Guten Abend Sachsenjong
aus deinem Namen will meinMac immer
den schönen Sachsenring machen. 3X
Das hört sich bei dir ja fast nach der Traumlehre
an, Schnitzen,Drechseln und Massivholz. Macht
der Betrieb das heute immer noch in der Form?
Habe auch recht nahe am antikapitalistischen
Schutzwall gelebt und meine beiden Lehren dort
absolviert. Einer meiner Onkel hatte in der DDR
eine recht gut laufende Tischlerei, aber für mich
als Westler leider kaum erreichbar. Die Ausbildung
zum Dekorateur habe ich mehr im Rausch gemacht,
war halt die Zeit der frühen 69er und wir lebten mehr
auf Demos und feierten danach bis zur nächsten durch.
Beim Tischler war das schon viel ernsthafter und ich hatte
kapiert das die Uhr auch für mich weiterläuft. Zum Glück
Wir hatten zu der Zeit einen Modellversuch für die Aus-
bildung laufen - erstes Jahr in der Berufsschule, danach
2 Jahre Betriebliche Ausbildung. In den Schulferien wurde
im Betreib gearbeitet. Ich hatte meinen Ausbildungsvertrag
schon, aber für manche Aspiranten war das auch eine zu-
sätzliche Qualifizierungsmassnahme gewesen. Wie waren
im 2 Lehrjahr nur noch 9 Auszubildende in der Berufsschule,
die Abschlussprüfung haben nur 3 davon bestanden.
Finde das System nicht ganz schlecht, auch wenn die hohe
Durchfallquote eher anderes vermuten läßt. Es war eben eine
Zeit in der nur Überzeugungstäter noch ein Handwerk erlernen
wollten, wir lebten sehr nahe an Wolfsburg/Salzgitter und wer
später gutes Geld verdienen wollte, ging zur Ausbildung zu VW.
Unsere Lehrer/Ausbilder in der Schule waren sehr grosszügig,
ich musste am normalen Unterricht nicht teilnehmen, da ich
zeitgleich meine Abendschule absolviert habe. Dafür durfte ich
meinem praktischen Ausbilder zur Hand gehen und habe bei dem
guten Meister einiges lernen gekonnt was mir später im Beruf noch
viel geholfen hat. Heute schon aus rechtlichen Gründen kaum mehr
vorstellbar, aber zu der Zeit wurde eben viel ausprobiert.
Die betriebliche Ausbildung richtete sich nicht unbedingt an einem
Ausbildungsrahmenplan aus, war eher den betrieblichen Forderungen
unterstellt. Zu meinem Glück haben wir das ganze Programm in der
Werkstatt gehabt. Bis auf Särge wurde da alles gemacht. Eine Woche
Bauelemente, danach ein paar Grossküchenteile, Serienteile in HPL,
Treppen und Innenausbau, es wurde nie langweilig und der Tag hatte
selten weniger als 12 Stunden Arbeitszeit.
Am Freitag kam der Chef mit der Geldbörse und es wurde heftig
gefeilscht um jede Stunde. Auch das war mir eine Lehre, lass niemals
jemanden umsonst arbeiten, da kann die Arbeit noch so attraktiv sein,
zufrieden ist der Mitarbeiter erst wenn er es auch in der Tasche spürt.
Lehrlinge besonders, die Vergütung war zu der Zeit wirklich sehr kümmerlich
im Handwerk. Wir mussten am Wochenende arbeiten gehen, sonst war es nicht
möglich ausserhalb seines Elternhauses zu leben.
Trotz der 6o Stundenwochen haben wir aber eine richtig schöne Zeit erleben
dürfen. Unser Altgesellen hatten ja noch in einer sehr reglementierten Zeit
ihre Ausbildung gemacht, die konnten die Standards des Tischlerhandwerks
richtig gut, aber alles was zu der Zeit neu auf den Markt kam, wurde von
uns in den Betrieb gebracht. Zu der Zeit wurde die Fensterfertigung stand-
arisiert, es wurde auch im Handwerksbetriebe auf verkettete Maschinen
umgerüstet, neue Werkstoffe drängten fast jede Woche auf den Markt.
Es wurde viel Mist ausprobiert, verworfen oder immer wieder
neu definiert. Es gab noch kein Netzwerk, du musstes dir die Finger wund
wählen um an Informationen zu kommen. Wir haben noch Vertreter mit Bier
und Schnaps abgefüllt, bis sie uns Adressen heraus gerückt haben, wo wir
weitere Informationen einholen konnten. Schräge Zeit gewesen.
Liebe Grüsse, Harald