Hi,
ich erlaube mir mal als Nicht-Profi woodworker, wohl aber Unternehmer etwas dazu zu schreiben. Ich habe meine (auch fachfremde) Ehefrau in den Betrieb integiert, im kaufmännischen Bereich, auf eigenen Wunsch, wobei sie auch kaufmännischen Hintergrund hat und das aus voller Überzeugung gerne machen wollte. Das hat funktioniert und sie konnte über die Jahre auch fachliche Kompetenz erwerben. Dies aber in der Praxis, denn fachliche Schulungen bieten maximal angekratztes Basiswissen, das man in der Praxis erstmal einüben muss. Bedenke, Schreiner ist ein Ausbildungsberuf, und wie ich aus dem Hobbybereich nun auch weiß, völlig gerechtfertigt. Gerade im individuellen Möbelbau wie bei Dir stelle ich mir maximal schwierig vor, in kurzer Zeit eine Kraft einzulernen, die erstens alles Nötige an fachlichem Know-How drauf hat und zweitens dann noch Deiner Vorstellung an die Arbeitsweise und -qualität genügt. Du schreibst, Du würdest sie "aus der Not heraus" anstellen. Frage Dich mal selbst, ob Du Deine Frau auch "aus der Not heraus" geheiratet hättest. Vermutlich eher nicht, zumal das auch in vielerlei Hinsicht abwertend wirkt. Zudem, und das meine ich ehrlich: Mach Dir klar, dass ein Partner im Privaten überhaupt nicht zwangsläufig beruflich funktionieren muss. Im Gegenteil. Ihr müsst Privates und Berufliches extrem gut trennen können. Wenns privat Ärger gibt, darf das keinesfalls Einfluß auf den Job haben, und wenns beruflich rumpelt, darf das nicht auf das Private durchschlagen. Ansonsten geht ihr schneller insgesamt getrennte Wege als es Dir lieb sein kann. Mach Dir auch klar, dass Deine Frau dann eine Mitarbeiterin ist, die Du ggf. auch kritisieren und korrigieren musst, unter Umständen vielleicht sogar wieder gehen lassen musst. Das klingt alles trivial, ist es aber nicht, wenn man sich nicht vorher ganz klare Gedanken dazu gemacht hat und das auch mehrfach eindringlich thematisiert.
Insgesamt würde ich Dir von der Idee - soweit das aus den Infos hier zu beurteilen ist - aber abraten wollen, sofern Deine Frau nicht wenigstens kaufmännisch gut und fit ist. Die berufliche Vorkenntnis klingt jedoch nicht danach. In keinem Falle wird sie bereits erworbenes Fachwissen bei Dir einsetzen können, somit ist die Berufserfahrung qualitativ für Dich nicht nutzbar. Sie ist dann faktisch analog einem Azubi zu beurteilen. Wenn Du selbst außerhalb der fachlichen Bereiche Deines Berufs wie Angebote, CAD etc. mit der Basis anfangen musst, hast Du nach meiner Meinung frühestens in einem Jahr eine Mitarbeiterin, die Du einigermaßen "laufen" lassen kannst. Schulungen hin, Schulungen her. Du sprichst aber von noch zwei Monaten Elternzeit, die Du Dir/Euch geben willst. Sorry, wird nicht klappen, wenn Du bei Allem bei Null anfangen musst! Tu Dir und Deiner Familie das nicht an, es wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gut gehen. Und noch ein Aspekt: Packst Du Deine Frau auf eine sehr wichtige Position ohne Redundanz, werdet ihr beide unersetzlich. Da darf mit den Kids nichts schiefgehen, keiner so richtig krank werden, und Urlaub ist länger als eine Woche als Familie dann auch schlecht. Merke: Der Chef muss der unwichtigste Baustein in dem ganzen Laden sein, wenn es um das Tagesgeschäft geht! Deine Entwicklung muss dahin gehen, dass Du Unternehmer wirst, und nicht als selbständiger Strampler, wie der Frosch in der Sahne, rumdümpelst. "Das Tagesgeschäft frisst mich auf" - kennst Du den Satz? Ist ziemlich zutreffend, oder? Ja, das kenne ich. Damit sind die Probleme nämlich beschrieben. Mach Dir klar, dass es nicht besser wird, wenn Deine Frau auch entsprechend aufgefressen wird! Fallt ihr beide aus, ist das Unternehmen kopflos. Du brauchst Redundanz und Ersatz!
Auch ich kenne die allgemeinen Personalprobleme, in dem Falle aus meiner Branche. Ich habe ganz klar einerseits das Thema Eigenausbildung mit Perspektive und ordentlicher Bezahlung bei unbefristeter Anstellung in den Vordergrund gestellt und bin damit im Bereich Ausbildung und Übernahme auch erfolgreich. Das würde ich Dir auch empfehlen in Betracht zu ziehen. Wie erwähnt würde Deine Frau bei Null anfangen, analog einem Azubi. Warum also hier nicht für einen Teilbereich Deines Bedarfs ansetzen? Gerade die junge Generation hat es doch mit CAD und Technik und freut sich, wenn sie ggf. sogar auch mal von Zuhause aus entsprechende Konstruktionen anfertigen kann. Schau mal in einschlägige Facebookgruppen, sprich die Admins an, ob Du da eine entsprechende Stellenanzeige platzieren darfst. Du könntest überrascht sein. Da könnte privat vorab erworbenes Wissen oder gar Leidenschaft zu Deinem Zweck eingesetzt werden. Spannend, oder?
Für die Kundenkommunikation, Schriftverkehr, Rücken freihalten, mitdenken etc. brauchst Du eine "Donna" (siehe Serie "Suits", ich finds herrlich treffend), wenngleich eine "Donna" m/w/d sein kann und nicht zwingend so heiß sein muss wie das Original... Such danach mal im Altersbereich Ü50 - man wundert sich, was an Kompetenz und Motivation dort rumläuft, die anderweitig wenig Perspektive bekommt. Und diese "Donna" muss eine grundsätzliche Ahnung haben, mindestens kaufmännisch, aber fachlich nicht Meister sein, dafür am Telefon die beste Figur machen, Briefe schreiben können und sich für ganz simple Dinge wie Beschaffung von Büromaterial oder die Pflege der Kaffeemaschine interessieren. Hier zählen auch insbesondere Werte wie Aufrichtigkeit und Loyalität Dir gegenüber. Der Grund, warum die "Donnas" der Selbständigen so oft die Ehefrauen sind. Sind diese Eigenschaften bei einem Mitarbeitenden gegeben, ist auch eine Integration auch in den unternehmerischen Bereich, bspw. Rechnungen, Buchhaltung o.ä. möglich.
Und für das Fachliche kann ich nur all denen sagen, die den "Fachkräftemangel" beklagen oder "Gutes Personal ist schwer zu finden" predigen: Ihr verkauft Euch und Eure Firma schlecht und/oder zahlt scheiße, daher bleiben die Fachkräfte dort, wo sie aktuell sind! Wir haben Fachkräfte, nur eben nicht so viele, dass sich gute Leute mit schlechten Angeboten zufrieden geben! Die Fachkräfte bündeln sich da, wo sie Verdienst, Entwicklungsmöglichkeiten und Zufriedenheit sehen. Fragt Euch doch mal selbst, warum Ihr da seid, wo Ihr seid, oder was Euch in die Selbständigkeit getrieben hat. Und fragt Euch mal selbst, was man Euch bieten müsste, damit Ihr woanders bzw. für jemand Anderen arbeitet! Und das ist das, was Ihr bieten müsst!
Sind die Bedürfnisse erfüllt, bleiben die Fachkräfte im Betrieb, bis es etwas Besseres gibt. Sie würden jedoch nie aktiv suchen und damit von besseren Angeboten erfahren, solange die Zufriedenheit grundsätzlich gegeben ist. Personal kommt aufgrund der Reputation des Unternehmens, es geht aufgrund der Führung. Und es gibt wiederum genug Fachkräfte, die ein bisschen oder auch ein bisschen mehr unzufrieden sind, aber aus Bequemlichkeit, Sicherheitsbedürfnis, Verpflichtungen etc. im bisherigen Betrieb bleiben. Die gilt es zu finden. Daher breche ich mal eine Lanze für die sog. Headhunter, Menschenhändler, die Bewerber aufspüren, die noch in Lohn und Brot sind, und sich nicht auf "Rudi´s Resterampe" aka. Jobbörsen tummeln. Ich habe alle Börsen durch. Und ich habe unendlich viel Schrott und ganz wenig Gutes auf den Tisch bekommen. Eine erfolgreiche Quote war nur bei den Headhuntern auf meine Rahmenbedingungen (Gehalt etc.) zu verzeichnen. Ja, die kosten Geld. Aber das kostet Eure Arbeit auch und Eure Zeit, die ihr mit schlechten Kandidaten verschwendet. Hier würde ich für den Bereich qualifizierter Betriebsleiter Geld investieren, ggf. zweifach, aus Gründen der Redundanz. Der entlastet Dich dann bei den Angeboten/Kalkulationen, in Kundenterminen etc. pp. und verschafft Dir die nötige Luft, unternehmerisch zu wirken. Dazu gehört nämlich auch die Möglichkeit, die Vorgänge im Unternehmen zu durchdenken, Abläufe zu kontrollieren und zu hinterfragen, insgesamt das Unternehmen zu lenken und zu leiten. Das ist das, wo Du hinmusst, insbesondere wenn Du weitere unternehmerische Perspektiven (Küchenstudio) hast.
Ich weiß... All das klingt großartig aber "ist nicht möglich". Doch, ist es. Der Unternehmer muss etwas unternehmen, sonst ist er kein Unternehmer. Dazu gehört Mut, auch der Mut, finanzielle Investitionen in mehr Personal zu tätigen als Du heute glaubst zu brauchen, und den Mehraufwand auch an die Kunden weiterzugeben. Deckungskostenbeitragsrechnung kannst Du, also mach sie. Nur so schaffst Du Dir Raum, unternehmerische Entwicklungen zu vollziehen, die dann wiederum für Erträge sorgen. Ich möchte Dir mit diesem Posting nicht nur eher drei bis vier neue Mitarbeiter verkaufen, sondern Dich zum Nachdenken anregen, wie Du sie bekommst und wie Deine Rolle aussehen kann und aussehen muss, wenn Du nicht ständig abgehetzt und gestresst durchs Leben laufen willst. Es bringt Dir nichts, Dich dauerhaft abzustrampeln und dann komplett überarbeitet viel zu früh, plötzlich und unerwartet in die Kiste einzufahren. Die aber natürlich dem Meister entsprechend hübsch hergerichtet, aus Eiche. Mach Dir bewusst, dass Du spätestens ab sieben Mitarbeitern eine weitere Führungsebene brauchst, die sich aber erst mit zwei drei Leuten mehr monetär armortisieren lässt. Unter Anderem daher kommt auch meine Argumentation. Vielleicht kann ich Dir - jenseits Deiner ursprünglichen Fragestellung - damit einen Impuls zum Nachdenken geben. Ich stand nämlich mal genauso da wie Du gerade...
Fortes fortuna adiuvat.