Esche im Autobau

elmgi

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Hallo zusammen,

auch wenn ein Auto bei mir in allererster Linie praktisch und robust sein muss und ich dafür eher nicht zu Holz greifen würde, hat mich diese Information doch überrascht:

Kult-Manufaktur Morgan

Die brititische Manufaktur besitzt absoluten Kultstatus. Weil Morgan seine Produktionsweise seit Jahrzenten beibehält, sind ihre Modelle auf dem Gebrauchtwagenmarkt heiß begehrt und verlieren kaum an Wert. So setzt Morgan bei den Rahmen ihrer Autos noch heute Eschenholz ein - eine Technik, die früher zum Beispiel bei Kutschen angewendet wurde.

Nicht auszudenken was geschehe, wenn meine Hündin merken würde, dass in manchen Autos "Stöckchen" verbaut sind... :emoji_stuck_out_tongue::cool:
 

Mitglied 59145

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Verrat es lieber nicht!

Meiner kann auch nur:"Tür zu". Meine Freundin wollte ihm neulich "Tür auf" beibringen, habe das ganz schnell unterbunden!:emoji_wink:

dafür kann er jetzt Rollen und so nen Gedöns...

Gruss
Ben
 

Sägenbremser

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Stimmt

Tür auf ist ein ganz heisser Befehl.

Meistens merkt man schon beim Betreten der
Wohnung das ein Bello da wohnt, die Türklinke
zeigt da fast immer nach oben und das freudige
Gekläffe folgt sowieso bei vielen Hunden, leider
bei meiner grossen Pudeldame auch,seit zwei
Wochen noch von einem winzigen,alte Pedant
begleitet, der sich natürlich die schlechten Sitten
sofort angewöhnt hat, die Guten leider nicht.

War mal in den 70ern bei Morgan, weil mein etwas
vermögender Freund sich seinen 8er auch in der
Herstellung anschauen wollte. Bei mir hat es leider
nur zu einem schönen grossen Modellbausatz gereicht.
Im Gegensatz zu ihm habe ich den Bausatz aber noch
heute, teilmontiert, blau lackiert und der Fahrzeugrahmen
aus Z-Stahlprofilen ist schön zu erkennen.

Nachdem wir die Benachrichtigung, mit fast einem Jahr
Verspätung, aus Malvern erhalten hatten, machten wir uns
bald auf die Reise. Standesgemäss in meinem erst kurz zu-
vor aus Trümmern wieder auferstandenem 914/6.

Es wurde eine Zeitreise, schon auf der Fähre von Calais trafen
wir auf eine nette Gruppe Briten in smarten Threeweelern, die
kamen gerade von einer ausgedehnten Tour über die Alpen
zurück und hatten eher etwas Mitleid mit uns, ob der Idee einen
Morgan/8 zu kaufen. Mein orangener Porsche fand sehr viel mehr
Beifall und Sympatiebekundungen. Aber die taffen Kerle beschlossen
sofort mit uns bei Morgan einzufallen. Sollte sich zeigen, daß es für
uns noch viel Nutzen zeigen sollte, die Kenner der Materie an Bord
zu haben. Aber die Fahrt war schon so ein Erlebnis für uns, die kannten
jedes Dorf, jeden Pub und seit dem ist meine Meinung über das englische
Essen auch sehr viel positiver gewesen. Der Fahrstil der Jungens war schon
atemberaubend, die haben noch zum Überholen angesetzt wenn ich die
Augenfarbe des Truckers erkennen konnte. Auf den engen Singelroads hatte
ich Mühe mit den wendigen Dreirädern mitzuhalten und so ein kleiner Mittel-
motorporsche ist auch nicht gerade der Kurvenzusteller.

Als wir heile angekommen waren, wußte natürlich keiner in der mehr
barackenhaften Fabrik von unserem Wunsch der Herstellung beizustehen.
Aber es war kein Problem in die Manufaktur zu gehen, Tür auf und du standest
mitten im Geschehen, das zu einem grossen Teil aus freundlich plaudernden,
älteren Herren bestanden hat, die überrascht mal eben ihre Tassen abstellten,
ob unseres überfallartigen Besuchs. Nach einigem Suchen wurde auch die für
unser Auto nötige Karte, ja es war ein Stück Pappe, gefunden und fröhlich wurde
uns der nächste Vormittag für die Hochzeit von Fahrgestell und Karosserieteilen
angekündigt. Jetzt kamen aber unsere neuen Freunde ins Spiel. Very middelclass
forderten sie zu einer Besichtigung der Komponenten auf und tatsächlich wurde
das auch akzeptiert. Das Sprache ein mächtiges Geschütz ist, lernte ich dabei.

Die aussen halbwegs brauchbar lackierten Karosserieteile, waren auf den nicht
sichtbaren Flächen nur mit einem schmierigen Belag versehen worden. Denke
es war eine wachsartige Beschichtung. Unsere Morgankenner bestanden sofort
auf Entfernung der Schicht und sauberer Lackierung auch der nicht im Sichte-
reich liegenden Blechteile. Wurde etwas mürrisch auch akzeptiert, aber der
Heiratstermin verschob sich sofort in die folgende Woche. Wir hatten ja noch
mehr Zeit als Geld und fanden das recht akzeptabel. Die recht wilde, lange Runde
mit den Threeweelern bis an die schottische Grenze war ein wirkliches Erlebnis
und hätte im stattlichen Elternhaus eines Mitrasers fast eine ganz andere Form
der Vermählung gefunden. Wir sind aber auch heute noch in alter Sympathie
zugeneigt und besuchen uns mit unseren, jeweils eigenen Kindern, recht häufig.

Nach einer turbulenten Woche waren wir wieder in Malvern zurück, dieses Mal
gab es auch einen offiziellen Mitarbeiter aus dem Verkauf an unserer Seite. So
konnten wir die schon mehr als archaischen Herstellungsmethoden der Teile
für einen Morgan/8 verfolgen. Die nicht gerade kleinen Motorhaubensegmente
wurden wirklich auf einem abgehobelten Baumstamm gedengelt. Ein wirklicher
Hammerkünstler machte das Werk perfekt. Die Rippen wurden mit einer auch
schon etwas betagteren Sickenpresse eingeformt. Für uns Kinder aus dem VW-
Fertigungsbereich eine fast museale Erfahrung. Die bemängelten Blechteile
waren auch recht sauber auf allen Seiten lackiert worden, auch aussen sahen
sie jetzt sehr viel besser aus. Die Eschenholzrahmen hatten auch noch eine
recht üppige Zusatztränkung erhalten, was sich noch nach Jahren auf dem
Garagenboden zeigen sollte. Bei warmen Wetter gab es immer dicke Flecken.

Ja, eine auf einem Eschenholzgerüst aufgebaute Karosserie kann bei sorgfältiger
Pflege schon sehr lange halten, auf jeden Fall länger als die doch sehr archaische
Vorderachse es je gekonnt hätte. Das wir im Lauf der Jahre die blöden SU-Vergaser,
eine fast untaugliche Lukaszündung und noch einige anderen Antriebsteile wechseln
mußten, nur als Nachsatz. Die Karosserie/Fahrwerksbasis hat aber nur Spass gemacht.

James bewegt seinen Threeweeler mit Anzanimotor noch heute sehr flott über
die kleinen Strassen, Peter hat jetzt einen Moto Guzzi Motor eingebaut und der
Rest der Truppe lebt leider nicht mehr. Morgan for ever.

Gruss, Harald
 

ChrisOL

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Harald,

danke für den schönen Text! Man kann sich bildlich vorstellen wie die Herstellung von Statten gegangen ist!

Vor ein paar Jahren hatte ich mal das Vergnügen eine Spritztour in einem alten Morgan, leider nur als Beifahrer, mit zu erleben. Ich erinnere mich an ein spartanisches Armaturenbrett mit eine paar Kippschaltern untermalt von tollen, kernigen Motorsound :emoji_slight_smile:

Grüße
Christoph
 

elmgi

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Hallo Harald,

vielen Dank für Deine lebendige Beschreibung!

Die Eschenholzrahmen hatten auch noch eine
recht üppige Zusatztränkung erhalten, was sich noch nach Jahren auf dem
Garagenboden zeigen sollte. Bei warmen Wetter gab es immer dicke Flecken.

Dann werde ich bei Bedarf meiner Hündin beibringen müssen, dass manche Stöckchen nicht so unbedingt als Beute geeignet sind! :emoji_wink:
 

Mitglied 59145

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sehr schöne Geschichte....

Du solltest glaube ich öfter schreiben odere tust du das schon?

Gruss
Ben
 

hutch

ww-esche
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Bemerkenswerter finde ich, dass die Träger in Zeppelinen aus mm dickem Sperrholz waren, und so riesige Luftschiffe und Frachten aushielten.
 

Sägenbremser

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Hallo Hutch

im Deutschen- Museum- München ist sogar ein
sorgfältig berechnetes/gebautes Knotenmodell
ganz aus Sperrholz für Zeppeline zu bewundern.

Hatte ein Münchner Professor für Graf Zeppelin
als Arbeitsmodel entwickelt, das einige Nachteile
der später zur Anwendung gekommenen Magnesium-
Legierung nicht gehabt hätte. Ist aber auf Initiative
der Metallindustrie nicht in die Planungsphase gekommen.
Holz galt zu der Zeit einfach als wirklich unmodern für
Maschinenkonstruktionen.

Das spätere Unglück wäre für viele Mitreisende schon
sehr viel glimpflicher verlaufen beim Einsatz von Holz
als Tragegerüst für die Hindenburg u.a.m.

Der Trägerrahmen eines Morgan ist aus Stahlprofilen
in Z Form erstellt, hat eine klassische Fischbauchform
und verläuft an der Hinterachse unter den Radträgern.
Aus Eschenholz ist das Rahmengerüst der Beplankung,
das als Gesamtkörper auf den Rahmenträger aufgesetzt
wird, die Hochzeit genannt. Ein recht stabiles und trotzdem
leichtes Oberkleid das bei frühen Modellen mit Stahlblech,
später aber mit Alublechen beplankt worden ist.

Die sehr beeindruckenden Fahrleistungen wurden nur über
das günstige Leistungsgewicht erreicht, der ex- Buickmotor
war eher von der trägen Sorte und schöpfte aus den 3.5L
Hubraum mal gerade 140-160 PS. Diese Literleistung hatte
auch jeder Kadett/Käfer schon zu der Zeit.

Mein kleiner Mittelmotorporsche hatte fast die gleiche
Leistung aus etwa dem halben Hubraum aufzuweisen.
Er wog nach einigem Abspecken etwa 100 Kg mehr, war
aber der antiquierten Konstruktion beim Fahren deutlich
überlegen. Nur auf den ersten 100 mtr. hatte ich keine
Chance gegen den wild gewordenen Oldtimer gehabt.

Liebe Grüsse, Harald
 

Sägenbremser

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Ja Georg das war ein von Rover
zugelieferter kleiner 8V Alumotor.

Konstruiert von General Motors war
er der Sage nach als Rennbootmotor
vorgesehen, aber für US Verhältnisse
zu kostspielig in der Produktion.

Er war sehr kurz gebaut und wurde ein
echter Dauerbrenner nachdem Rover die
Produktion übernommen hatte.

Morgan, MG, Triumph und TVR haben ihn
in ihre kleinen Sportwagen eingebaut.
Trotzdem ein typischer Amimotor der Zeit,
braucht/will keine hohen Drehzahlen haben.

Am Ende wurde er wohl weit über 30 Jahre
lang hergestellt. In meinem durstigen Range-
Rover, noch mit 2 Türen, schauriges Curry was
auch immer Gelb, war er auch unter der Haube.

So gesehen hast du Recht, ist ein von Rover
hergestellter Motor.

Gruss, Harald
 
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