Die optimale Ausbildung

Sägenbremser

ww-robinie
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Da in einem anderen Teil des Forums
schon so heftig über den Meisterzwang
diskutiert/gestritten wird, möchte ich
doch lieber hier fragen, wie ihr euch eine
optimale Ausbildung im Handwerk vor-
stellen könntet. Ob nun selber gute oder
auch schlechte Erfahrungen damit gemacht
zu haben, finde ich schon interessant.

Hier sind doch bestimmt auch Leser, die
noch zu DDR-Zeiten ihre Ausbildung ge-
macht haben. Würde ich gerne etwas mehr
von erfahren, wie das dort behandelt wurde.

Dabei würde es mich sehr freuen, wenn sich
auch jetzt in der Ausbildung stehende, dazu
melden und wir etwas mehr von ihren Wünschen
und Vorstellungen hören könnten.

Liebe Grüsse, Harald
 

sachsejong

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ich geh mal von mir aus- Wessi, Lehre während der Wende

ich habe in Tann/ Rhön also etwa 4 km von der innerdeutschen Grenze entfernt, Holzmechaniker Möbel und Gehäuse gelernt.
Im Betrieb wurde fast nur Massivholz verarbeitet, Ausnahmen Transportkisten und geschweifte Tischzargen. Auch gab es eine grosse Schnitzerwerkstatt, so das wir dort auch zumindest mal über die Schulter sehen konnten.
Sonderanfertigungen sind fast nur in der Lehrwerkstatt passiert, da wurde recht eigenständiges Arbeiten gefordert. Arbeitsproben habe ich nur für mich selbst gefertigt.

Ich fand die Ausbildung ziemlich klasse, habe viel gelernt und viel gemacht, von Lack abkratzen bis zum Schränkchen bauen war alles dabei. Furnieren ist das Einzige, das nicht behandelt wurde, ansonsten war das eine rundum gelungene Sache. Nachdem ich privat einen Drechselkurs gemacht habe, war ich dann auch einer der Wenigen, die an die Drechselbank durften.

Ich fands ziemlich klasse und kann auch heute noch so einiges davon brauchen.
 

Sägenbremser

ww-robinie
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Guten Abend Sachsenjong

aus deinem Namen will meinMac immer
den schönen Sachsenring machen. 3X:emoji_slight_smile:

Das hört sich bei dir ja fast nach der Traumlehre
an, Schnitzen,Drechseln und Massivholz. Macht
der Betrieb das heute immer noch in der Form?

Habe auch recht nahe am antikapitalistischen
Schutzwall gelebt und meine beiden Lehren dort
absolviert. Einer meiner Onkel hatte in der DDR
eine recht gut laufende Tischlerei, aber für mich
als Westler leider kaum erreichbar. Die Ausbildung
zum Dekorateur habe ich mehr im Rausch gemacht,
war halt die Zeit der frühen 69er und wir lebten mehr
auf Demos und feierten danach bis zur nächsten durch.

Beim Tischler war das schon viel ernsthafter und ich hatte
kapiert das die Uhr auch für mich weiterläuft. Zum Glück:emoji_slight_smile:

Wir hatten zu der Zeit einen Modellversuch für die Aus-
bildung laufen - erstes Jahr in der Berufsschule, danach
2 Jahre Betriebliche Ausbildung. In den Schulferien wurde
im Betreib gearbeitet. Ich hatte meinen Ausbildungsvertrag
schon, aber für manche Aspiranten war das auch eine zu-
sätzliche Qualifizierungsmassnahme gewesen. Wie waren
im 2 Lehrjahr nur noch 9 Auszubildende in der Berufsschule,
die Abschlussprüfung haben nur 3 davon bestanden.

Finde das System nicht ganz schlecht, auch wenn die hohe
Durchfallquote eher anderes vermuten läßt. Es war eben eine
Zeit in der nur Überzeugungstäter noch ein Handwerk erlernen
wollten, wir lebten sehr nahe an Wolfsburg/Salzgitter und wer
später gutes Geld verdienen wollte, ging zur Ausbildung zu VW.

Unsere Lehrer/Ausbilder in der Schule waren sehr grosszügig,
ich musste am normalen Unterricht nicht teilnehmen, da ich
zeitgleich meine Abendschule absolviert habe. Dafür durfte ich
meinem praktischen Ausbilder zur Hand gehen und habe bei dem
guten Meister einiges lernen gekonnt was mir später im Beruf noch
viel geholfen hat. Heute schon aus rechtlichen Gründen kaum mehr
vorstellbar, aber zu der Zeit wurde eben viel ausprobiert.

Die betriebliche Ausbildung richtete sich nicht unbedingt an einem
Ausbildungsrahmenplan aus, war eher den betrieblichen Forderungen
unterstellt. Zu meinem Glück haben wir das ganze Programm in der
Werkstatt gehabt. Bis auf Särge wurde da alles gemacht. Eine Woche
Bauelemente, danach ein paar Grossküchenteile, Serienteile in HPL,
Treppen und Innenausbau, es wurde nie langweilig und der Tag hatte
selten weniger als 12 Stunden Arbeitszeit.

Am Freitag kam der Chef mit der Geldbörse und es wurde heftig
gefeilscht um jede Stunde. Auch das war mir eine Lehre, lass niemals
jemanden umsonst arbeiten, da kann die Arbeit noch so attraktiv sein,
zufrieden ist der Mitarbeiter erst wenn er es auch in der Tasche spürt.

Lehrlinge besonders, die Vergütung war zu der Zeit wirklich sehr kümmerlich
im Handwerk. Wir mussten am Wochenende arbeiten gehen, sonst war es nicht
möglich ausserhalb seines Elternhauses zu leben.

Trotz der 6o Stundenwochen haben wir aber eine richtig schöne Zeit erleben
dürfen. Unser Altgesellen hatten ja noch in einer sehr reglementierten Zeit
ihre Ausbildung gemacht, die konnten die Standards des Tischlerhandwerks
richtig gut, aber alles was zu der Zeit neu auf den Markt kam, wurde von
uns in den Betrieb gebracht. Zu der Zeit wurde die Fensterfertigung stand-
arisiert, es wurde auch im Handwerksbetriebe auf verkettete Maschinen
umgerüstet, neue Werkstoffe drängten fast jede Woche auf den Markt.

Es wurde viel Mist ausprobiert, verworfen oder immer wieder
neu definiert. Es gab noch kein Netzwerk, du musstes dir die Finger wund
wählen um an Informationen zu kommen. Wir haben noch Vertreter mit Bier
und Schnaps abgefüllt, bis sie uns Adressen heraus gerückt haben, wo wir
weitere Informationen einholen konnten. Schräge Zeit gewesen.

Liebe Grüsse, Harald
 

ARON

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Moin,

ich habe meine Lehre vor 29 Jahren beendet. Auch bei mir war es so, dass das erste Lehrjahr in der Schule (damals BGJ Holz) absolviert wurde. Die Meister und älteren Gesellen standen dem allerdings sehr skeptisch gegenüber. Ich glaube, der Tischler an sich ist eher konservativ.

Für meine spätere Lehre war das BGJ jedoch sehr hilfreich. Ich habe in einem 'Plattenladen' gelernt. Das heißt, ausschließlich furnierte Spanplatten - mal abgesehen von Anleimern, niemals Massivholzmöbel. Bauelemente gab es auch nicht.

Wäre ich dem Tischlerberuf treu geblieben, hätte ich nach meiner Lehre sehr viel dazulernen müssen.

Generell muss ich sagen, dass meine Ausbildung großer Mist war. Aufgabe der Stifte war:
- Spanplatten-Grobzuschnitt
- Kantenaufreiben (von Hand mit Heizschiene)
- Profilleisten schleifen
- Helfertätigkeiten bei Montagen
- Furnierpresse be- und entladen - Leimwalzen reinigen
- Werkstatt heizen

Unser Altgeselle, der die Einbaumöbel montierte, war ein äußerst cholerischer, aber sehr guter Tischler, bei dem ich sehr viel mit den Augen stehlen konnte und durfte. Bei ihm habe ich das meiste, innerhalb der zwei Jahre, gelernt.

Und weil oben schon das Geld angesprochen wurde, mein Chef war knauserig und geizig. Mein letztes Lehrlingsgehalt musste ich über einen RA anmahnen lassen.

Das Ganze endete dann mit einer 3 im praktischen Teil.

Ich sehe mich heute als den typischen 'Sprungbrett-Tischler', bin aber froh, dass ich diese Ausbildung hinter mich gebracht habe. Man lernt auch aus schlechten Erfahrungen.

Dennoch, mit kollegialem :emoji_wink: ...
 

Sägenbremser

ww-robinie
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Guten Morgen Aron

das klingt wirklich so, wie es nicht sein
darf. Wirklich Schade wenn ein junger
Mensch nicht die Möglichkeit hat solch
ein breites Berufsfeld zu erleben/lernen.

Dein Resümee aus der Lehrzeit klingt
aber trotzdem noch sehr milde.

Ja, das mit dem ersten Jahr Lehre in
Schulform, wurde auch bei mir im Betrieb
als Unsinnig angesehen, aber wir hatten
einen starken Obermeister, der stand da
voll hinter und wir haben den Mann auch
schon im 1.Lehrjahr öfters kennen lernen
dürfen und nicht erst zur Freisprechung.

Liebe Grüsse, Harald
 

ARON

ww-robinie
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Danke Dir für Dein Mitgefühl. :emoji_slight_smile: Wollte aber kein Mitleid provozieren.

Zum ersten Lehrjahr: Mein Sohn ist im ersten Lehrjahr als Zimmermann. Hier ist es - leider - so, dass dieses durch den Betrieb finanziert wird. Um das Basiswissen zu erlangen, hat er natürlich viel Blockunterricht und Lehrgänge. Insgesamt ist er dadurch nur 13 Wochen im ersten Jahr im Betrieb. - Unfassbar!

Dass es überhaupt Betriebe gibt, die sich diese Kosten an's Bein binden, ist aller Ehren wert. Überschläglich 10.000 €. Wenn sich dann ein Stift nach seiner Prüfung dazu entscheidet, zu studieren oder das Berufsfeld zu wechseln, war alles für die Katz.

Einen herzlichen Dank an alle Meister, die sich trotzdem in der Pflicht fühlen, unserer Jugend das traditionelle Wissen weiterzugeben.
 

Stick69

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Hi,

ich habe meine Prüfung vor 25 Jahren abgelegt, ebenfalls in einer Plattenbude, allerdings haben wir fast ausschließlich ziemlich hochwertigen Ladenbau und Privatkundschaft bedient. Des Weiteren hat unser Betriebsmeister damals ziemlichen Wert darauf gelegt, dass die Stifte nicht nur Handlanger der Gesellen waren und uns regelmäßig mit anspruchsvolleren Aufgaben betraut. D.h. mir, oder besser gesagt uns wurde die Gelegenheit gegeben, Möbelstücke von Anfang bis Ende selbst zu fertigen, einschließlich der Fehler, die logischerweise bei einem Stift auftreten können. Positiv war auch, dass das gesamte Arbeitsumfeld trotz des Termindrucks und der Überstunden immer relativ entspannt war.
Selbstverständlich war nicht immer alles eitel Sonnenschein, und die Lehrlinge mussten auch mal die Bude fegen und Bier holen, das hat sich aber in Grenzen gehalten.


Zur eigentlichen Frage: Bei der heutigen Spezialisierung der einzelnen Betriebe könnte ich mir vorstellen, dass man ein Austauschprogramm für Lehrlinge aufstellt. Hier könnten dann Lehrlinge Monats- oder Quartalsweise die Betriebe wechseln, um mal über den Tellerrand gucken, ausserdem sollte man die Betriebe vielleicht ein wenig mehr dahingehend überwachen, dass Stifte nicht nur als Knechte missbraucht werden, sondern innerbetrieblich Abwechslung geboten bekommen, den nur so können die Burschen schließlich etwas lernen.
Wäre nur zu klären wer hier die Verantwortung übernimmt und die Richtlinien festlegt.

so Long

Stick
 

Mitglied 59145

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Hallo,

ich denke die ideale Ausbildung wird es nicht geben, sehr wohl aber gute!!
Dieses abzugrenzen ist bestimmt nicht einfach.

Ich habe in einer kleinen "Massivholz" Tischlerei gelernt und habe fast nur Möbel gebaut.In meiner Ausbildung war ich wohl eher der Teil der kaum zumutbar war.
Hut ab vor der Geduld meines "lehrherren".:emoji_open_mouth:

Es gehören natürlich immer betriebliche Gegebenheiten zu einer guten Ausbildung, aber eben auch der Lehrling.

Ich habe ein Beispiel eines selbstständigen Tischlermeisters, der gerne ausbilden will, doch ernsthafte Probleme mit den letzten 2 Lehrlingen hatte.Im moment ist er sehr glücklich mit seiner Auszubildenden, wollte aber eigentlich wegen "verlorenem Glauben an die junge Generation" nicht mehr Ausbilden.

Ich meine halt es gehören immer min. 2 dazu.....

gruss aus dem Weserbergland
 

Torsten81

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Hallo zusammen

Ich habe meine Ausbildung zum Schreiner vor elf Jahren abgeschlossen.
Glücklicherweise noch in einem richtig familiären Handwerksbetrieb, der zwar viel gefordert hat aber auch viel gegeben hat und wovon ich auch heute noch sehr zehren kann.

Ganz klassisch war der Seniormeister, seine Tochter übernahm während meiner Lehrzeit den Betrieb und setzte ganz auf modernen Elemente.
Verarbeitet wurde überwiegend Massivholz, Plattenwerkstoffe hatten ihre Berechtigung, wurden aber nach Möglichkeit gemieden.
Ich habe die klassischen Holzverbindungen noch richtig intensiv gelernt und so war es für mich zb. normal das Schubkästen generell von Hand gezinkt werden. Das ist mir direkt in Fleisch und Blut übergegangen und so war es für mich bereits im zweiten Lehrjahr normal, dass ich keine "komplizierten" Berechnungen durchführte sondern per Augenmaß meine Einteilung aufskizzierte und direkt loslegte. Kam in der Berufsschule natürlich nicht gut an aber gepasst hat es zum Mißfallen der Lehrer trotzdem immer:emoji_grin:.

Es war auch normal das man gemeinsam in den Wald gegangen ist und dort noch die Bäume selbst ausgesucht und gefällt hat. Wenn die Stämme dann mit dem Sprinter (der hat teils böse gelitten) zur Schreinerei gebracht worden waren, kam das mobile Sägewerk und es wurde nach Angabe vom Senior eingeschnitten, entrinden und aufhölzeln war natürlich Lehrlingssache, zu zweit aber eine böse Schufterei.
Spaß gemacht hat es trotzdem und auch alte Techniken wie das Fausten konnten wir ausprobieren, danach war uns dann auch klar warum der Senior gegrinst hatte als er uns 80er Eiche dafür empfohlen hatte.

Neben klassischen Möbelbau und Restauration gab es auch Elemente aus der Bauschreinerei und Bestattungen.
Trotz aller Tradition hatte mein Seniormeister auch die Weitsicht mir neue Dinge zu erlauben und hatte es mir auch ermöglicht an einem Austausch mit französischen Lehrlingen teilzunehmen. Nicht selbstverständlich, denn ich war einen Monat nicht im eigenen Betrieb sondern in der Provence.

Ich bin froh und dankbar meine Lehre, im Gegensatz zu vielen meiner Mitlehrlinge, noch so "klassisch" erlebt zu haben. Viele von ihnen standen den ganzen Tag nur an einer Maschine und haben Knöpfchen gedrückt. Vor allem bei den Arbeitsproben war dieser Unterschied dann deutlich bemerkbar.

Aus eigenem Interesse habe ich mittlerweile verschieden Facetten dieses wunderbaren Berufes erkundet, empfinde aber meine Lehrzeit und das Jahr danach als Geselle in meinem Lehrbetrieb nach wie vor als das Nonplusultra, was ich habe machen dürfen.

MfG Torsten
 

Sägenbremser

ww-robinie
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Hallo Stick

wenn man so wie Thorsten gelernt hat, war
ein Ausbildungsrahmenplan schon fast egal.

Aber diese Mindestanforderung an die Inhalte
der Ausbildung ist seit Sommer 1977 als Ver-
ordnung in Kraft getreten. Bei mir also noch
nicht, bei Aron hätte er schon greifen müssen.

Unterschreiben tun beide Teile auf jeden Fall,
bei veränderten betrieblichen Ausrichtungen,
sollte es eigentlich einen eigenen Ausbildungs-
plan geben. Nachträglich kontrollieren kann das
eigentlich jeder, wenn das Berichtsheft halbwegs
wahrheitgerecht geführt/unterschrieben wurde.
Das kommt aber meistens nur zum Einsatz wenn
es bei der Abschlussprüfung richtig in die Hose
gegangen war. Also zu spät.

Denke die aktuelle Fassung ist von 2006. Über
Austausch von Auszubildenden, um die nicht im
eigenen Betrieb möglichen Inhalte zu vermitteln,
gab es mal einen Artikel im DDS. Die meisten
kleineren Betriebe haben der Form sehr positiv
gegenüber gestanden erinnere ich mich noch.

Gruss, Harald
 

Holz-Christian

ww-robinie
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Hallo zusammen.

Ich hab meine Lehre vor 19 Jahren beendet.
Gelernt hab ich in einer kleinen Bau und Möbelschreinerei.
Der Meister war zwar streng, aber fair.
Schon früh musste man als Lehrling kleinere Aufträge selbständig ausführen.
Ging was schief, gabs Rüffel, passte das Ergebnis, gab es ein ordentliches Lob, und man wurde beim Auftraggeber extra erwähnt, bzw. man durfte das Stück persönlich übergeben.

Einziger Wehrmutstropfen war ein "Radfahrender" 1. Geselle.
Der gute Mann hat nach oben scheinheilig gebuckelt, und nach unten getreten.

Auch ich hab noch handgezinkte Schubläden für eine Kundschaft fertigen dürfen.

Rückblickend finde ich auch das BGJ als sehr positiv, wenngleich heutzutage hobeln von Hand, traditionelle Holzverbindungen usw. nicht mehr zeitgemäss erscheinen mögen.
Aber man bekam ein Gefühl für die Eigenheiten des Werkstoffs Holz.
Denn: Was nützen mir CNC Kenntnisse und Maschine, wenn ich nicht weiss, wann ich Gegenlauf, oder besser Gleichlauf fräsen muss.

Schöne Grüsse, Christian.
 

Gnampf

ww-kirsche
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Schönes Thema!
Meine Ausbildung liegt nun auch schon 27 Jahre zurück; kleine Bau und Möbeltischlerei, hauptsächlich Fenster und Treppen, einziger Lehrling.
Tägliche Aufgaben waren: Frühstück besorgen (Bildzeitung für Helmut, Kakao für Gerd und eine kleine Flasche Korn für Günther - als wäre es gestern gewesen...),
im Winter Werkstatt warmmachen und warmhalten (ganz wichtig - Filtermatte ausklopfen) sowie Transporter be- und entladen und natürlich Hilfestellung bei Montagen.
Sehr umfassend war das nicht und ohne das BGJ im Vorfeld hätte ich ganz schön alt ausgesehen.
Mittlerweile bin ich selber als Ausbilder bei einem privaten Bildungsträger angestellt. Bei Gesprächen mit Tischlermeistern während Praktikumsbesuchen, stellen wir immer wieder fest,
dass viele Betriebe unzufrieden sind mit den theoretischen Leistungen ihrer Auszubildenden. Da sind dann schon mal Noten von 5 + 6 in der Zwischenprüfung. Es wird händeringend nach gutem Nachwuchs gesucht!
Das führt dann u.U. zur Resignation in den Betrieben und es wird nicht mehr ausgebildet. Auf der anderen Seite gibt es die größeren Betriebe, die ständig Nachwuchs ausbilden - vorwiegend für den Eigenbedarf.
Ich denke, das sich viele Betriebe wirklich Mühe bei der Ausbildung geben, denn sie investieren damit in ihre eigene Zukunft.

Die perfekte Ausbildung würde vom Ausbildungsbetrieb hohe Flexibilität erfordern um allen Ausbildungsinhalten (laut Ausbildungsrahmenplan) den Raum zu geben, den sie benötigen.
Ich denke da an Metall - und Kunststoffverarbeitung parallel zu umfassender Oberflächenbearbeitung, Furnieren usw., das ganze Programm eben. Für kaum einen Betrieb machbar.
Für mich ist die einjährige Berufsfachschule (ehem. BGJ) ein wichtiger Bestandteil jeder Ausbildung.
Gerade in der Theorie können hier noch Schwächen erkannt werden (aber leider kaum ausgebügelt) und praktisch wird ein Mindestmaß an handwerklicher Fähigkeit vermittelt.
In der weiteren, betrieblichen Ausbildung müsste ein Austausch unter Betrieben stattfinden, um Defizite in Art und Umfang der nötigen Inhalte zu schaffen. Wünschenswert wäre eine Unterstützung der Auszubildenden
in Fachtheorie, Mathe, usw. (können die Berufsschulen nicht leisten). Welcher Betrieb nimmt sich schon Zeit für Nachhilfestunden? Einige wenige Betriebe investieren tatsächlich in Nachhilfe - kurz vor den Prüfungen.
Jedoch, mit wenigen Stunden ist da nicht viel geholfen.

Wir bilden Jugendliche mit Lernbehinderung zum "Fachpraktiker/in für Holzbearbeitung" (früher: Tischlerhelfer) aus. Das wird von der "Arbeitsagentur" finanziert. Eigentlich eine gute Sache aber die Chancen auf eine
Ausbildungsnahe Vermittlung sind nicht besonders hoch. Diese Jugendlichen sind wirklich auf JEDE! Art von Hilfe angewiesen um eine Berufsausbildung zu erlangen.
Für den "normalen" Auszubildenden in der freien Wirtschaft gibt es da die "abh" (Ausbildungsbegleitende Hilfen), von der Arbeitsagentur angeboten. Meines Wissens nach wird das noch zu wenig genutzt.
 

Gast aus Belgien

ww-robinie
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Auf spezielen Wunsch :emoji_grin:
Leider kann ich über die Ausbildung in Belgien aus eigener Erfahrung nichts berichten, ich bin ja erst später nach hier ausgewandert.
Meinen Facharbeiter Zerspanungstechnik habe ich in dem durch meinen Vater geleiteten Betrieb gemacht. Grosser Vorteil war, dass dort sporadisch Kleinserien produziert wurden, aber hauptsächlich Prototypenbau für den Automobilbau den Vorrang hatte. Das ergab natürlich eine sehr fundierte und sehr breite Ausbildung.
Drehen, Fräsen, Bohren, Schneiden, Stanzen, Matrizenbau, Maschinenbau (die erste Füllmaschine für die Nivea-Blechdosen mit automatischer Versiegelung wurde dort als Versuch gebaut), es kamen wirklich alle Fazetten der Metallbearbeitung auf mich zu.

Ich hatte dort auch die Möglichkeit meinen MIG/MAG/TIG - Schweisserbrief erwerben zu können.
Die Körper der hinteren Radaufhängung der beiden Porsche 936 Werkswagen in den 24 Stunden von Le Mans (mit am Steuer unter anderem Jacky Ickx) sind unter meinen Händen entstanden.

Danach habe ich noch mein Abitur benützt um ein Studium zu absolvieren, das hat ja aber mit einer Ausbildung im gefragten Sinn eigentlich nichts mehr zu tun.
Auch dass ich danach meine Nase noch in andere Berufe gesteckt habe und ich dann meinen Frieden, meine Freiheit und meine Freude hinter dem Steuer eines 44-Tonners gefunden habe ist dann auch wieder etwas ganz Anderes.
 

Sägenbremser

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Hallo Harald

du machst das aber auch schon lange:emoji_slight_smile:

War das 1977, als Jackie den jungen Barth die letzten
Runden ins Ziel fahren liess. Schon die Geräusche des
fast kollabierten Motors beim Zieleinlauf, was ein Fest.
War ich auch an der Sarthe, markentreu mit meinem
orangen 914/6 den ich mir mal als Unfallwagen kurz
vor der Gesellenprüfung angelacht hatte. Eine echte
Dauerbaustellen, der aber Spass ohne Ende bereitet,
wenn er mal richtig rennen darf.:emoji_slight_smile::emoji_slight_smile::emoji_slight_smile:

Ein 914 mit Skiträger und Treppenwangen drauf, war
immer eine Nummer für die Wochenendkundschaft.
Mußte zwar 2-3mal fahren um alles vor Ort zu haben,
aber wir waren ja schneller wieder zurück :emoji_grin:

Mein Alterstraum war ja noch etwas gewichtiger, wäre
so gerne noch Binnenschiffer geworden. Partikulier bin
ich zwar, leider aber jetzt ohne Frachtschiff.:rolleyes:

Liebe Grüsse, Harald
 

WoodenCarpenter

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Hallo ARON,

normalerweise gibt es für die Ausbildungsbetriebe einen Zuschuss von der SOKA-Bau in Wiesbaden. So war es jedenfalls bei mir als ich noch selbständig war und ausgebildet habe.

Da wurde das 1. Lehrjahr zu 100 %, das 2. Lehrjahr zu 66% und das 3. Lehrjahr zu 33% bezuschusst. Ob das noch so ist weiß ich nicht, gehe aber davon aus. Ob jetzt die Prozentzahlen genau stimmen weiß ich auch nicht mehr, aber das ist ja relativ irrelevant. Klar kostet die Ausbildung was, aber der Betrieb hat zumindest die Hoffnung sich den Nachwuchs selbst nachzuziehen.

Meine Lehre sah so aus, daß ich zuerst das BGJ Bautechnik absolvierte (1988) und dann zwei betriebliche Lehrjahre mit Blockunterricht in der Berufsschule und der Überbetrieblichen Ausbildungsstätte der HWK machte. Gelernt hab ich in einem Familienbetrieb (drei Meister, ein Geselle. Vater und drei Söhne). Die Ausbildung war gut aber teilweise stressig, jeder wußte einen anderen Arbeitsablauf...

1996 belegte ich dann einen Meisterkurs an einer Berufsfachschule den ich 1997 dann mit dem Titel Meister im Zimmererhandwerk abschloss.

In meinem Ausbildungsbetrieb wurde das erlernen der notwendigen Fertigkeiten und Kenntnisse hoch angesiedelt, die Meister nahmen sich normalerweise für jeden Arbeitsschritt die Zeit ihn zu erklären und auf Fragen einzugehen. Wenn von der Arbeit her zu viel Stress war um dies zu klären wurde ich dazu "verdonnert" die Werkstatt am Samstag Vormittag auf Vordermann zu bringen. Was allerdings bis zur Brotzeit im Normalfall erledigt war. Die restliche Zeit bis Mittag nahm sich dann einer meiner Meister die Zeit, diverse Aufrisstechniken oder das Ausarbeiten verschiedener Hölzer für Dachstuhlmodelle mit mir zu üben.

Und als Ergänzung dazu hatte ich einen Ausbilder in der Überbetrieblichen Ausbildung der sich nochmal extra die Zeit nahm wenn jemand Interesse zeigte. Der Mann hatte (oder vielmehr hat noch, er bildet immer noch aus) richtig Ahnung wie man das Wissen (und nicht nur das 08/15-Zeugs, das für die Prüfung benötigt wird, da wurden auch anspruchsvollere Sachen gemacht) bei der Jugend "an den Mann" brachte... An Ihn konnte ich mich auch nach meiner Ausbildung noch wenden wenn ich explizite Fragen hatte, z. B. Steigende Pfetten oder ähnliches. Ihm gilt auch mein besonderer Dank, aber das weiß er... :rolleyes:
 

Gast aus Belgien

ww-robinie
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Kurz OT um meinem Namensvetter seine Antwort zu geben :emoji_grin:
Ja, das war die Materialschlacht mit trotzdem dem kompletten Werksteam auf dem Podium. Ich war zwar nicht dabei, aber wir folgten den Rennverlauf über Kurzwelle auf dem Transistorradio.

Zurück zum Thema, meine Ausbildung in diesem Betrieb war eine Ausnahmesituation, normalerweise wurden keine Lehrlinge ausgebildet. Ich konnte da nur reinrutschen weil mein Vater dort Betriebsleiter war und ich dort vorher schon gejobt hatte. Dadurch konnte von Anfang an normal mitdrehen und wenn ich doch mal auf dem Schlauch gestanden habe konnte ich auf die Hilfe meiner Kollegen rechnen.
 

Fiamingu

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Ghisonaccia, Korsika, Frankreich
Mir wurde bei meiner zweistufigen Ausbildung (Belgisch)
zum Schreiner der Unterschied zwischen den Ländern
Europas sehr gut gezeigt. Als Kind eines Berufssoldaten
im Ausland wurde ich während der Schulzeit (Ganztagsschule)
ohne Druck zum Schreiner ausgebildet. Nach dieser dreijährigen
Ausbildung mit Gesellenprüfung wurde mir in Deutschland der
Berufseinstieg verwehrt da der Gesellenbrief nicht anerkannt
wurde. Fazit war, wenn ich weiterhin den Beruf ausüben wollte,
nochmals in Deutschland das Schreinerhandwerk erlernen.
Nach langer Suche fand ich einen Betrieb (Industrielle Fertigung
von Schulmöbeln) der mich als Stift ausbilden wollte. Dort hatte
der Lehrling sich nach Lehrplan mit Hilfe der in der Produktion
eingebundenen Altgesellen, der Ausbildungsmeister war für
die Endkontrolle der Produktion zuständig, quasi selbst
auszubilden. Hätte ich damals gewusst das der Betrieb kurz
vor dem Bankrott steht hätte ich mich anders orientiert.
Dadurch war eine übernahme nach der Lehre gestorben.
Eines muss ich allerdings zugeben. Eine Ausbildung in
der Schule ohne Einblick in die Realität des Gewerbes ist
nicht mit einer betrieblichen Ausbildung gleichzusetzen.
Insgesamt wahren es für mich 5 Lehrjahre. Diese gingen
durch die Fachrichtungen Türen, Fenster, Treppen und
Zimmerei sowie Möbelbau von Deutscher Seite. Dazulernen
werde ich immer da das Leben ein ständiger Lernprozess
ist. Mein Herz wird immer für den edlen Werkstoff Holz schlagen.
 
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