31) die schon seit immer in Familienbesitz sind. Nun verhält es sich leider so, dass jemand in einem schwachen moment irgendwann in den 70er Jahren die Sessel mit buntem Lack lackiert hat, den wir gerne runter hätten. Ich hab mich nun ein bisschen hier umgesehen und bin denke das zuerst eine Reinigung mit SE1 nötig ist und anschließend der Lack entweder mit dem Heissluftfön runter muss, oder das ich die Sessel in eine Ablaugerei bringe.

Allerdings hab ich nun gelesen das Ablaugen im Tauchbad für das Holz nun nicht gerade das beste ist da sich das Holz mit der Lauge vollsaugt und sich eventuell auch verformt. Vom Arbeitsaufwand her wäre mir Ablaugen sympatischer, also Sessel hinbringen, warten, pro Sessel nach telefonischer Auskunft so um die 18 Euro löhnen und dann die Sessel selbst mit Öl / Schellack aufzuarbeiten, allerdings möchte ich die guten Stücke nicht beschädigen ... kann mir vielleicht jemand einen Tip geben was in diesem Fall die beste (und schonenste) Methode ist um die alten Sessel wieder in neuem Glanz erstrahlen zu lassen?

Danke & lG

Max
 

garfilius

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Hallo Max,

wichtigste Frage: weißt Du, was für eine Farbe drauf ist? Also, nicht welcher Farbton, sondern welche Sorte?
Wurde das Sitzgeflecht auch angestrichen?

Den SE1 vor dem Heißluftfön oder dem Ablaugen kannst Du Dir sparen. Bei den runden Querschnitten holst Du Dir mit Fön und Schaber den Wolf, ein bißchen besser wird es, wenn Du die Schaberklinge dem Profil anpaßt (anschleifen).
Die Stühle lassen sich relativ gut in ihre Einzelteile zerlegen und dann besser bearbeiten.
Zum Ablaugen kann ich wegen zu wenig Erfahrungen nichts sagen. Vielleicht verträgt es sich ja wirklich nicht mit dem Bugholz, obwohl ich mir das nur schwer vorstellen kann.
 

maximue

ww-pappel
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Hallo,

danke für deine Tips. Hab leider nicht rausfinden können was das für eine Farbe ist, sieht eher nach irgendwas auf Öl-Basis aus, vermutlich befinden sich unter der Farbe noch ein paar Schichten. Die Sessel haben kein Sitzgeflecht sondern eine normale Sitzfläche mit einem gebohrten sternförmigen Muster, also ist es da nicht so kritisch. Abschaben und Rundprofil hab ich noch garnicht so bedacht, aber klingt auf jeden Fall sehr langwierig ... vielleicht weiss ja wer was übers Ablaugen?

lG Max
 

welaloba

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Niemals Laugen!!

Moin ihr Helden,
bevor man Geld fürs Laugen von Thonetstühlen mit Sperrholzsitzen ausgibt, kann man diese (Stühle mitsamt Sitzen) auch gleich zum Werkstattheizen verwenden. Wenn da Lack ab soll, dann Abbeizer (am besten der "mit der Krähe") verwenden. Wasserfrei muss die Veranstaltung sein, sonst ists blöd.
Gruß Werner
 

Heiner

ww-birnbaum
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Hallo Max! Bevor man Thonet Stühle ins Feuer schickt sollte man sie ins Museum bringen. Es ist zweckmäßig sich mit der Geschichte der Firma Thonet zu beschäftigen. Thonetstühle sind ausgezeichnete Möbel aus der frühen Industrialisierung. Gruß Heiner
 

Hacki

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Hallo,
Durch die Feuchtigkeitsaufnahme beim Ablaugen verändert sich der Radius der Bugholzteile.
Funktioniert also nicht.
Herkömmlicher Abbeizer, am Besten mit Stahlwolle.
Und die Stühle auseinander bauen, wie oben schon geschrieben.
Gruß Gerd
 

Woodworker

ww-birke
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Hallo Max,

es gibt auch Ablaugebetriebe welche in sogenannten Sprühkammern laugen.
Die Möbel werden nicht direkt in ein Laugebad geworfen sondern mit Lauge besprüht.
Diese lässt man dann einwirken und wäscht nach anlösen der Lackschichten das Geschmiere herunter.
Vorteil ist, das die Möbel nicht permanent in der Brühe liegen und sich das Holz vollsaugt.
Inwieweit dies bei Bugholzmöbeln trotz allem zu Verzugserscheinungen kommen kann weiss ich aber auch nicht ... habe da selbst keine praktischen Erfahrungen.
Bei Frankfurt/M gibt es einen solchen Betrieb, evtl. müsstest Du dich einmal mit diesem in Verbindug setzen (weiss nicht ob ich den hier namentlich benennen darf).
Ich selbst lasse dort hin und wieder etwas ablaugen und war bisher immer zufrieden.

Gruß, Anton
 

Woodworker

ww-birke
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Jawohl Werner, den meine ich.

Wie gesagt, ich war bisher immer zufrieden mit der Ausführung der Laugearbeiten.
Empfehle die Krebsmühle hin und wieder auch Kunden von mir, z. B. habe ich derzeit einen Kunden dem ich alte Innentüren aufarbeite und dazu neue Türfutter fertige.
Er brachte die Türen selbst dorthin, ist 60 km dichter ran als ich selbst, Ergebniss wieder super.

Den Betrieb kann ich wirklich nur weiter empfehlen.

Gruß, Anton
 

maximue

ww-pappel
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Hallo, mein letzes posting ist jetzt schon eine zeitlang her, und es hat sich einiges getan.
Den beschriebenen sessel habe ich nun angeschliffen, abgebeizt, geschliffen, gebeizt und drei mal mit projektöl geölt, und das mit einem ergebnis das - wie ich finde - sich durchaus sehen lassen kann. Das einzige problem ist das sich die letze der insgesamt drei lackschichten ziemlich tief in die sitzfläche "eingefressen" hat, so das es unmöglich war alles rauszuschleifen. ich habe nun vor in nächster zeit nach einer "neuen" gebrauchten sitzfläche ausschau zu halten um die alte sitzfläche auszutauschen. anbei zwei fotos, eines vorher auf dem dachboden (der gelbe sessel ganz hinten) und eines nach vielen stunden arbeit :emoji_wink:



p1012616.jpg

imgp5282u.jpg
 

maximue

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Und danke für alle tips, das mit dem sprühlaugen war leider nicht möglich da ich in österrich (graz) bin und - soweit ich das im internet rausfinden konnte - in österreich kein betreib sprühlaugen anbietet. auf jeden fall wäre laugen die bessere alternative, das abbeizen und anschließende wegschleifen der farbreste war _wirklich_ viel arbeit zumal man farbreste die sich in vertiefungen im holz abgesetzt haben nur sehr schwer entfernen kann, von der (sperrholz) sitzfläche ganz zu schweigen ...

lg max
 

anobium60

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Stühle sind ein undankbares Geschäft ( ähnlich wie Geländer streichen). Das Ergebnis kann sich aber WIRKLICH sehen lassen. Chapeau!
Beim nächsten geht's schneller.
Den Sitz würde ich nicht austauschen.
 

rhhukr1

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Was soll man da sagen, ausser "Gut geworden" !

Und mit der Sitzfläche ... das ist immer eine Ansichtssache.
Nach Möglichkeit versuche ich immer soviel wie möglich "originales" zu erhalten.
Wenn sie allerdings brüchig ist würde ich evtl. auch einen Austausch bevorzugen.
Nun ja, Du hast ja noch einige rumstehen. Also ans Werk ... und viel Freude damit .... wenn sie denn fertig sind !!!
Gruß, Anton
 

Woodworker

ww-birke
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Jaaaa ... das ist doch ein gutes Ergebniss.

Da weiss man was man gearbeitet hat ... und hat für ewig seinen Spass dran.

Dann ... ran an die anderen. Im Winter doch eine schöne Beschäftigung hinter dem warmen Werkstattofen.

Grüße aus dem Vorderhunsrück, Anton
 

maximue

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Danke für die positiven feedbacks, ich bin auch sehr zufrieden mit der (vielen) arbeit! Ja es sitzt sich gleich besser auf den früchten der eigenen arbeit, sozusagen ... ist schön wenn was wieder gut aussieht.
Was mich an der Sitzfläche stört sind die grünen Lackreste, aber hab mal provisorisch einen sitzpolster draufgelegt, so kann ich schon damit leben :emoji_wink: Die anderen (lackierten) Sessel am Foto sind leider etwas "kleiner" als der restaurierte da meine überaus praktisch veranlagte oma kurzerhand mit einer säge "kindersessel" daraus gemacht hat :eek:
 

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@maximue
Hallo
Ich würde sehr gerne ganz genau wissen mit was du deine Thonets abgeschliffen hast und welche Beize du benutzt hast.
Ich habe ein paar wunderbare sogenannte "Wiener Kaffeehaus" Stühle die schwarz überlackiert sind. Ich nehme an mit lösemittelfreiem Acryllack, der sich schon ein wenig von allein appellt.
Und gibt es etwas was ich beim auseinanderschrauben beachten muss?
Würde mir wirklich sehr helfen!!
Danke
 

maximue

ww-pappel
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hi, also ich bin so vorgegangen:

Den alten lack mal grob (80er) angeschliffen und ordentlich "abbeizer mit der krähe" von adler aufgetragen (wurde hier im forum empfohlen). Das dann stehen lassen und den lack ca 5 stunden später mit einer harten bürste abgebürstet und nocheinmal auf die verbliebenen lackreste abbeizer aufgetragen. Ich hab in einer relativ kalten (ca 10 bis 15 grad) garage abgebeizt, ich denke das resultat ist besser wenn es mindestens die 20 empfohlenen grad hat.

Den sessel habe ich dann einen tag lang trocknen lassen und dann die noch verbliebenen lack reste und die überbleibsel der alten schellack politur zuerst mit einem 80er schleifpapier in faserrichtung vorsichtig abgeschliffen.

Mit dem auseinanderschrauben wäre ich vorsichtig, ein befreundeter tischler hat mich davor gewarnt mehr als den ring zwischen den sesselbeinen rauszuschrauben da man die sessel sonst nie wieder vernünftig zusammenbekommt :emoji_wink:

Nachdem alle lack- und andere reste entfernt waren hab ich eine defekte stelle im ring geleimt, ich bin so vorgegangen das ich leim in die betroffene stelle gedrückt habe und dann mit einem aufgeschnittenen fahradschlauch umwickelt und das ganze dann mit kabelbindern über nacht fixiert habe. hält wieder super und ist fast nicht zu sehen.

anschließend habe ich den sessel mit 120er, 180er, 220er und 320er schleifpapier (immer in faserrichtung), jeweils hintereinander abgeschliffen um eine schöne, glatte oberfläche zu bekommen. anschließend alles gut abgebürstet und mit den sessel mit einem feuchten lappen und wasser abgewischt und eintrocknen lassen damit sich die letzen widerspenstigen fasern noch aufrichten, anschließend nochmal mit dem 320er drüberschleifen + abbürsten.

dann habe ich die beize (nuss dunkel) auf wasserbasis (die marke kann ich dir momentan nicht sagen, ich schau morgen nach) einfach mit dem pinsel satt aufgetragen und über nacht trocknen lassen.

Nachdem die beize getrocknet war hab ich den sessel insgesamt 3 mal mit projektöl von zweihorn (eine empfehlung von dem sehr kompetenten mitarbeiter von dem geschäft in dem ich auch die beize gekauft habe) eingelassen. Zwischen den anstrichen hab ich jeweils einen tag gewartet. Einen tag nach dem letzen anstrich fühlte sich die oberfläche noch etwas klebrig an, das hat sich dann aber nach einem weiteren tag trockenzeit gegeben.

nur frisch gebeizt sah der sessel furchtbar aus, nach dem zweiten anstrich mit projektöl so halbwegs, erst die dritte schicht hat den schönen glanz hervorgebracht.

Hoffe ich konnte dir weiterhelfen, es ist zwar viel arbeit aber es lohnt sich auf jeden fall.

lg max
 

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Vielen, vielen Dank für die ausführlich Erklärung!!!!
Ich werde auf jeden Fall versuchen meine Schätzchen ebenfalls zu retten.
 
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