Biedermeier Stuhl?

Ines R.-G.

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Hallo, liebe Woodwoorker,

eure erfahrene Meinung ist hier gesucht.
Von einer Freundin habe ich einen Biedermeierstuhl, den sie mit einem Biedermeiersekretär geerbt hat, zum Leimen bekommen. Der Stuhl ist sehr wackelig.
Nach genauerem Ansehen, habe ich aber nun meine Zweifel, ob es eine Antiquitäten ist oder doch nur eine Replika.
Stutzig macht mich zunächst die Sitzpolsterung und dass der Stuhl auch noch mit Nitrolack überzogen ist. Könnte beides Folge einer früheren „Restaurierung“ sein?
Aber auch die Lehne finde ich seltsam gestückelt. Da sind doch Risse vorprogrammiert!
Mich würde eure Einschätzung sehr interessieren.
Vielen Dank im Voraus. FC8880B6-8371-4DE0-A9BF-885E625233FE.jpeg 1885FA70-61B6-45FD-8A30-08A449053324.jpeg 09036C36-3565-4D04-8B55-2B3D6A03A087.jpeg 9C2BEC45-9806-4BA4-991A-6FDA4252F74A.jpeg
 

dascello

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Stilistisch und in der Materialwahl stimmt das schon. Aber das Poster ist wohl später und, wenn es wirklich Nitrolack ist, dann ist auch der später draufgespritzt worden.
Das Wackeln kann man in den Griff bekommen, ist aber ne Aufgabe . Bedenke aber: Diese Stühle sind fürs brave und gerade Sitzen am Esszimmertisch gebaut worden. Kaum jemand war mehr als 90 kg schwer. Wenn sich heute ein 120-kg-Mann darauf rumfläzt, kein Wunder dass der ausm Leim geht!

Gruß

Michael
 

welaloba

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Ordentlich entwackeln kannst du diesen Stuhl nur, wenn das Polster raus ist.
Dann wird es gelingen, die vorderen und hinteren Zapfen der seitlichen Zargen neu zu verleimen. Mögliche Weißleimreste entfernen. Das kann mit Heißluftfön funktionieren.
Auf gutes Gelingen.
 

dascello

ww-robinie
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Ich habe diesen Sommer eine Replik des Rotblauen Rietveld-Sessels entwackelt.
War ne Aufgabe, derer ich mich an einigen Stellen nur mit dirty Trick ( sprich: PU-Leim) entledigte.
Jetzt wackelt er nicht mehr. Aber für ein Schwergewicht wie mich selbst ist der nix.
 

wirdelprumpft

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Zum Leimen
Möglichkeit 1
außeinanderbauen und alles neu Verleimen am besten mit PU-Kleber da muss man allerdings Abkleben damit angrenzende Flächen nicht mit dem PU in Kontakt kommen
zum Verleimen vorne-hinten am besten 2 Durchgängige Zulagen verwenden also ca. 600 mm lang

Möglichkeit 2
Risiko das was kaputt geht ist da deutlich geringer
mit einem 3 - 5 mm Bohrer schräg von unten bohren so das man in der Zargenmitte landet möglichst so das man neben dem Zapfen/Dübel landet
dann z.b. mit Allcon 10 oder Lackleim Kleber durch das Loch dabei mit Stuhlbein etwas wackeln und dann mit Zwingen Spannen oder
noch durch jeden Verstärkungsklotz Rechtwinklig ein Loch Bohren und dann das Stuhlbein festschrauben
Stuhlbeine mit Möbelgleiter passend zum Bodenbelag ausstatten ist auch kein Fehler
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welaloba

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Pu Kleber nenne ich immer "LETZTE ÖLUNG", danach geht nichts mehr. Ich verwende wegen der Nachhaltigkeit in der Regel Fischleim, 24 Std. trocknen lassen!
Möglichkeit 2 grenzt an Zerstörung, auch wenn das Teil wenig Wertschätzung wegen dem Nitrolack erfährt
 

wirdelprumpft

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Pu Kleber nenne ich immer "LETZTE ÖLUNG", danach geht nichts mehr. Ich verwende wegen der Nachhaltigkeit in der Regel Fischleim, 24 Std. trocknen lassen!
Möglichkeit 2 grenzt an Zerstörung, auch wenn das Teil wenig Wertschätzung wegen dem Nitrolack erfährt
Ja, die 2 Möglichkeit ist halt ne Reparaturmöglichkeit die funktioniert und bei vielen Stühlen die einzige Möglichkeit darstellt.
Ist natürlich keine Option wenn es darum geht den Wert eines Antiken Möbels zu erhalten da ist das der völlig falsche Weg aber der Fragesteller wollte ja Leimen und nicht Restaurieren

das Problem ist man muss den Stuhl erst mal auseinander bekommen ohne dabei mehr Schaden anzurichten
und mehr Schaden anrichten geht manchmal recht schnell - ich hab schon genügend Stühle geleimt von daher wenn es nicht bei leichten gefühlvollen Schlägen mit Gummihammer bzw. Hammer und Zulage auseinander geht würde ich sofort Möglichkeit 2 nehmen -
hatte da alles an Schäden mal ist das Stuhlbein gerissen mal die Zarge, die Zapfen scheren auch recht gerne ab usw. dann darf man das auch noch mit Instandsetzen was aufwendig werden kann da man Farbton und Lackierung treffen muss etc.
und dann werden aus 15 min. schnell mal ein paar Stunden….
 

welaloba

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Ich sagte wohl schon, das Polster muss raus und die Ecken / Dreiecke ebenfalls. Erst dann kommst du an die Zapfen, um diese neu zu verleimen. Ist immer noch die Methode "reparieren". Zum restaurieren gibts an dem Teil eher wenig.
 

herr bauleiterin

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Hallo,
ich finde ihn, wie alt auch immer, schön genug, um ihn nicht mit PU zu traktieren.
Vorsicht und beim Nachleimen auf deine ebenen Fläche spannen (Hobelbank, Platte auf Maschinentisch), und wenn es geht, können auch 6-8mm Dübel von innen gebohrt und eingeleimt werden.
Es kommt auch darauf an, ob die alten Verbindungen aus dem Leim sind, dann stabilisiere ich die gerne mit Dübeln, die von Außen nicht zu sehen sein sollen, oder ob er nur wackelt, weil die Beine nicht gleichlang / gleichgeneigt /gleichabgenutzt sind. Dann auf die ebene Fläche spannen und mit feiner Säge (ohne Rücken) zwischensägen. Wenn du es besonders genau haben willst, legst du eine Wasserwaage auf den Stuhl.
 

Ines R.-G.

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Hallo,

herzlichen Dank für eure Ratschläge.

Die Frage, wie viel Aufwand ich beim Stabilisieren betreiben möchte, möchte ich davon abhängen lassen, ob der Stuhl Original oder Replika ist. (Der ist nämlich auch sehr unbequem, die Rückenlehne ist alles anders als ergonomisch geformt).

Es sind ja nicht nur die Beine zu Leimen, sondern auch der Riss an der oberen Rückenlehne. Bei den Biedermeierstühlen, die ich in der Art kenne, besteht die obere Rückenlehne aus einem einzigen Holzstück und nicht aus drei Stücken mit einer zusätzlichen Leiste, die quer darauf verleimt ist und anders arbeitet.

Wenn der Stuhl nicht alt ist, würde meine Freundin nach einem älteren passend zum Sekretär suchen. Der vorgestellte wird dann wenig aufwändig repariert.

Wie könnte ich denn genau feststellen, ob es einen antiken Stuhl ist?

Hier noch ein paar Fotos mehr:
 
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Mathis

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Für mich sieht der Stuhl wie eine eher schlecht gebaute Replik aus, zu klobig alles, nichts wirklich fein gemacht, das Furierbild der Lehne stimmt nicht, der Zapfen des linken Beins vorne ist sauschlecht eingesägt, auf der Vorderzarge meine ich inne Maschinelle Sägespuren zu erkennen, die Schlitze an der Unterseite der Rückenlehne für die drei Streben sieht maschinell gefräst aus, jedenfalls nicht gestemmt, alles in allem ein solch schlecht und tölpelhaft gebauter Stuhl, dass ich nicht an eine Entstehung vor 1900 glaube.

Pu Kleber nenne ich immer "LETZTE ÖLUNG", danach geht nichts mehr. Ich verwende wegen der Nachhaltigkeit in der Regel Fischleim, 24 Std. trocknen lassen! Möglichkeit 2 grenzt an Zerstörung, auch wenn das Teil wenig Wertschätzung wegen dem Nitrolack erfährt.
Ja, da kann ich nur zustimmen, das ist der letzte Murks und die letzte Ölung auch.
mit einem 3 - 5 mm Bohrer schräg von unten bohren so das man in der Zargenmitte landet möglichst so das man neben dem Zapfen/Dübel landet
dann z.b. mit Allcon 10 oder Lackleim Kleber durch das Loch dabei mit Stuhlbein etwas wackeln und dann mit Zwingen Spannen oder
noch durch jeden Verstärkungsklotz Rechtwinklig ein Loch Bohren und dann das Stuhlbein festschrauben
Sowas nenne ich die unwiderrufliche Hinrichtung, danach geht gar nichts mehr. Absolut laienhaftes Gestümpere, was dann jede weitere Instandsetzung unmöglich macht, da kann man dann auch gleich noch ein paar Spaxe durch die Verbindungen bohren und zukitten. Schlimmer gehts nicht....
 

dascello

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Einen biedermeierlichen Einzelstuhl kriegt man für einen kleinen Taler. Ist dann wohl der bessere Weg.
 

derdad

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Für mich sieht er nach Original aus, an dem es ein Tischler (kein Restaurator) zu gut meinte.
Alle Kanten sind stark gerundet, so wie man es als Lehrling vor einiger Zeit gelernt hat (heutzutage bevorzugt man eher "eckige" Kanten). Auch der Anleimer am oberen Lehnenstück ist zu breit. Der wäre überfurniert und nicht mit Halbrundung versehen.
Und natürlich der Lack passt nicht.
Ansonsten wäre mein Gefühl bei Original.
LG Gerhard
 

IngoS

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Hallo,

mir sieht die Rückenlehne so aus, als ob sie mit starkem Furnier belegt ist. Wie es da zu dem tiefen Riss gekommen ist, müsste man genau untersuchen. Aber die Leiste oben und von unten sieht die Rückenlehne auch seltsam aus.

Gruß Ingo
 

wirdelprumpft

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Für mich sieht der Stuhl wie eine eher schlecht gebaute Replik aus, zu klobig alles, nichts wirklich fein gemacht, das Furierbild der Lehne stimmt nicht, der Zapfen des linken Beins vorne ist sauschlecht eingesägt, auf der Vorderzarge meine ich inne Maschinelle Sägespuren zu erkennen, die Schlitze an der Unterseite der Rückenlehne für die drei Streben sieht maschinell gefräst aus, jedenfalls nicht gestemmt, alles in allem ein solch schlecht und tölpelhaft gebauter Stuhl, dass ich nicht an eine Entstehung vor 1900 glaube.


Ja, da kann ich nur zustimmen, das ist der letzte Murks und die letzte Ölung auch.

Sowas nenne ich die unwiderrufliche Hinrichtung, danach geht gar nichts mehr. Absolut laienhaftes Gestümpere, was dann jede weitere Instandsetzung unmöglich macht, da kann man dann auch gleich noch ein paar Spaxe durch die Verbindungen bohren und zukitten. Schlimmer gehts nicht....

Schön das du deine Meinung so nett ausgedrückt hast - aber danke für die Bestätigung das diese Art der Verleimung sehr dauerhaft ist.
Das mit den Spax sichtbar ist ne Variante aber dann bitte mit Querholzzapfen.… :emoji_wink:

zum Thema letzte Ölung - scheinbar hat von euch noch keiner einen Stuhl bekommen der vom Kunden mit Uhu aus der Tube geleimt wurde….
 

Ines R.-G.

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Hallo,

danke für eure Einschätzungen. Da sieht man, wie schwer es ist ohne Untersuchung vor Ort das Alter eines Stückes zu bestimmen. :emoji_wink:

Die obere Rückkenlehne ist nicht furniert sondern massiv, wie der gesamte Stuhl.

Ich werde den nun doch auseinandernehmen - zwei Beine sind sowieso schon ganz locker - und die vorderen und hinteren Zapfen und die seitlichen Zargen neu mit Hasenleim verleimen. Ich hoffe, es glückt mir. PU-Kleber ist mir wirklich zu schade.

Nochmal vielen Dank an alle und viele Grüße

Ines
 

welaloba

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Hasenleim wird keine Fehlstellen bei Schlitz - Zapfenverbindungen überbrücken, da gibt es aber immer die Möglichkeit, Furniere in passender Stärke mit einzuleimen.
 
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