Schellack auf Musikinstrumenten

Holzsinn

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Kann mir jemand sagen, was gerade Schellack für Streich- und Zupfinstrumente so geeignet macht? Ich weiß nur, dass er für hochwertige Instrumente verwendet wird, aber wieso? Hat er bessere Klangeigenschaften als andere Lacke?

Gruß, Melanie
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Friederich

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M.W. war das früher kein Schelllack, jedenfalls kein purer, sondern Mischung aus verschiedenen Harzen.
Damals hatte man halt nicht anderes. Und hat auch heute noch den Vorteil, dass man diesen Lack quasi beliebig oft in eine Neuzustand zurückversetzen kann.
Ob diese Naturharzlacke akkustische Vorteile haben,darüber kann ich nichts sagen.
 

Vaultdoor

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Hallöchen,
das hat tatsächlich viel mit den Klangeigenschaften zutun. Schellack ist ein Naturstoff, der nur in hauchdünnen Schichten auf das Holz aufgetragen wird und der vor allem in das Holz einzieht. Das macht ein - sagen wir - Spirituslack nicht. Der liegt auf der Oberfläche auf, quasi wie eine Plastiktüte.

Nun gibt es verschiedene Ansichten, warum die Schellacktheorie Quatsch ist. Ein Argument ist wohl "die Masse des Schellacks sei so gering, das würde keine Auswirkungen auf die Resonanzeigenschaften der Korpi haben". Das sehe ich anders, denn es geht um etwas mehr Parameter, als nur die Masse. Wie genau verändert der ins Holz eingezogene Schellack hier die Holzstruktur oder dessen Stabilität? Das lässt sich nicht ohne weiteres ermitteln, es ist aber definitiv ein Unterschied.
Ein weiteres Argument ist "Stradivarius und seine Mitstreiter hätten nichts anderes an Mitteln zur Oberflächenbehandlung gehabt und würden in heutiger Zeit bestimmt eher einen PU-Lack oder Nitrolacke nutzen". Das halte ich für noch größeren Unfug. Die Schellackpolitur ist auch heute noch die mit Abstand hochwertigste Oberflächenvergütung für Holz, die es gibt. Und es ist kein Zufall, dass die großen Meister ausgerechnet die Schellackpolitur als Oberflächenveredelung ihrer Instrumente gewählt haben. Das war eher viel Erfahrung, Intelligenz, ein gutes Gehör und ein hoher Anspruch.

Ich habe auch mal einen Artikel gelesen (vielleicht finde ich den auch noch...) über Klaviere, die einmal mit Schellack poliert und einmal mit Nitrolacken lackiert wurden und dann die Klangeigenschaften verglichen wurden. Die schellackpolierten Klaviere waren dabei den anderen überlegen. Wundert mich jetzt nicht.

Vielleicht hilft das ja zum Anfang.

Viele Grüße

Maik
 

WinfriedM

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Schellack ist ein Naturstoff, der nur in hauchdünnen Schichten auf das Holz aufgetragen wird und der vor allem in das Holz einzieht. Das macht ein - sagen wir - Spirituslack nicht. Der liegt auf der Oberfläche auf, quasi wie eine Plastiktüte.

Schellack ist doch ein Spirituslack. Und natürlich legt der eine relativ dichte Schicht auf die Oberfläche. Deshalb wird Schellack auch zum Absperren von Oberflächen vor Ausdünstungen verwendet.

Bei Schellack sind es lediglich die ersten 1-2 Aufträge, die noch ins Holz einziehen, danach wird eine Schicht aufgebaut.

Diese ganzen besondern Klangeigenschaften, die den Lacken angedichtet werden, halte ich für äußerst zweifelhaft. Da hab ich auch schon Experten gehört, die klar nachwiesen, dass im Blindtest das niemand heraushören konnte. Selbst wenn der Lack einen sehr geringen Einfluss hat, kannst du heute moderne Lacke in jeder Hinsicht beliebig abstimmen, also z.B. härter oder weicher.

Vor 300 Jahren (zu Stradivaris Zeiten) gabs gar nicht viele Alternativen, was hochwertige Lackoberflächen anging. Da war Schellack einfach naheliegend. Öllacke sind auch weit verbreitet bei den Geigenlacken, ich vermute aber, die sind erst später entwickelt worden .
 

Friederich

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Schellackpolitur. also die mit dem Ballen welche einen sehr dünnen Schichtaufbau erlaubt, war zu Zeiten von Stradivari noch garnicht bekannt.
M.W. wird Geigenlack auch heute noch mit dem Pinsel aufgetragen.
Ein Sprirituslack aus verschiedenen europäischen Harzen.

Und zu dem Geheimnis des Klanges alter Stradivari-Geigen: Der ist zwar sehr gut, aber auch nicht besser als der heutiger sehr guter Geigen. Wurde in aufwendigen Blindtests festgestellt.
 

SteffenH

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Und zu dem Geheimnis des Klanges alter Stradivari-Geigen: Der ist zwar sehr gut, aber auch nicht besser als der heutiger sehr guter Geigen. Wurde in aufwendigen Blindtests festgestellt.

Zitat von Stargeiger David Garrett auf die Frage, ob seine Stradivari wirklich so gut sei: "Naja, musste in meiner Position halt haben, so'n Ding".
 

Holzsinn

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Danke euch für eure Ausführungen, die ja doch recht gegensätzlich sind.
Ich halte Schellack auch für den hochwertigsten Lack - unter anderem auch wegen seiner Haptik - ich streiche so gerne über eine frisch polierte Oberfläche.... und riechen tut mein Schellack auch so gut, noch wochenlang...
Wie auch immer, es ist auf alle Fälle nicht falsch, ein neu gebautes Instrument mit Schellack zu polieren und hochwertige antike Möbel sowieso nicht.

Gruß, Melanie
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WinfriedM

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Wie auch immer, es ist auf alle Fälle nicht falsch, ein neu gebautes Instrument mit Schellack zu polieren und hochwertige antike Möbel sowieso nicht.

Vom Klang und aussehen her sicher nicht verkehrt, aber von der Haltbarkeit der Oberfläche, die oft und lange angefasst wird, gibts Besseres. Da ist glaube ich selbst ein Öllack nach altem Rezept besser. Zum Glück gibts in Deutschland noch eine super Adresse für historische Geigenlacke (https://www.hammerl.com)

Moderne 2K-Lacke sind vermutlich am einfachsten zu verarbeiten und am Haltbarsten.
 

zündapp

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Hallo, hier klinke ich mich mal kurz ein: bei mir im Keller liegen noch eine alte Mandoline (Tropfenform, Bauch) und eine Balalaika. Vor zig Jahren mal regelmäßig bespielt, jetzt mit Rissen, Schwund, zerkatzter Oberfläche usw durch ettliche Umzüge gerettet. Hat jemand von Euch schon mal solche "Schätze" wieder in einen ansehnlichen bespielbaren Zustand gebracht? Oder braucht es dafür zwingend einen gelernten Instrumentenbauer?
Hier würde ich auch auf Knochenleim und Schellack setzen...

Gruß

Wolfgang
 

Friederich

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Wie auch immer, es ist auf alle Fälle nicht falsch, ein neu gebautes Instrument mit Schellack zu polieren und hochwertige antike Möbel sowieso nicht.
Das auf jeden Fall. Würde ich wohl auch so machen.
Wenn man es kann, ist es die einfachste Möglichkeit eine sehr schöne Oberfläche aufzubringen. Die dann in Zukunft auch noch problemlos auf Neuzustand aufzufrischen ist.
 

Holzsinn

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Hallo, hier klinke ich mich mal kurz ein: bei mir im Keller liegen noch eine alte Mandoline (Tropfenform, Bauch) und eine Balalaika. Vor zig Jahren mal regelmäßig bespielt, jetzt mit Rissen, Schwund, zerkatzter Oberfläche usw durch ettliche Umzüge gerettet. Hat jemand von Euch schon mal solche "Schätze" wieder in einen ansehnlichen bespielbaren Zustand gebracht? Oder braucht es dafür zwingend einen gelernten Instrumentenbauer?
Hier würde ich auch auf Knochenleim und Schellack setzen...

Ja, in meinen Restaurierungskursen haben wir, genau wie du sagst, mit Knochenleim und Schellack ein Laute wieder zum Strahlen gebracht. Ob sie klanglich wieder so geworden ist wie ursprünglich, haben wir damals nicht überprüfen können, da so ein unbespieltes ramponiertes Instrument ja auf alle Fälle auch neue Saiten braucht.

Gruß, Melanie
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welaloba

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....Haltbarkeit der Oberfläche, die oft und lange angefasst wird, gibts Besseres. Da ist glaube ich selbst ein Öllack nach altem Rezept besser. Zum Glück gibts in Deutschland noch eine super Adresse für historische Geigenlacke (https://www.hammerl.com)

Das Buch über Geigenlacke von Hammerl habe ich als Kopie hier und endlich gefunden.
Verlag Erwin Bochinsky
isbn 3-923639-03-1
Band 47 der Fachbuchreihe DAS MUSIKINSTRUMENT
Gruß Werner
 

Georg L.

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Mal ne andere Frage zu Schellack: wie sieht es eigentlich mit der Haltbarkeit von Schellacküberzügen aus, wo doch Schellack als nicht besonders wasserresistent gilt. Und Musikinstrumente werden ja oft mit schwitzigen Fingern angefasst. Wobei Schweiß sicher noch einmal aggressiver als normales Wasser sein dürfte. Weiß da jemand genaueres?
 

welaloba

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Was der bessere Lack auf Musikinstrumenten ist, wurde schon gesagt, da kommen eher gut ausgehärtete Öllacke zum Einsatz.
Schellack muss sehr gut ausgehärtet sein, da ist schon mal die Rede von 6 Monaten. Bytheway: Was noch weniger geht als Feuchte, ist die heiße Kaffeetasse.
Andererseits: Habe mal einen Geigenbauer in Nauheim getroffen, der nimmt durchaus Schellack. Das Kinnbrett, oder wie auch immer das Teil heißt, ist aus Ebenholz, das hat mit Feuchte weniger Probleme. Die Geiger im HR Sinfonieorchester legen auch schon mal ein Gästehandtuch zwischen Kinn und Geige.
Gruß Werner
 

seschmi

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Wie war das eigentlich historisch? Der Meister Stradivari ist ja schon 1737 gestorben. Da war zwar Schellack in Indien schon lange bekannt, aber der dürfte ja kaum nach Europa gelangt sein, oder?
 

SteffenH

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TinaRestauro

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Schellack war auch damals schon bei uns bekannt. Allerdings ist die reine Ballenpolitur, die hochglänzend ist, eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Also keinesfalls jahrhunderte alt wie so oft behauptet.
 
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