Alten Lehnstuhl neu verleimen und polstern - Tipps und Einschätzungen erbeten

Chfla

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Hallo liebes Forum,

Ich bin neu hier – lese aber schon länger bei einigen Themen gerne mit!

Habe mir nun letzte Woche einen Traum erfüllt, was mich zu meinem ersten Beitrag hier bringt:

Ein alter Lehnstuhl von Kleinanzeigen hat den Weg in mein Zuhause gefunden. Extrem bequem und wunderschön hat er aber noch einiges an Reparatur nötig: er wackelt extrem und das Polster wurde sehr laienmäßig neu gemacht und bezogen.



Einige Teile sind mir direkt beim ersten testen der Holzverbindungen in die Hände gefallen. Erst danach habe ich leider mein Startfoto für euch gemacht…ein bisschen ärgere ich mich, dass das Foto dem Stuhl nicht ganz gerecht wird, ich hoffe ihr könnt ihn dennoch ein wenig bewundern und vielleicht ja auch sein Alter einschätzen?

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Das weitere Zerlegen war recht einfach, ein wenig leichte Hammerschläge hier und da und ein bisschen gewackel und alles bis auf die Lehne, Armlehnen und die hinteren Füße sind auseinander gebaut. Der Rest ist aber auch noch gut fest…ich dachte ich lass das so?

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Bei einem Teil ist beim auseinanderziehen die eine Ecke leider leicht abgesplittert, was könnte ich hier machen?
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Meine weiteren Ideen:

1. Alle alten Leimreste vorsichtig abschaben und entfernen: Hier wurde scheinbar an einigen Teilen schon einmal mit Weißleim ausgebessert

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2. Zapfen bzw Dübel vergrößern: dafür Leinestoff oder Papier anleimen habe ich schonmal gelesen? Keile einfügen scheint mir sehr schwierig und Furnier müsste ich erst besorgen…wäre aber auch eine Möglichkeit…viele Verbindungen kommen mir recht weich und bröselig vor, ist das normal und muss ich mir da Gedanken drüber machen oder halten die trotzdem?

3. Teile neu zusammensetzten: Hier stellt sich die euch wahrscheinlich vielmals gut bekannte Frage nach dem Richtigen Leim: Weißleim, Fischleim oder doch Epoxy? Was empfiehlt ihr mir? Ich habe kein riesiges Budget zur Verfügung und „Zeitgemäß“ ist mir nicht so extrem wichtig, wenn es aber Sinn macht ist es natürlich auch sinnvoll das zu beachten :emoji_wink:

4. Lehnstuhl abschleifen und neu wachsen (?) bzw lasieren? Was meint ihr ist das für ein Holz und wie ist es gerade behandelt? Kommt mir schon eher wie ein Wachs vor…

5. Polster neu polstern: Was habe ich denn hier für ein Gestell vor mir? Eine Wellenfederung in einem Federkorb oder wie?
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Ich freue mich sehr über Tipps und Einschätzungen!

Einen schönen Sonntag Abend noch!

Vg,

Chfla
 

Holzsinn

ww-robinie
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Hallo Chfla,
schöner Stuhl! Ich schätze, der hat um die 100 Jahre auf dem Buckel.
Deine Arbeitsbeschreibungen sind gar nicht so verkehrt, aber ein paar kleine Fehler haben sich doch eingeschlichen:
1. Stimmt, der alte Leim muss weg - abschaben ja, aber nicht schleifen, das verhunzt in der Regel die Form der Verbindungen. Besser ist raspeln, bzw. den Leim mit dem Stemmeisen vorsichtig wegschneiden. Das Holz sollte dabei nicht angegriffen werden, d.h. es müssen unbedingt verleimbare Flächen erhalten bleiben.
2. Zapfen und Dübellöcher vergrößern? Nein, bitte nicht! Die sollen ja den Stuhl wieder zusammenhalten. Auch hier nur den Leim vorsichtig entfernen und auf die Passegenauigkeit der Verbindungen achten. Ggf alte Dübel durch neue ersetzen.
3. Verleimen ja (ich würde langsamen Weißleim nehmen), aber auf keinen Fall, ohne den Stuhl vorher "trocken" zusammen zu stecken und zu pressen bzw. zwingen ( Rundungen lassen sich gut mit einem Spanngurt zusammen ziehen) Und immer Beilagen gegen Druckstellen unterlegen. Und noch was: nicht alleine verleimen wollen, da braucht es unbedingt 4 Hände dazu. Verleimen wird von Laien immer unterschätzt!
4. Die Oberfläche ist vermutlich abgenutzter Schellack. Die Erneuerung des Schellacks hier mal kurz erklären zu wollen, würde zu weit führen.

Viel Erfolg!

Melanie
www.holz-sinn.de

p.s. falls du im Raum München wohnst, ich gebe hier Restaurierungskurse für Laien, wohin dein Stuhlprojekt bestens passen würde.
 

dascello

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Nochn Tipp:
Abschaben (Leim und auch Schellack) geht extrem gut mit einer Ziehklinge. Kostet fast nix und funzt besser als Schleifpapier.
 

welaloba

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Es ist schon fast alles gesagt. Aber: beim Leim entfernen hilft der Heißluftfön, beim neu Verleimen geht hier nur Fischleim. Hilfreich beim Sitzrahmen ist ein kräftiger Spanngurt. Fischleim lässt genug Zeit, um alle Verbindungen gleichzeitig zu keinen. Grüsse Werner
 

IngoS

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Hallo,

ich bin gerade dabei, genau so ein Projekt durchzuziehen. Zum Glück wurde bei meinem Stuhl kaum PVAC Leim verwendet.
Ich warte gerade dringend auf den bestellten, aber anscheinend mit Lieferschwierigkeiten behafteten Fischleim, der mir für die Stuhlverleimung angemessen erscheint.
Bei den Bildern hier ist mir aufgefallen, dass durch die dicke verhärtete Leimschicht an den Zapfenverbindungen, die Fugen nicht ordentlich dicht gezogen werden können. Da muss der alte Kram wirklich so weit runter, dass die Fugen sauber dicht werden, sonst wackelt es bald wieder. Macht viel Arbeit, aber sonst wird es Pfusch.

Gruß

Ingo
 

Biker1002

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Hallo zusammen,

Ich weiß, das jetzt alle Traditionalisten aufschreien werden, aber:

Wenn es dir nicht gelingt, den alten Leim ohne den Verlust von Holz zu entfernen, kannst du mit PU Leim sehr gute Ergebnisse erzielen.
Der Leim quillt auf und füllt eventuelle Fugen und Spalten damit aus.

Fischleim ist natürlich im Sinne einer Restauration das Mittel der Wahl, aber wenn es nicht um Restauration, sondern um Reparatur geht dann ist PU-Leim eine gute Alternative.

LG Andreas
 

pedder

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5. Polster neu polstern: Was habe ich denn hier für ein Gestell vor mir? Eine Wellenfederung in einem Federkorb oder wie?

Wenn ich mich an meine 25 Jahre zurückliegenden Praktika beim Raumausstatter richtig erinnere:

Das sind Nosaq Federn - Wellenfedern. Einen Federkorb sehe ich nicht.
Darüber solltest Du einen Aufbau aus Kokosfasern und ggf. Rosshaar, Watte und Nesselstoff finden. Wahrscheinlich hat das aber mal jemand durch ein plumpes Stück Schaumstoff ersetzt. Den Originalzustand wieder herzustellen, würde ich mir nicht zutrauen.

Ich würde ein passendes Stück Schaumstoff (Außenkannte = Außenkante Rahmen) kaufen und das mit dem Nesselbezug in Form bringen. Dann beziehen. Ob man die Federn austauschen muss, weiß ich nicht. Dabei konnte ich auch nicht zukucken.
 

Chfla

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Danke euch allen für eure Tipps!

3. Verleimen ja (ich würde langsamen Weißleim nehmen), aber auf keinen Fall, ohne den Stuhl vorher "trocken" zusammen zu stecken und zu pressen bzw. zwingen
Was meinst du mit "trocken zusammen stecken"? Also bevor ich den Leim aufstreiche den Stuhl schonmal zusammensetzen? Und dann wieder auseinandernehmen und dann erst verleimen?
 

carsten

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Hallo

ja genau trocken meint ohne Leim. Einfach um zu sehen ob alles so wie geplant zusammenpasst. Und nicht nur zusammenstecken sondern auch die Zwingen inkl Zulagen ansetzen. Gerade bei Stühlen ergeben sich durch runde oder schräge Geometrien Probleme eine Zwinge haltbar anzusetzen. So Probleme müssen vorab geklärt sein und evtl Hilfsvorrichtunge usw parat liegen.
In deinem Fall vermutlich jetzt eher weniger aber beim Verleimen ist wenig zeit und da muss alles passen.
Es empfiehlt sich auch Baugruppen vorab zu verleimen, Stühle verleime ich bevorzugt stehend auf den Füßen so wie sie später auch stehen sollen auf ebener Unterlage. Das vermeidet das der Stuhl wackelt.
 

IngoS

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Es empfiehlt sich auch Baugruppen vorab zu verleimen, Stühle verleime ich bevorzugt stehend auf den Füßen so wie sie später auch stehen sollen auf ebener Unterlage. Das vermeidet das der Stuhl wackelt.

Hallo,

richtig und probehalber die Sitzfläche einlegen, sonst kann es passieren, das man den Stuhl diagonal verzieht und der Sitzrahmen nicht mehr reinpasst.

Gruß

Ingo
 

Komihaxu

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Ich habe kürzlich auch so einen alten Stuhl repariert und dazu den "Liquid Hide Glue" von Titebond verwendet.
Von dem bin ich seit längerem begeistert, weil er
- eine viel längere Verarbeitungszeit erlaubt (=entspannteres Verleimen)
- glashart aushärtet
- Überschuss gut mit einem nassen Lappen entfernt werden kann
- man die Viskosität gut über die Temperatur steuern kann (bei 10° wie dicker Honig, bei 25° flüssig wie PVAC). Am Stuhl also ruhig etwas kälter lagern, dann läuft die Suppe nicht runter bzw. bleibt im Dübelloch.

Und vor allem versaut er einem das Holz nicht mit einer "Plastikschicht", die verwischter PVAC-Leim auf dem Holz hinterlässt und wo an der Stelle kein Schellack/Öl mehr angenommen wird.

Das gleiche wird natürlich für Knochen-Heissleim und Fischleim gelten.

Die alten Leimreste müssen vorher runter, geht gut mit einem scharfen Stemmeisen.
So arbeiten wie ab Minute 0:55
 
Zuletzt bearbeitet:

Lico

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Ich will dann auch mal eine Minderheitenmeinung einbringen. Das Problem bei Zapfenverbindungen ist ja immer schon, dass man außer an den Brüstungen keine Flächenpressung hat. Die Verleimung ist darauf angewiesen, dass die Zapfen (übrigens auch Dübel) wirklich stramm passen. Deshalb bin ich kein Freund von Trockenübungen, die nur zum Ausleiern der Zapfenlöcher führen. Hier wären die kein Problem, weil die Zapfenlöcher eh erkennbar ausgeleiert sind. Kann man sehen an den relativ dicken Schichten der Leimreste, die übrigens, wie oben mehrfach erwähnt, tatsächlich vollständig entfernt werden müssen. Der Stuhl ist im Laufe seines Lebens sicher schon mehrfach neu verleimt worden.
Es wurde ja schon angemerkt, dass man die Passung evtl. durch Einleimen von Furnierstreifen wiederherstellen kann. Das ist das, was ich früher auch gemacht hätte. Eventuell kann man die Pressung an den Zapfenflanken wiederherstellen, indem man einen verdeckten Keil in den Zapfen einleimt. Das ist allerdings, für Laien zumal, nicht ganz einfach und würde vorher ein paar Tests an Probestücken erfordern. Außerdem müsste man sich dann immer noch Gedanken über eine Lösung für die Dübel machen, die an einem ähnlichen Problem leiden.
Für Laien, die kein Museumsstück aus den Stuhl machen wollen und für mich übrigens auch, wäre es einfacher, den Stuhl mit Epoxid-Harz zu kleben. Epoxy kann spaltfüllend mit geeigneten Füllstoffen angedickt werden und braucht für die Verklebung keine Pressung. Derartige Verklebungen halten ganze Flotten von alten Holzschiffen zusammen. Ich hab keinen Zweifel, dass das auch mit einem alten Stuhl funktioniert.

Lico

BTW Derartige Stühle hatten eigentlich eine relativ flach, in diesem Fall offenbar mit Leder, gepolsterte Sitzfläche, die keine Federung hatten sondern kreuzweise verflochtene Hanfgurte.
 

MatthiasK.

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Hallo,
schöner Stuhl! Aber der Sitz war sicherlich auch mit Leder bezogen wie die Lehne. Dieser Omastoff ist gruselig und Schaumstoff auch nur eine halbe Lösung.
 

odul

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Ich will dann auch mal eine Minderheitenmeinung einbringen. Das Problem bei Zapfenverbindungen ist ja immer schon, dass man außer an den Brüstungen keine Flächenpressung hat. Die Verleimung ist darauf angewiesen, dass die Zapfen (übrigens auch Dübel) wirklich stramm passen. Deshalb bin ich kein Freund von Trockenübungen, die nur zum Ausleiern der Zapfenlöcher führen. Hier wären die kein Problem, weil die Zapfenlöcher eh erkennbar ausgeleiert sind. Kann man sehen an den relativ dicken Schichten der Leimreste, die übrigens, wie oben mehrfach erwähnt, tatsächlich vollständig entfernt werden müssen. Der Stuhl ist im Laufe seines Lebens sicher schon mehrfach neu verleimt worden.
Es wurde ja schon angemerkt, dass man die Passung evtl. durch Einleimen von Furnierstreifen wiederherstellen kann. Das ist das, was ich früher auch gemacht hätte. Eventuell kann man die Pressung an den Zapfenflanken wiederherstellen, indem man einen verdeckten Keil in den Zapfen einleimt. Das ist allerdings, für Laien zumal, nicht ganz einfach und würde vorher ein paar Tests an Probestücken erfordern. Außerdem müsste man sich dann immer noch Gedanken über eine Lösung für die Dübel machen, die an einem ähnlichen Problem leiden.
Für Laien, die kein Museumsstück aus den Stuhl machen wollen und für mich übrigens auch, wäre es einfacher, den Stuhl mit Epoxid-Harz zu kleben. Epoxy kann spaltfüllend mit geeigneten Füllstoffen angedickt werden und braucht für die Verklebung keine Pressung. Derartige Verklebungen halten ganze Flotten von alten Holzschiffen zusammen. Ich hab keinen Zweifel, dass das auch mit einem alten Stuhl funktioniert.

Lico

BTW Derartige Stühle hatten eigentlich eine relativ flach, in diesem Fall offenbar mit Leder, gepolsterte Sitzfläche, die keine Federung hatten sondern kreuzweise verflochtene Hanfgurte.


Statt Epoxy oder zusätzlich könnte man auch ein paar Spax-Schrauben reindrehen.

Duck und weg ...
 

odul

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Mein letzter Beitrag ist natürlich nicht ernst gemeint. Es ist ein schöner Stuhl zum Restaurieren. Und die vielen Beiträge zeigen von einem regen Interesse.

Ich wünsche ein glückliches Händchen beim restaurieren.
 
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