Bauerntruhe von 1821 aufarbeiten

fine01

ww-pappel
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Hallo liebe Profis,

durch Zufall bin ich in den Besitz einer alten Flachdeckeltruhe aus dem Raum Hildburghausen (Thüringen) gelangt. Sie diente jahrelang als Futterkiste, stand danach ungenutzt auf dem Dachboden und sollte nun entsorgt werden.

Es handelt sich lt. Recherchen um eine "Schnetter Truhe", die auf dem Sockel einen Spruch (welchen?) und die Jahreszahl 1821 enthält.

Schnetter Truhe - Beschreibung durch das Museum für Thüringer Volkskunde Erfurt:

"Gegen Ende des 18. Jahrhunderts hatte sich im Raum Schnett eine `Landinnung der Schreiner im Raum Eisfeld´ gebildet, die sich zunehmend auf die Herstellung preiswerter bemalter Weichholzmöbel spezialisierte. Exportbeschränkungen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts beschnitten immer wieder die Ausfuhr vor allem nach Hessen und Franken. Wachsende Mobilität, Eisenbahn und Gewerbefreiheit ließen jedoch ein Produkt zum Verkaufsschlager werden:
Schnetter Truhen. Sie wurden hauptsächlich von Dienstboten zur Aufbewahrung ihrer Habe benutzt."

Die Truhe wurde in einfachster Bauart (zusammengesteckt und genagelt), vermutlich aus Fichtenholz gefertigt. Der Deckel enthält oben nur noch Spuren der blau-braunen Bemalung, der Rest ist ausgeblichen / abgerieben. Ein Teil des Deckels (oben rechts) ist durch Abdrücke beschädigt worden, die event. von Stühlen mit Metallfüßen herrühren, die einst darauf standen. Die Frontleiste am Deckel wurde angenagelt, ist aber locker und - vermutl. ohne noch mehr Schäden zu verursachen - nicht zu entfernen. Die Scharniere sind rostig und ebenfalls angenagelt.

Die Farbe / einstige Bemalung - mit stilisierter Lilie? - ist links ausgeblichen, rechts aber noch gut zu sehen. Vorn ist die Truhe dreigeteilt, es fehlt eine kleine Zierleiste. Die Bemalungen sind ebenfalls noch gut erkennbar, nur das Motiv in der Mitte kann ich nicht deuten. Es sieht wie eine Raupe aus :emoji_wink:

Die untere Leiste ist beschädigt / an mehreren Stellen angestoßen.

Es geht mir vor allem darum, die Malereien zu erhalten und die Truhe stoß-, kratz- und wasserfest zu machen. Außerdem möchte ich den Rost entfernen, den Deckel oben abschleifen oder die Beschädigungen zuspachteln (falls so etwas geht) und anschließend neue Farbe aufbringen.

Welches Material (Lack, Lasur, Firnis, Farbe usw.) / Verfahren eignet sich dazu?

Die alten Malereien mit Acrylfarbe nachmalen zu lassen, ist wohl keine so gute Idee?

Die Truhe soll nach Überarbeitung der Aufbewahrung von Stoff zum Nähen dienen.

Da ich absolut ahnungslos bin, bedanke ich mich schon mal vorab für jeden Tipp.

LG Manu
 

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Friederich

ww-robinie
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Hallo Manu,
da sollte sich eigentlich eine Firnis anbieten, wie sie auch bei Gemälden als Schutzschicht verwendet wird.
Diese waren wohl oft aus: Dammar
Anscheinend kann man ihn problemlos in Terpentinöl lösen. (siehe unter Info/downloads "Details")

Die alten Malereien mit Acrylfarbe nachmalen zu lassen, ist wohl keine so gute Idee?
Eher Nein. Könnte sogar eine ausgesprochen schlechte Idee sein:emoji_slight_smile:
Wenn überhaupt, dann würde ich nur Fehlstellen ergänzen. Mit möglichst der originalen Farbe. Ist dann aber schon Restauration auf einem höheren Niveau.

Außerdem möchte ich den Rost entfernen, den Deckel oben abschleifen oder die Beschädigungen zuspachteln
Abschleifen würd ich möglichst vermeiden. Und Zuspachteln könnte sehr dilettantisch aussehen.
Ich könnte mir vorstellen, daß sie nach Reinigung und nur mit der Firnisoberfläche absolut wohnzimmertauglich aussieht. Mitsamt allen erhaltene Gebrauchsspuren.

Metallbeschläge würd ich versuchen zu entfernen. Die Nägel sind vielleicht durchgeschlagen und dann umgeschlagen? Könnte man mit Schraubenzieher evtl. geradebiegen und dann herausziehen.
Sind ja wohl bestimmt handgeschmiedete Nägel. Die sollte man möglichst erhalten. Im Notfall kriegt man aber auch Ersatz. Trotzdem: Original ist besser.
Die Beschläge dann in ein Entrosterbad legen, mit Messingbürste den alten Rost entfernen. Grundlich mit Wasser dann Spiritus abwaschen, schnell trocknen.
Das Eisen muß nicht blitzblank werden.
Zum Schluß mit Schellack bepinseln. Mit dem genannten Firnis sollte es auch möglich sein. Auch angerostetes Eisen ist dann wohnzimmertauglich.
 

fine01

ww-pappel
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Leinölfirnis auf Bauerntruhe?

Hallo Friederich,

vielen Dank für die schnelle Antwort! :emoji_slight_smile:

Heute wurde die Truhe innen "durchgepustet", da sich überall Getreidereste in den Ritzen befanden. Danach bin ich noch mal mit einem Pinsel ran. Das Ergebnis ist schon ganz gut, obwohl noch nicht alles weg ist. Beim Entstauben und der anschließenden vorsichtigen Reinigung mit Wasser (sparsam) ist mir auf dem Boden der Truhe ein honiggelber Überzug aufgefallen. Ich hab´ gegoogelt und gelesen, dass das Leinölfirnis gewesen sein könnte. Sind die Malereien vielleicht mit Leinölfarbe ausgeführt worden?

Solch einen Firnis kann man dann bestimmt auch zum Schutz der Malereien und des Metalls - wie vorgeschlagen - verwenden, oder?

Das meiste kann man farblich ja so lassen, aber den Deckel oben einfach nur mit Firniss streichen? Das Holz sieht hier wie bei einer verwitterten alten Scheune aus. Dazu kommen die Abschürfungen, die Abdrücke, tiefe Kratzer ... Lediglich ein kleiner blauer Farbrest - ca. 20 x 10 cm - ist rechts am Rand noch erkennbar. Nicht doch lieber abschleifen und neu streichen?

Spachteln muss ich wohl auch, aber innen. Dort ist rechts keilförmig ein Stück Holz herausgebrochen. Und vom Schloss existiert leider nur noch der Dorn. :emoji_frowning2:

Die vordere Kante beim Deckel ist nicht - wie angenommen - schief, weil sie lose, sondern weil sie verzogen ist. Aber damit kann ich leben.

Die untere an zwei Stellen beschädigte Leiste lässt sich wohl ohne großen Aufwand von einer geraden in eine gleichmäßig wellige (geschweifte) verwandeln. Und schon sieht das Ganze wieder schön aus!

P. S. Weiter habe ich herausgefunden: Die Truhe wurde in Brettbauweise mit Schwalbenschwanz-Zinkung gefertigt.

Schöne Grüße



Manu
 

ChristophW

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Das Holz sieht hier wie bei einer verwitterten alten Scheune aus. Dazu kommen die Abschürfungen, die Abdrücke, tiefe Kratzer ... Lediglich ein kleiner blauer Farbrest - ca. 20 x 10 cm - ist rechts am Rand noch erkennbar. Nicht doch lieber abschleifen und neu streichen?
Du mußt halt überlegen was du erreichen willst. Das ganze soll ja auch ein Stück weit dekorativ sein und solange die Funktion nicht beeinträchtigt ist wird ein schleifen und neulackieren halt den Gesamteindruck möglicherweise stören.
 

Friederich

ww-robinie
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.. dass das Leinölfirnis gewesen sein könnte. Sind die Malereien vielleicht mit Leinölfarbe ausgeführt worden?

Solch einen Firnis kann man dann bestimmt auch zum Schutz der Malereien und des Metalls - wie vorgeschlagen - verwenden, oder?

Das meiste kann man farblich ja so lassen, aber den Deckel oben einfach nur mit Firniss streichen? Das Holz sieht hier wie bei einer verwitterten alten Scheune aus. Dazu kommen die Abschürfungen, die Abdrücke, tiefe Kratzer ... Lediglich ein kleiner blauer Farbrest - ca. 20 x 10 cm - ist rechts am Rand noch erkennbar. Nicht doch lieber abschleifen und neu streichen?
Hallo Manu, Leinölfirnis ist m.M.n. eher nicht geeignet. Normalerweise zieht sie vollständig ins Holz ein. Wenn man sie mehrmals dick aufträgt, kann sie wohl einen Film bilden, der bleibt jedoch etwas klebrig.
Als Schutzfirnis für Gemälde hat man wohl meistens besagtes Dammarharz verwendet, oder auch Wachs wird genannt.
Ich denke ich würde so vorehen: Die Truhe gut trocknen lassen. Mit stark verdünnter Schelllackpolitur 2X komplett überpinseln (Mit 1-stündiger Zwischentrocknung). Kann man selbst ansetzen mit Schellackflocken (Farbe Lemmon) und Brennspiritus.
Und zuletzt Wachsauftrag. Das sollte möglichst viel Carnaubawachs enthalten wegen der Härte. Oder Renaissance-Wachs, welches speziell für Museen entwickelt wurde, und u. a. auch zur Konservierung von Holz, Metall und Gemälden eingesetzt wird.
Ergibt insgesamt eine erstaunlich schöne leuchtende Farbe und matten Glanz.
Probier doch mal auf kleiner Fläche, ob du dann nicht mit dem verschammarierten Deckel zufrieden bist. Abschleifen könntest du immer noch.
Ich fände es halt schade, wenn man die bewegte Lebensgeschichte der Truhe abschleifen würde.
Auch innen würd ich mit der Schelllacklösung auspinseln. Das Holz wird etwas gefestigt und Schmutz gebunden.
 

fine01

ww-pappel
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Frage zu Schelllackpolitur und Renaissance-Wachs (Bauerntruhe)

Mit stark verdünnter Schelllackpolitur 2X komplett überpinseln (Mit 1-stündiger Zwischentrocknung). Kann man selbst ansetzen mit Schellackflocken (Farbe Lemmon) und Brennspiritus. Und zuletzt Wachsauftrag. Das sollte möglichst viel Carnaubawachs enthalten wegen der Härte. Oder Renaissance-Wachs, welches speziell für Museen entwickelt wurde, und u. a. auch zur Konservierung von Holz, Metall und Gemälden eingesetzt wird.


Hallo Friederich,

vielen Dank für die detaillierte Antwort. :emoji_slight_smile:

Welches Mischungsverhältnis bezügl. der verdünnten Schelllackpolitur ist zu empfehlen? Und wieviel Schelllackpolitur und Renaissance-Wachs brauche ich für meine Truhe? Größe ca. 120 / 60/ 70 cm.

Schöne Grüße


Manu
 

Friederich

ww-robinie
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Hallo Manu,
für eine Politur nimmt man etwa 150 g Schellackflocken auf einen Liter Spiritus.
Zum Einpinseln als Grundierung würd ich vielleicht 60g/Liter nehmen. Lieber zu dünn. Man kann ja nach kurzer Trockenzeit beliebig oft auftragen.
Nach dem zweiten Auftrag mit Schleifpads zwischenschleifen. Über den Malereien garnicht oder äußerst vorsichtig.
Ich würd mir vielleicht 150g Schellackflocken besorgen, und 2 Liter Brennspiritus. Den braucht man ja sowieso zum Fensterputzen usw.
Zum Ansetzen eine Flasche mit großem Deckel. Der lässt sich besser öffnen, wenn er verklebt. Milchflasche o.ä.
Besagtes Renaissancewachs wird äußerst dünn aufgetragen. Da dürfte selbst die kleinste Packungsgröße ausreichen.
 

fine01

ww-pappel
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Danke!!!

:emoji_slight_smile: Falls sich noch Fragen ergeben sollten, melde ich mich.

MfG

Manu
 
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