Kunz 112 Ziehklingenhobel, Entsetzen über Qualität. Aufarbeitung bis Nutzbarkeit

rafikus

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Hallo

Ich hatte vor einiger Zeit die Möglichkeit einen Ziehklingenhobel auf einem bekannten Gebrauchtwarenmarkt zu kaufen. Ich brauche zwar nicht unbedingt solch ein Werkzeug, da aber der Preis sehr niedrig war und ich von meinem Furnierschabhobel weiß, dass man ein solches Teil manchmal sehr gut gebrauchen kann, habe ich mich entschlossen ihm ein neues Zuhause zu geben.
Wie man auf den ersten Bildern vielleicht sehen kann, war der Hobel zwar nicht neu, aber so gut wie nicht gebraucht. Die kleinen Rostflecken waren recht schnell beseitigt.
Das Entsetzen packte mich aber, als ich mir die Ziehklinge genauer angeschaut habe. Da muß man sich doch fragen, womit der Hersteller die Klinge behandelt um solch tiefe Furchen da rein zu bekommen?
Es sollte sich aber herausstellen, dass es nicht das einzige Mal war, da ich so entsetzt davor stand.
Die Ziehklinge wurde von mir auf die schnelle bearbeitet um möglichst bald einige Hobelversuche zu unternehmen, deswegen wurde es nicht perfekt, wie man auf dem Bild mit der Ecke an der Fase sehen kann.
Nachdem der Hobel sauber war, hat er einen recht guten Eindruck gemacht. Bei mehreren Versuchen die Klinge einzuspannen mußte ich feststellen, dass irgendwas nicht richtig war. Auf Bild 8 sieht man, warum ich wieder so entsetzt war. Wie sollte da die Ziehklinge vernünftig eingespannt werden? Diesen Halte- und Schwenkmechanismus kann man herausnehmen, nachdem die Achsstummel aus den Seiten des Hobelkörpers herausgeschraubt wurden (dazu noch später). Ich wollte diese beiden Nieten, auf welchen das rot lackierte Teil gelagert ist, heraus schlagen, da fiel mir auf, dass sie (gewollt oder ungewollt) exzentrisch gearbeitet sind. Durch Verdrehen dieser Nieten konnte ich den Spalt für die Ziehklinge auf eine gleichmäßige Breite einstellen.
Nun konnte ich den Hobel zum ersten Mal über ein Stück Holz schieben, aber egal was ich eingestellt habe, es war nicht möglich einige Späne abzunehmen. Kein Vergleich zu meinem Furnierschabhobel.
Nach kurzer Überlegung bin ich darauf gekommen, dass ich noch gar nicht geprüft habe, wie Plan die Hobelsohle ist. Nachdem ich das gemacht habe war ich wieder entsetzt. Die Sohle war so konkav (Lineal quer über die Sohle gelegt) als ob es ein Profilhobel wäre. Den Gedanken an Schleifen habe ich schnell beiseite gelegt. Ich nahm meine Feilen in die Hand und tat was notwendig war. Die Spuren dieser Behandlung sind zwar noch zu sehen, aber dafür ist die Sohle nun plan (siehe Bild).
Leider war auch nach dieser Behandlung der Hobel nicht brauchbar. Es stellte sich heraus, dass der Schwenkmechanismus so viel Spiel an den Achsstummeln hatte, dass es unmöglich war die Ziehklinge vernünftig einzustellen. Entweder gab es keinen Kontakt zum Holz oder die Klinge ratterte über die Oberfläche und hinterließ tiefe Einstichmarken. Es gab keinen anderen Weg, als diese Bolzen mit Teilgewinde M6 neu herzustellen. Die originalen hatten einfach zu viel Spiel in den Hobelwangen. Zum Schluß spendierte ich noch zwei Scheiben um die Seitliche Bewegung des Schwenkmechanismus zu unterbinden und konnte endlich mit dem Hobel Späne machen.

Was mich bei diesem Hobel so geärgert hat ist die Tatsache, dass der Hersteller ein Werkzeug anbietet, welches selbst nach den arbeitsintensiven Vorarbeiten (Ziehklinge bearbeiten, Hobelsohle planen) einfach unbrauchbar ist. Der Preis ist zwar viel niedriger als bei einem z.B. Veritas, aber wenn der Hobel sowieso nicht funktioniert, dann ist es egal ob er nun mit 5€, 20€, 50€ oder eben 85€ zu Buche schlägt.
Unbrauchbar ist unbrauchbar.
Wäre es da nicht besser das Werkzeug gebrauchsfähig herzustellen und dann von mir aus 30€ oder 40€ mehr zu verlangen?

Das Schlimmste dabei ist, dass ich vor einigen Tagen auch einen neuen Kunz Schabhobel 51A gekauft habe und das Gleiche erlebt habe. Ohne massive Bearbeitung unbrauchbar! Er ist zwar auch recht preiswert, aber was habe ich davon, wenn er nicht funktioniert?
Auch hier gilt: wäre es nicht möglich etwas mehr Geld zu verlangen, aber dafür ein funktionierendes Werkzeug anzubieten?

Rafikus
 

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pedder

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Wer weiß, ob sich da bei Kunz nicht etwas verändert hat, seit dieser Hobel vor 30-50 Jahren gefertigt wurde.

Ich habe gehört, dass bei Kunz zu den alten Hobeln nicht mal Zeichungen existieren, als gar kein Ziel vorhanden ist, wo man hin will.

Gute neue Hobel kosten regelmäßig ein zwei-vierfaches. Das hat schon seinen Grund
 

Keilzink

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... das ist so eine Sache mit "Kunz-rot/grün".
Zum Hintergrund: Der Markenname "Kunz" wurde Anfang der 1990er Jahre von einer Tresselt Gmbh übernommen. Die haben eine neue Serie auf den Markt gebracht, die sich "Kunz plus" nennt. Äusseres Merkmal dieser Serie ist das fehlen dieser hübschen Grün-Roten Farbkombination. Vom äusseren Erscheinungsbild versuchen sie sich an Lie-Nilsen anzupassen. Daneben werden aber auch die Grün-Roten Varianten dieser Hobel produziert.
Was die Firma/Firmen die Rot-Grüne Hobel unter dem Namen Kunz vor dieser Übernahme angeht, findet man so gut wie nichts heraus. Gegründet 1910 in Fürstenwalde, nach dem WWII nach Hannover übersiedelt, von Tresselt übernommen 1992 und 93.

Aktuell wird der Kunz Putzhobel No 3 in Rot/Grün für rund 60 € angeboten, der Kunz plus für 160. Alleine dadurch wird klar, was man erwarten darf.
Kunz war ganz einfach einer der Nachahmer von Stanley, die auf den Deutschen und Europäischen Markt drängten, mit billig gemachten Kopien von Stanley und Sargent, die zu dieser Zeit, als Hobel noch quasi industriell genutzte Werkzeuge waren, sich auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung befanden. Da es in D keinen anderen Hersteller von Metall-Hobeln gab, konnten sie sich bis 1992 halten. Erst der Übernehmer der Marke sah sich dann gezwungen, den gestiegenen Ansprüchen der engagierten Heimwerkern, die auf die sehr gut gemachten Stanley-Kopien von Lie Nilsen und Veritas schauten, etwas entgegenzusetzen.

Was mich angeht: wer einmal einen grün/roten Hobel in der Hand gehabt hat, weiss, was auf der Werkbank nichts zu suchen hat. Mit der Plus-Serie mach ich auch nicht rum, ich hoble mit dem Originalen. Auch wenn die inzwischen 90 Jahre auf dem Buckel haben - verlernt haben die nichts. :emoji_slight_smile:

Andreas
 

derdad

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Guten Morgen!
Kunz ist mir vor allem als Metallhobel mit Spezialeisen (den Roten) für Resopal bekannt. Ich glaube so einer war auch in vielen Tischlereien ab dem Aufkommen von Resopalplatten (HPL) zu finden. Zum Beihobeln der Kanten.
Ah ja. Der Kung Schabhobel war auch noch verbreitet.
LG Gerhard
 

rafikus

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Aktuell wird der Kunz Putzhobel No 3 in Rot/Grün für rund 60 € angeboten, der Kunz plus für 160. Alleine dadurch wird klar, was man erwarten darf.
Die Preise sind tatsächlich nicht besonders hoch.
Der Ziehklingenhobel, der heute noch verkauft wird, sieht meinem ziemlich ähnlich, also erwarte ich da keinerlei Verbesserung bei der aktuellen Produktion. Bei Feinewerkzeuge ist er für 85€ zu haben.
Und was man erwarten kann, hat doch nichts damit zu tun, dass der hergestellte und so verkaufte Artikel einfach unbrauchbar ist.
Wenn der Putzhobel Nr.3 preiswert ist, dann wird er wohl nicht gerade das allerbeste Eisen haben. Die Sohle wird wohl auch etwas Schleifarbeit benötigen. Die Griffe sind eben aus Kunststoff und nicht aus Holz. Aber hoffentlich wird es nicht so sein, dass es unmöglich wird den Frosch festzuschrauben. Das wäre aber dem vergleichbar, was ich mit dem Ziehklingelhobel erlebt habe.
Wenn der Frosch an dem Putzhobel nicht festzuschrauben wäre, dann würde das nicht mal einen Preis von 15€ rechtfertigen, das Produkt wäre einfach unbrauchbar und sowas muss doch nicht angeboten werden.

Rafikus
 

Keilzink

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... der Markt ist voller unbrauchbarer Produkte.
Unsere moderne Warenwelt - man könnte auch einfach Kapitalismus sagen - funktioniert am besten, wenn man den Konsumenten dazu bringen kann, etwas zu kaufen, das nichts taugt, deshalb wenig in der Herstellung kostet, trotzdem nachgefragt ist und deshalb mit hohem Gewinn verkauft werden kann.

Wenn der Kunde dann drauf kommt, dass das Produkt nichts taugt, kann man ihm sagen, "für das bisschen Geld kannst du ja auch eigentlich nicht viel erwarten, selber schuld, wenn du so geizig bist." Dann kann man ihm das nächste Produkt verkaufen, zum dreifachen Preis, und ob das dann was taugt, steht auf einem ganz anderen Blatt. Gewinn hat man zu diesem Zeitpunkt auf jeden Fall schon doppelt eingefahren.

Kunz hat hochwertige und teure Waren kopiert und billig angeboten. Die Leute sagen sich: "was bei LN 200 Euro kostet, kann ich bei Kunz für 60 haben. Also ...
Dann taugt der Hobel nicht mal zum Trüffel schneiden und dann hat man als Konsument die Erfahrung gemacht, dass Handhobel halt Mist sind. Also kauft man sich eine Hobelmaschine.

Es gibt bei diesem Spiel immer einen, der nie verliert. Alle anderen sind die Dummen.
 

pedder

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Der Ziehklingenhobel, der heute noch verkauft wird,

Naja, beonders aussagekräftig finde ich die Reparatur eines second-hand erworbenen 30-50 Jahre alten Hobels nicht. Außer dass damals geschlampt wurde.

Vor einiger Zeit habe ich mir einen Kunz Taschenhobel gekauft und der ist mit einem dickeren Eisen und etwas Liebe(TM) und schwarzem Lack sehr wohl brauchbar.

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rafikus

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Hallo

Beachte bitte, was ich im ersten Beitrag geschrieben habe
Wie man auf den ersten Bildern vielleicht sehen kann, war der Hobel zwar nicht neu, aber so gut wie nicht gebraucht.
Es war keine Reparatur eines gebrauchten Hobels, welcher durch die Nutzung nicht mehr gut war. Das Ding hat leider die Fabrik mit diesen Macken verlassen.

Rafikus
 

Keilzink

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... das ist doch ein grundsätzliches Problem bei solchen Kopien. Solange die Firmenleitung glaubt, dass mit dem Produkt gutes Geld zu machen ist, wird darauf geachtet, dass in der Produktion alles stimmt. Dann wechselt irgendein Unbedarfter Schreibtischtäter die Giesserei - wegen ein paar Pfennigen per Guss, und das wars mit der Qualität. Oder eine gute alte Fräse gibt den Geist auf, und der billig eingekaufte Ersatz bring die Leistung nicht mehr. Oft reicht es schon, dass ein altgedienter Maschinenführer in den Ruhestand geht, und der Nachwuchs macht Dienst nach Vorschrift. Qualitätskontrolle wird als vernachlässigbarer Kostenfaktor gesehen - und das wars dann. Da könnte man noch lange so weitermachen.

Das kann einem aber auch bei den Orginalen passieren. Ich habe lange gesucht, bis ich meine beiden Blockhobel von Stanley 220 und 60 1/2 gegen die Modelle 220A und 60 1/2A tauschen konnte. Die A -Serie wurde nur ein paar Jahre Anfang der 1980er hergestellt und sind um Klassen besser, als alles, was sonst auf den Markt kam. Mitte der 80er wurde diese Serie wieder eingestellt und alles was danach kam, spielt in einer anderen Liga.
 
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