Schreibtisch aufarbeiten

jm.hh

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Moin aus Hamburg! Mein erster Post hier, und natürlich gleich eine Frage:

Vor 10 Jahren habe ich den Schreibtisch meines Großvaters geerbt und nutze ihn seitdem. Baujahr ca. 1950, wohl Eiche, dunkel gebeizt. Der Tisch ist zwar optisch schwerer und dunkler, als ich es mir selbst aussuchen würde, aber recht aufwendig gebaut und vor allem mit vielen Erinnerungen verbunden, so dass ich ihn "in Ehren halten" möchte.

Schon zu Lebzeiten meiner Großeltern hat die Oberfläche einige Wasserflecken bekommen, und ich habe leider noch welche hinzugefügt, vor allem während der letzten zwei Jahre intensiver Homeoffice-Nutzung. Das Foto unten lässt sie etwas drastischer erscheinen als bei direkter Betrachtung, aber ich möchte den Tisch auf jeden Fall gern aufarbeiten.

Die Oberfläche ist offenporig (gebeizt/lasiert?). Die Poren der Maserung sind recht tief, aber die Oberfläche ist nicht rissig. Beim Abwischen von verschüttetem Wasser ist mir aufgefallen, dass sich etwas braune Farbe gelöst hat -- die originale wasserlösliche Beize, oder evtl. eine Möbelpolitur, mit der meine Großeltern den Tisch behandelt haben?

Wie würdet Ihr das angehen? Oberfläche anschleifen/abschleifen (?) und dann womit neu behandeln? Oder gibt es eine "konservativere" Methode? -- Auf der Rückseite hat der Schreibtisch ein kleines Bücherregal mit lose eingelegten Regalbrettern, an deren Unterseite ich unauffällig testen könnte.

Danke für Eure Hinweise!
Jürgen

Schreibtisch_Totale.jpg Schreibtisch_Oberfläche.jpg
 

Holzsinn

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Ein formschönes Möbel, dessen Renovierung lohnt, finde ich. Um 1950 hat man am ehesten Nitrolack verwendet.
Ich würde mal probieren, die fleckige Oberfläche mit Nitroverdünnung ( am besten im Freien, weil ungesund) und einem Schleifvlies abzuschruben. Wenn die Flecken dabei verschwinden, würde ich alles fein schleifen mit Körnung 180 und neu beizen mit einer Wasserbeize im Farbton Kirsche oder Teak.
Anschließend mit einem Schnellschliffgrund auf Nitrobasis drüberstreichen und nach einem Zwischenschliff, Körnung 320 mit Ballenmattierung auf Nitrobasis polieren. Ob das als Anfänger gelingt, wage ich nicht vorherzusehen.

Melanie
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Lico

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Man kann da fast sicher von Nitro-Lack ausgehen. Such mal nach "Grauweg". Meine Vermutung ist aber, dass es dafür schon zu spät ist. Vorsichtig abschleifen, bis der alte Lack *komplett* weg ist. Danach, wie Melanie schon schrieb, neu aufbauen.

Lico
 

jm.hh

ww-pappel
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Vielen Dank für die schnelle Rückmeldung und Eure Empfehlungen! Dass es die "magische" ganz schnelle Abkürzung nicht gibt, hatte ich schon befürchtet... Ich habe aber schon dies und das lackiert über die Jahre, bin etwas perfektionistisch und inzwischen hoffentlich geduldig genug -- würde das Thema also gern angehen. Und ich kann an den Regalbrettern ja erstmal üben.

Nochmal kurz nachgefragt, ob ich die Schritte und möglichen Abzweigungen richtig verstanden habe:
  1. "Grauweg" werde ich mal probieren. Dass es die Wasserflecken auf der Tischplatte verschwinden lässt, scheint mir auch unwahrscheinlich, aber der Versuch sollte ja auch nicht schaden? Und vielleicht ist Grauweg das Richtige, um die Seitenteile und Türen aufzufrischen? Die sehen recht matt und "müde" aus, sind aber noch gleichmäßig gefärbt.
  2. Arbeitsplatte schleifen mit Nitroverdünnung und Vlies. (Körnung 320 OK?)
  3. Falls die Flecken damit verschwinden sollten -- wie weiter? Ist dann trotzdem die von Melanie beschriebene Prozedur nötig (schleifen, beizen, lackieren), oder sollte es heißen "Wenn die Flecken dabei nicht verschwinden, würde ich alles fein schleifen..."?
  4. Wenn die Flecken beim Schleifen mit Nitroverdünnung bleiben, muss der Lack runter und dann neu aufgebaut werden wie beschrieben; das ist wieder klar.
Danke für eine kurze Bestätigung oder Berichtigung, insbesondere zu Punkt 3!
Jürgen
 

Lico

ww-robinie
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Dass es die Wasserflecken auf der Tischplatte verschwinden lässt, scheint mir auch unwahrscheinlich,
Genau dafür gibt es das eigentlich. In Deinem Fall ist aber wahrscheinlich der Lack durch UV Einstahlung zerstört. Dann funktioniert das nicht mehr. Schadet aber nichts, das zu probieren. Die gute Nachricht ist, dass strukturell zerstörter Nitro-Lack sehr leicht runter geht. Leider gibt es dann aber immer Stellen, wo der noch in Ordnung ist. Da muss man dann aufpassen, das Furnier nicht durchzuschleifen. Andererseits muss das wirklich alles ab, so dass nur noch das Holz da ist, sonst markieren sich die Stellen später. Also am besten zum Schluss mit einem Schwamm *feucht* abwischen. Wenn es da Stellen gibt, die vom Farbton abweichen, ist da noch Lack drauf. Dann trocknen lassen und die Stellen nochmal nacharbeiten. Immer großflächig schleifen mit Schleifklotz von Hand. Auf keinen Fall mit einer Maschine.

Lico
 

welaloba

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Nitroverdünnung und Schleifflies dienen dazu, den Rest Lack abzuwaschen.
Du solltest erst einmal an kleinem Eckchen testen, ob Nitroverdünnung den Lack überhaupt löst. Wenn nicht, braucht es etwas stärkeres. Ansonsten: Wasserflecke sind gewöhnlich im Holz und nicht im Lack.
Grauweg an der Stelle ist mE. daher rausgeschmissenes Geld an der Stelle.
Grauweg ist nicht das Mittel der Wahl zum Auffrischen intakter Fächen, das ist eher was für Ballenmattierung.

Ansonsten hat Melanie alles gesagt über die Vorgehensweise bei der Deckplatte.
Wenn es nach deinem Perfektionistenanspruch gehen soll, muss die Platte nach dem Beizen in die Lackierkabine.
Gruß Werner
PS: Lack entfernen auf diesem dünnen Furnier (0,5 mm) sollte vom Laien nicht mit Schleifpapier passieren, sonder nnur durch Lösen, das Fließ dient an deer Stelle eher zum Abnehmen des gelösten Lacks. . Leicht schleifen mit Korn 180 ist erst an der Reihe, wenn aller Lack unten ist. Das lässt sich festellen durch Befeuchten mit Alkohol, dann zeigen sich die Lackreste sofort.
 

Lico

ww-robinie
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Ich weiß nicht, wie das heute ist, aber früher waren die Furniere von grobporigen Hölzern vergleichsweise dick. Eher in Richtung 0.8mm. Meine Erfahrungen mit derartigen Arbeiten stammen aus den späten 70ern. Die Möbel stammten damals durchaus auch aus den 50ern und älter. Trotzdem muss man natürlich aufpassen. Wenn man schleift, nicht den Fehler machen, am Anfang ein zu feines Schleifpapier zu benutzen. Man darf nicht vergessen, dass man zuerst ja nicht das Furnier schleift, sondern den Lack.

Lico
 

jm.hh

ww-pappel
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Danke für die Klarstellung bezüglich Schleifvlies und Verdünnung. Ich hatte diesen Schritt tatsächlich missverstanden, als eine etwas resolutere Version des "Grauweg"-Ansatzes, und hatte nicht begriffen, dass der Nitrolack damit ganz (bzw. so weit wie möglich) abgelöst werden soll.

Das Furnier scheint 0,7 bis 0,8 mm stark zu sein -- an den Kanten der Tischplatte mit Lupe und Meßschieber "gepeilt". Ich werde auf jeden Fall vorsichtig zu Werke gehen und so weit es geht mit Verdünnung und Vlies "schrubben" statt zu schleifen.

Ist für das Auffrischen der Seitenteile ein leichtes Anschleifen (320er) und anschließendes Aufbringen von Ballenpolitur eine Überlegung wert?
 

welaloba

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Die intakten Flächen (Seitenflächen) sollten eher mit einem Reinigerpolish zB. von Zweihorn entfettet / gereinigt werden, oft reicht das schon. Wenn der Anspruch dann nicht erreicht ist, kannst du immer noch mit Mattierung weiterarbeiten, vorausgesetzt. die Erfahrung ist vorhanden.
Wenn du schleifst, und sei das Schleifmittel auch noch so fein, greifst du die Oberfläche an und musst viel mehr Politur / Material aufbringen, gebe ich zu bedenken.
Lack im Schleifverfahren entfernen ist bei Massivholz kein Problem, bei Furnieren kann das problematisch werden, vor allem, wenn es undefinierte Flecke gibt, es wird dann meist versucht, diese Flecken rauszuschleifen und ruckzuck bist du durch. Das gelingt auch von Hand. Ich würde das nicht erzählen, wenn ichs nicht schon gesehen hätte.
@keks
Ich hab keine Ahnung von diesen Restaurierungssachen...
.Gruß Daniel
Über Beiztöne kann man streiten, es geht hier doch erst mal darum, den Ton zu treffen, und ohne Vorversuche auf vergleichbaren Probestücken geht das sowieso nicht. Oft muss man sich auch langsam hinarbeiten mit Wasserbeize in starker Verdünnung.
 

Holzsinn

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Ich hab keine Ahnung von diesen Restaurierungssachen... Aber Melanie bist du dir beim Farbton sicher???
Ich sehe da ein Eichenfurnier... Ist da Kirsch oder Teak drauf üblich?
Ich kenn das eher in so einem Honigbraun oder so...
Der Beizfarbton stimmt nicht unbedingt mit der Holzart überein, sondern eher der Farbschattierung. Er ist auf alle Fälle rötlicher als es Eiche normalerweise ist, daher meine Empfehlung, es mit Kirsche oder Teak zu probieren.
Früher gab es so Beizmusterkarten zum Vergleich, ob man so etwas in Geschäften heute noch findet, weiß ich nicht.

Melanie
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jm.hh

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Nochmal herzlichen Dank für Eure zusätzlichen Hinweise!

Der Farbton des Tisches ist auf den beiden Bildern oben leider nur schlecht einzuschätzen; er erscheint ja auf den zwei Bilder auch deutlich unterschiedlich. Da hat der automatische Weißabgleich zwischengefunkt... Die Wahrheit liegt etwa in der Mitte zwischen dem recht warmen Ton in der Totalen, und dem eher kalten/matten Eindruck in der Nahaufnahme.

Ich würde den kompletten Prozess auf jeden Fall an den Regalbrettern auf der Tisch-Rückseite üben, auch wenn die so eine gründliche Behandlung eigentlich nicht brauchen. Dann kann ich auch sicherstellen, dass ich den Farbton halbwegs treffe.
 
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