Neuzugang + Restauration / Erhalten einer uralten Runddeckeltruhe

Christian_86

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Hallo, liebe Leute. Mein Name ist Christian und ich bin positiv erschrocken über diese schier unendlich große Enzyklopädie des Holzes, die ich hier vorfinde :emoji_slight_smile:.
Ich beschäftige mich seit geraumer Zeit mit alten Möbelstücke bzw. habe einen gewissen Faible dafür entwickelt. Und nun möchte ich in Eigenregie ein Restauration durchführen. Dass sie mir als Neuling nicht auf Anhieb perfekt gelingen wird, ist mir bewusst. Aber ich möchte einer für mich schönen Beschäftigung nachgehen.
Zum Objekt an sich : es handelt sich hierbei um eine alte Runddeckeltruhe. Ein genaues Alter konnte mir der Vorbesitzer nicht nennen, aber nach dem Zustand des Holzes und der Beschläge zu urteilen, dürfte die Truhe die 200 Jahre längst überschritten haben. Der Zustand ist mit 4- zu bewerten. Die Beschläge sind in einem noch relativ guten Zustand, das Holz weist an einigen Stellen Risse auf und ein Holzwurm war damals am Werke. Sichtbar sind noch immer alte farbliche Verzierungen. Weiterhin ist die Front verbogen, sodass ich sie begradigen möchte. Fraglich ist natürlich, ob es hier ausreichend ist, die Planken zu befeuchten und dann mit Schraubzwingen zu richten. Am Aussehen selbst will ich nichts ändern. Daher plane ich, zum Schluss mit Schellack eine Konservierung durchzuführen. Dies ist nur ein grober Ablaufplan. Für alles weitere belese ich mich.
Zudem stelle ich noch mehr Bilder hinein, damit man eine bessere Vorstellung vom Zustand der Truhe bekommt.

Die Frage an euch : Ist mein grob geplantes Vorgehen soweit in Ordnung oder muss ich an die Sache ganz anders herangehen?

Mit freundlichen Grüßen :emoji_slight_smile:

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dascello

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Vielleicht hättest du sie zum Fotografieren zuerst mal entrümpeln können....:emoji_wink:

Willkommen im Forum!

Bis jetzt hast Du alles richtig gemacht. So viele Vorgänger meldeten sich hier mit dem Präfix: "Ich habe schon alles abgeschliffen...."

Die Idee, am Aussehen nichts zu verändern, die ist richtig gut. Schellack gepinselt könnte da die Endbehandlung sein.

Zu Deinen Fragen:
Holzwurm:
Um sicher zu gehen, stelle das Ding mal über nacht bei 70 Grad in eine (Heim-)sauna.
Dann musst Du offene Stellen finden und die mit Leim und Zwingen wieder schließen. Historisch wäre Warmleim: Knochenleim, Hautleim. Alternativ auch Fischleim, der kalt verarbeitet wird.

Begradigen: Das geht mit Befeuchten nicht, vor allem nicht auf Dauer.
Wenn es meine Truhe wäre, würde ich innen eine versteifende Leiste anschrauben. Die hinterlässt im Originalholz nur ein paar kleine Schraublöcher, die man auch wieder leicht zusetzen kann. In verwurmten Bereichen geht das aber leider nicht.

Zur Endbehandlung:
Welaloba und TinaRestauro sind hier die Cracks.
Zu verrosteten Eisenteile wurde hier mal der Hinweis auf Stabilisierung mittels Leinölfirnis gegeben. Hab ich aber noch niocht probiert.

Es grüßt


Michael
 

Christian_86

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Hallo Michael ☺️. Hab vielen Dank für die rasche und sehr kompetente Antwort.
Diese Fotos habe ich verwenden müssen, da die Truhe noch beim Eigentümer steht und dies seine Fotos sind. Erst wenn ich sie heute abhole-besichtigt habe ich sie bereits - kann ich vernünftige Bilder vorweisen ☺️.
Eine versteifte Leiste anbringen... nun, das müsste ich natürlich probieren. Zunächst einmal möchte ich die Truhe zuhause stehen haben und dann steht eine Grundreinigung an :emoji_slight_smile:
 

Lorenzo

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Hallo Christian,
ich bin kein Restaurator, da können @welaloba, @TinaRestauro und @Holzsinn besser helfen. Ich hab aber eine sehr ähnliche Truhe wie du, und deshalb hab ich paar Gedanken schon hinter mir die dir vielleicht auch noch kommen werden.
Meine Truhe hat erstaunlich dünne Seitenwände. Auch bei mir ist die vordere ganz leicht rund geworden, die Beschläge rücken die bei mir aber quasi zurecht beim Schließen des Deckels. Ich würde da wie von Michael schon vorgeschlagen mit einer Leiste von innen helfen. Wenn deine Wandstärken auch so gering sind, dann würd ich eventuell schauen ob du von innen genug Holz sauber bekommst um die Leiste zu leimen, sonst musst du Schrauben, das würde man von außen sehen. Oder du nimmst geschmiedte Nägel, dann passt es von der Optik besser. Aber ich würd versuchen die Außenseite möglichst original zu lassen.
Bei mir ist außen ein Leinenstoff aufgeleimt, dann kamen Holzleisten zum Versteifen und wohl auch als Schutz gegen Rempler.
Auf meiner Truhe findet sich noch ein Frachtschein, Misses Adam Steppenbacher and daughter sind 1933 damit von New York nach Bremen gereist.
Ich hab mich gefragt wieso man überhaupt Runddeckel verwendet hat, und hab dann irgendwo mal die Info gefunden dass die aufwändigere Bauart deshalb gewählt wurde, weil man Runddeckeltruhen im Gepäckabteil nicht unten einbauen konnte, sonst wäre der ganze Stapel instabil geworden. Man hat damit also dafür gesorgt dass die Truhe ganz oben auf den Gepäckstapel kommt, was vor Beschädigungen schützt.
Zuletzt: Eine Truhe ist als Möbel einfach Käse. Ne volle Truhe ist einfach n Haufen Unordnung und man kommt an nix schnell ran. Desahlb würd ich mir überlegen ob du nicht eine Inneneinteilung baust, in die man einzelne Fächer oder Kästen einlegt. Wenn du das kombinierst mit den Leisten die du an die Wände bringst um die Truhe zu begradigen hat das ganze doppelten Sinn.
Hier noch paar Bilder:
 

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Holzsinn

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Was die Konstruktion angeht, hast du ja schon recht hilfreiche Tipps bekommen.
Die gesamte Truhe mit einer milden Seifenlauge zu reinigen (aber nur da, wo kein Papier verarbeitet ist) wäre der erste Arbeitsschritt, den ich machen würde. Auf das gereinigte Leinen (sieht jedenfalls danach aus) würde ich keinen Schellack streichen, das könnte schnell zu glänzend werden. Ich würde eher an einer wenig sichtbaren Stelle Wachs ausprobieren.

Melanie
www.holz-sinn.de
 

Martin45

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Wenn du die Metallteile nicht so 1:1 alt-rostig lassen möchtest könntest du sie entweder so wie sie sind ölen, dann werden sie nur was dunkler bzw. etwas schwarz-dunkler.
Alternativ demontieren, entrosten, mechanisch mittels Bürsten und Co. oder chemisch (Essigessenz, dann werden sie so schwärzlich) und dann ölen. Wenn es etwas dauerhafter werden soll, kann man das Öl auch abbrennen. Ist dann eine einfache Form der Brünierung -->google.
 

Hondo6566

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Hallo,
wenn die Beschläge noch fest sind würde ich die auf keinen Fall demontieren, die bekommst du nicht mehr richtig fest. Sondern mit einer weichen Messingbürste abbürsten und ganz leicht ölen oder mit Wachs behandeln. Keinesfalls neu brünieren!!!
Das sieht hinterher beschissen aus, neue Beschläge und alte Truhe ...
 

TinaRestauro

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Hallo,
ohne bessere Fotos lässt sich da gar nichts sagen. Ich würde dir raten, ausser absaugen erst mal gar nichts zu machen.
Rostiges Schmiedeeisen einfach einzuölen wäre genauso kontraproduktiv wie Schellack oder Wachs drüberzustreichen. Womöglich war die Truhe komplett ohne Oberflächenüberzug....

Wegen der verzogenen Front könnte man sich überlegen, einen wirklichen Korpus zu bauen und den dann in die Truhe zu stellen. Das verzogene Frontbrett könnte man dann mittels dünner (Edelstahl) Stockschrauben an den neuen Korpus heranziehen.

Eine Möglichkeit, ganz ohne Aufwand, zu der ich raten würde:
Das verzogene Brett so lassen und die Truhe offen präsentieren und den Deckel vielleicht als Regal zu nutzen?
Bayerische Schlösserverwaltung | Burg Prunn | Rundgang | Raum 10 (burg-prunn.de)



P.S.: Die beiden gezeigten Truhen sind nicht vergleichbar. Die von Christian gezeigte ist eine Runddeckeltruhe, vermutlich Anfnag 18. Jahrhundert. Die von Lorenzo eine wirkliche Reisetruhe/ Koffer, Ende 19. - Anfang 20. Jahrhundert.

Grüße
 
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Christian_86

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Vielen lieben Dank für all diese wertvollen Hilfestellungen ☺️. Ich werde mich bemühen, schnell einige neue Bilder zu schießen. Im Moment bin ich Zeitlich ein wenig eingebunden.
 
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