Schwundmaße

Holzsinn

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Servus miteinander,

ich hätte da mal eine Holzwissenfrage:
Ich habe, wie vermutlich viele hier, vor Urzeiten mal gelernt, dass Holz am meisten ab dem Zeitraum schwindet, wenn es anfängt, das gebundene Wasser abzugeben.

Aber wie ist es im verbauten Zustand? Mal vorausgesetzt, dass das Holz die passende Feuchtigkeit beim Verbauen hatte. Wie hoch sind da die Prozentzahlen?

Bei Restaurierungsarbeiten hab ich immer wieder heftige Schwundschäden an meinen Schätzchen und versuche, sie zu beheben - aber in welchem Zeitraum sind sie wohl am ehesten entstanden? Die alten Meister haben sich ja nicht unbedingt an die heute üblichen Konstruktionsregeln: symetrischer Aufbau, keine feste Verbindung von Lang- mit Querholz gehalten, etc. Wann dürften denn die Schäden aufgetreten sein? Schon beim damaligen Auftraggeber oder erst in der Neuzeit mit unseren überheizten Räumen, vielleicht sogar mit Fussbodenheizung?

Und wie groß ist der Unterschied der Schwundmaße bei offenporig (Öl) und schichtbildend behandeltem Holz? Vorausgesetzt, dass beide Male dasselbe Holz verarbeitet wurde?

Ich muss mich gerade für eine theoretische Arbeit mit solchen Fragen beschäftigen und bin schon gespannt auf die Antworten von den alten und jungen Hasen!

Melanie
 

Besserwisser

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Der Unterschied zwischen Öl und dichtem Lack: Das geölte Holz bleibt etwas nervöser, da der Lack die Diffusion etwas verzögert. Die absoluten Schwundunteschiede bleiben aber, ausreichend Zeit vorausgesetzt, gleich. Das Holz hinter dem Lack ist ja das gleiche.

Wann die aufgetreten sind- genau wird man das nie sagen können, es gibt ja kein Feuchteprotokoll zum Möbel:emoji_grin:
Es wird immer gesagt, dass die Sachen speziell heute durch zentralbeheizte Räume kaputt gingen. Ganz falsch ist das sicher nicht, aber so wrklich glaub ich auch nicht dran.
Zentralheizungen gibt es ja grundsätzlich schon seit 2000 Jahren, und ein Möbel, dass den Winter hindurch nah am offenen Kamin steht, wird zweifelsohne heftige Schäden davon tragen.
Letztlich ist sicher auch das eine Frage der Lebensumstände des Besitzers. Die fette Fabrikantenvilla 1850 wird auch schon oredntlich zentralbeheizt gewesen sein, und im Schloß des Adligen im 17 Jhd wird, bei ausreichenden Mitteln, in einem Raum auch durchgehend der große Kamin gebrannt haben.
Der kleine Eifelbauer hatte aber ziemlich sicher schon immer ein ungesundes Wohnklima.
 

welaloba

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Hallo, ich betrachte oft gerissene Seiten z.B. bei einfacheren Schränken und Kommoden, was oft daher rührt, dass z.B. eingegratete Schubladenschienen oder eingeleimte Bodenträger hinten nicht abgesetzt sind, d.h., Seitenteile können nicht kleiner werden ohne zu reissen, weil sie anstoßen.
Weiter beobachte ich immer wieder, dass Flächen nur einseitig "lackiert" sind, also mehr oder weniger dicht schellackpoliert, wie gesagt aber nur auf Sichtseiten. Das führt aber eher zu Verzug - (selten) als zu Rissen (ganz selten) Ist also ebenfalls konstruktiv zu lösen.
Schlecht konstruierte antike Möbel versagen hin und wieder in fußbodengeheizten Räumen, wenn der Bewohner nicht für ausreichende Luftfeuchte sorgt.
Gruß Werner
 

derdad

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Es wird immer gesagt, dass die Sachen speziell heute durch zentralbeheizte Räume kaputt gingen. Ganz falsch ist das sicher nicht, aber so wrklich glaub ich auch nicht dran.
Zentralheizungen gibt es ja grundsätzlich schon seit 2000 Jahren, und ein Möbel, dass den Winter hindurch nah am offenen Kamin steht, wird zweifelsohne heftige Schäden davon tragen.
Letztlich ist sicher auch das eine Frage der Lebensumstände des Besitzers. Die fette Fabrikantenvilla 1850 wird auch schon oredntlich zentralbeheizt gewesen sein, und im Schloß des Adligen im 17 Jhd wird, bei ausreichenden Mitteln, in einem Raum auch durchgehend der große Kamin gebrannt haben.
Der kleine Eifelbauer hatte aber ziemlich sicher schon immer ein ungesundes Wohnklima.

Da geb ich dir im Prinzip Recht. Selbst die Römer hatten bereits Zentralheizung.
Ein Faktor der dabei nicht berücksichtigt wird ist die "Abschirmung" des Raumklimas nach aussen. Erst seit den 1970ern kann man sagen es gibt wirklich dichte Fenster und Türen. Von der Isolierung der Wände gar nicht zu sprechen.
Das Bemühen Wärme, und dadurch Energie, möglichst gut im Raum zu halten, und die Kälte draussen zu lassen, wird oft vergessen für ein angenehmes Raumklima zu sorgen.

LG Gerhard
 

Holzsinn

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Mal als Beispiel:ich hätte eine geölte, alte Zimmertür aus Fichte in klassischer Rahmenbauweise mit zwei übereinander angeordneten Füllungungen aus ein bis zwei miteinander verleimten Mittelbrettern. Die Füllung quillt und schwindet im Bereich der liegenden Jahre doch niemals die 10%, wie wir es mal in der Berufsschule mal gelernt haben, sondern nur minimal, vielleicht 1-2%.

Um meine Frage zu konkretisieren: meint ihr, man kann davon ausgehen, dass Holz nur während des Trocknungsprozesses die angenommenen 10% in Richtung der Jahresringe schwindet und nachher im verbauten Zustand kaum noch? Aber wieviel ist kaum? Gibt es dafür Zahlen? Traut sich da jemand Schätzungen in % abzugeben oder weiß eine Quelle dafür?

Melanie
 

derdad

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In irgend einem Beitrag habe ich schon einmal versucht diese Missverständnis der Prozente aufzuklären. Ich probier es nochmals.
Tangential 8-10%, Radial 3-5%, Längs 0,3-0,5%
Dies ist gerechnet vom Fasersättigungspunkt bis Darrtrocken. Also von ca 30% bis 0%.
Bei 1% Holzfeuchteveränderung haben wir also bei Tangential 10%mögliches Schwundmass : 30
Es ergibt sich also ein Schwundmass von 0,3% per 1% Holzfeuchteveränderung

Und mit diesem theoretischen Prinzip lässt sich die Veränderung berechnen. In der Praxis sieht es minimal anders aus, da bei verschiedenen Hölzern verschiedene Schwundmasse und verschiedene Fasersättigungspunkte gegeben sind.

Ich hoffe ich konnte es einigermaßen verdeutlichen
LG Gerhard
 

WinfriedM

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So als Daumenregel hab ich mir gemerkt: Quer zur Faser 1-2%, längs zur Faser Faktor 10 weniger. Bezogen auf typische Luftfeuchteschwankungen in Innenräumen und diffusionoffenen Holzoberflächen. Real beobachte ich oft auch noch deutlich weniger.

Übrigens: 1% sind gar nicht so minimal, bedeutet das bei einer 60cm tiefen Arbeitsplatte immerhin 6mm! Viele können das gar nicht glauben, das Holz sich so stark bewegt.
 

Friederich

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Letztlich ist sicher auch das eine Frage der Lebensumstände des Besitzers. Die fette Fabrikantenvilla 1850 wird auch schon oredntlich zentralbeheizt gewesen sein, und im Schloß des Adligen im 17 Jhd wird, bei ausreichenden Mitteln, in einem Raum auch durchgehend der große Kamin gebrannt haben.
Die Fabrikantenvilla wird damals eher mit Kohle-Einzelöfen beheizt gewesen sein. Jedes Zimmer nur dann, wenn es benötigt wurde.
Und da die Dämmung, insbesondere der Fenster nicht so toll war, dürfte die Temperatur bei Nichtbenutzung recht schnell abgesunken sein.
Offenen Kamin zum Heizen kann man vergessen. Das ist Hollywood.
In den Schlössern und Burgen dürfte es arschkalt gewesen sein. Wahrscheinlich noch kälter als bei den Bauern in ihren Holz- und Fachwerkshäusern.
Ich denke also schon, dass "früher" die Raumluftfeuchte deutlich höher war.
Nicht nur wegen der Heizerei. Die Bevölkerungsdichte /m³:emoji_slight_smile: war auch viel höher, Dunstabzug gabs nicht und Wäsche wurde neben dem Ofen getrocknet.
 

Besserwisser

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Offenen Kamin zum Heizen kann man vergessen. Das ist Hollywood.

Keine Ahnung, wie deine Erfahrungen da so sind. Nach meiner Erfahrung ist es durchaus möglich, mein Elternhaus wird in der Übergangsphase ausschließlich über einen kleinen, offenen Kamin beheizt.
Und in den Häusern gabs meist nix anderes. Geh mal in Freilichtmuseen, Herrenhäuser und Schlösser. (Ich nehme an, da warst du schon :emoji_wink:
Genau das führt aber zu partiell extremen Ergebnissen, die wir auch heute kaum ereichen. Starker Luftaustausch, kaltes Wetter draußen und scharfe Strahlungshitze in der Nähe des Kamins, da geht das Holz bis kurz vor die Darre.
Und eine Fabrikantenvilla vom Schlage Cockerills hatte auch schon bald Zentralheizung. DIe Jungs waren technikafin, hatten Geld und den Bedarf nach Prestige, nach Komfort vermutlich ebenso.
Wie auch immer, da mag jeder glauben was er will, und der Einzelfall ist eh nicht nachzuvollziehen- mir ist wichtig, dass die starke Vereinfachung früher feucht, heute trocken nichtimmer stimmt und daher zu starke Vereinfachung ist.
 

schorsch

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Hallo,
das Zaubewort heißt differntielles Schwindmaß.
Es gibt Abhänigig von der Holzart und von der Jahrringlage (radial/tangential) die Volumenänderung in % je % Holzfeuchteänderung an.
Beispiel:
Front Fichte massiv, 1 m breit (2 Türen) , Jahrringlage halbrift, Einbaufeuchte 11% trocknet beim Kunden auf 8 %
Daraus ergibt sich rechnerisch eine Breitenschwindung von:
(3 * 0,29 * 1000) /100 = 8,7mm
Bei einer Mittelfuge von 5mm zum Zeitpunkt der Montage, würde sich sich beim Kunden diese auf 13,7mm vergrößern.
Gruß Georg
 
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