Alte Runddeckeltruhe restaurieren/Beschläge erhalten

Christiane11

ww-pappel
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Moin zusammen,

ich freue mich, dieses tolle Forum entdeckt zu haben und möchte euch gleich mit ganz vielen Fragen löchern. Ich bin absoluter "Woodworker"-Neuling und freue mich über viele hilfreiche Tipps.

Vor kurzem habe ich eine alte Runddeckeltruhe gekauft und diese möchte ich gerne aufarbeiten bzw. davor bewahren, dass die Spuren der Zeit noch weiter an ihr nagen. Mein Ziel ist also keinesfalls, dass die Truhe danach aussieht wie neu - ich mag den alten Look. Allerdings würde ich gerne eine Grundreinigung vornehmen und sofern dies sinnvoll ist, würde ich das Holz irgendwie pflegen. Auch die Eisenbeschläge würde ich gerne ein bisschen reinigen und vielleicht hat ja auch jemand einen Tipp für mich, wie ich sie erhalten kann. Leider sind sie schon recht stark verrostet. Die Scharniere ebenso.

Leider weiß ich nichts über die Truhe.

Ich würde mich freuen, wenn die Experten unter euch vielleicht mal grob das Alter und vielleicht die Herkunft schätzen würden. Und weiß jemand, um welche Holzart es sich handeln dürfte? Eiche?

Der Erhaltungszustand ist hoffentlich einigermaßen auf den Fotos zu erkennen. Ein paar Beschläge fehlen und ein Schloss ist auch nicht mehr vorhanden. Die hintere Fußleiste wurde mal ausgetauscht, das Holz ist auffallend heller und man erkennt im Inneren die neuen Schrauben.

Evtl. war die Truhe mal grün gestrichen und wurde abgebeizt. Gerade auf der Rückseite schimmert teilweise noch ein bisschen grüne Farbe durch (was mich nicht stört).

Ich gehe davon aus, dass die Truhe mal im Feuchten stand, da sie ein wenig "muffelig" riecht. Evtl. sind im Deckel auch leichte Schimmelspuren ersichtlich (das könnte allerdings auch Staub o.ä. sein oder Klebereste, da im Innendeckel alte Bilder und Texte mit anscheinend christlichem Inhalt eingeklebt wurden (altdeutsche Schrift)).

Für die Reinigung habe ich an ganz normales Wasser mit Spüli gedacht. Spricht etwas dagegen? Sollte ich im Anschluss das Holz irgendwie pflegen? Kann ich irgendetwas tun, um die Beschläge zu erhalten? Kann ich die Scharniere mit einfachem Leinöl ölen?

Vielen Dank!
Ich hoffe, das Anfügen der Fotos klappt.

Grüße, Christiane
 

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Friederich

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Hallo Christiane, als allererstes würd ich sie gründlich austrocknen lassen und dann ganz penibel bis in die letzte Ritze mit einer möglichst kleinen Düse absaugen. Oder, falls vorhanden, mit einem Kompressor ausblasen. Ebenfalls bis in die kleinsten Ritzen.
Wenn du vorher mit Wasser drangehst, erschwert das das Aussaugen, und alter Dreck würde noch mehr ans Holz gebunden.

Kaffeepulver reingestellt bindet Gerüche.

Leinöl ist für die Scharniere nicht geeignet, weil es nach kurzer Zeit verharzt.

Verrostetes Eisen hab ich schon mit Schellacklösung bestrichen, nach vorherigem Abbürsten. Ist sehr einfach zu machen, reversibel, und macht dann einen ganz ansehnlichen Eindruck.
besonderen Schutz brauchen weder Holz noch Beschläge, wenn das Teil dann beständig in der trockenen Wohnung steht.
Je weniger du dran machst, desto besser, aus restauratorischer Sicht. Also wenn irgendmöglich, kein Schleifpapier einsetzen. Lediglich lose Holzteile mit Hautleim wieder befestigen.
Den gesamten Holzkorpus mit Schelllack einzupinseln, wäre eine Option. Die Oberfläche wird dadurch härter und weniger verschmutzungsanfällig, und es macht einen gepflegteren Eindruck. Schellack kann man alleine oder als Grundierung für eine nachfolgende Wachsoberfläche benutzen. Nur Wachs direkt würde schnell ins Holz einziehen und dann stumpf aussehen.
Mit so einer Oberfläche würd sie sehr gut aussehen, trotz bzw.gerade wegen der alten Schrammen.

Zeitlich hätte ich sie dem Barock zugeordnet.
 

Christiane11

ww-pappel
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Guten Morgen Friederich & vielen Dank für die ausführliche und informative Antwort!

Die Truhe ist nicht mehr feucht, ich denke nur, dass sie früher mal (zumindest an der Rückseite) Feuchtigkeit ausgesetzt war.

Ich werde dann auf jeden Fall erstmal gründlich alle Ritzen aussaugen und das mit dem Kaffeepulver ist auch eine super Idee. Danke.

Gibt es vielleicht noch einen Tipp für die Scharniere? Ich habe Angst, dass sie mit der Zeit durchbrechen könnten, da sie wirklich rostig sind.

Danke & viele Grüße,
Christiane
 

Joiner_Koblenz

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Guten Morgen Friederich & vielen Dank für die ausführliche und informative Antwort!

Die Truhe ist nicht mehr feucht, ich denke nur, dass sie früher mal (zumindest an der Rückseite) Feuchtigkeit ausgesetzt war.

Ich werde dann auf jeden Fall erstmal gründlich alle Ritzen aussaugen und das mit dem Kaffeepulver ist auch eine super Idee. Danke.

Gibt es vielleicht noch einen Tipp für die Scharniere? Ich habe Angst, dass sie mit der Zeit durchbrechen könnten, da sie wirklich rostig sind.

Danke & viele Grüße,
Christiane


Guten Morgen Christiane

Friedrich hat ja schon einiges geschrieben.

Auch ich würde nicht viel machen!

Im Bauhaus gibt es Sprühdosen mit Vaseline.
Damit kannst du die Scharniere fetten und alles was Beweglich ist.
Vaseline ist Säurefrei und bekommt man es an die Kleidung, ist das Fett beim nächsten Waschen wieder weg :emoji_wink:
Über die Metallbeschläge, würde ich nur mit einem leicht getränkten Lappen mit z.B. WD40, Balistol Öl gehen.

Nach dem Kaffee, bald blüht ja der Lavendel und auch Rosen, je nach Geschmack, einfach mal rein legen. :emoji_wink:

Gruß Ralf
 

Friederich

ww-robinie
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Hallo Christiane, beim Ölen nicht übertreiben, sonst läuft es raus und verfleckt das Holz. Nur tropfenweise auf die Spalten geben. Also möglichst eins mit Tropfenspender und keine Sprühdose. Es kriecht dann sehr weit von alleine nach innen.
Kloapier bereithalten um Überschuß wegzuwischen.
Gegen brüchig gewordene Scharnier kann man wohl nicht viel machen. Außer gegebenenfalls ein dünnes Blech zur Verstärkung unter die betreffende Stelle löten. Aber die alten Teile halten mehr aus als man denkt. Und es wird ja wohl in Zukunft pfleglicher behandelt als in der Vergangenheit.
 

Christiane11

ww-pappel
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Vielen Dank euch beiden für die Antworten. Damit kann ich schon viel anfangen. Und ich freue mich schon darauf, wenn die Truhe demnächst beim Öffnen Lavendel-Duft verströmt. Gute Idee!

Und ich freue mich auch, dass ihr es ähnlich seht, dass man nicht zu viel machen sollte, um den alten Charakter zu erhalten.

Ein paar Fragen habe ich allerdings noch: auf dem zweiten und dem letzten Bild kann man ganz gut erkennen, dass der mittlere Eisenbeschlag oben auf der Truhe zum einen schon nicht mehr komplett ist und zum anderen auch hochsteht. Der letzte Nagel des Beschlags steckt noch im Holz, aber ich befürchte, dass der Beschlag bricht, wenn ich ihn wieder festnagel. Der Beschlag ist an der Stelle, wo er hochsteht, sehr rostig und hat schon einen kleinen Riss. Habt ihr hier einen Tipp für mich? So lassen oder festnageln und riskieren, dass der Beschlag bricht (und evtl. der Nagel nicht mehr halten wird)?

Eine - hoffentlich - letzte Frage: der leichte Weißschleier auf dem Holz insbesondere auf der Truhenoberseite, ist das Patina oder sind das Reste einer früheren Wachsbehandlung? Sollte es Wachs sein, kann ich dann trotzdem o.g. Tipps befolgen oder müssten die Wachsreste entfernt werden?

Dankeschön & beste Grüße,
Christiane
 

Friederich

ww-robinie
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Hallo Christiane, durch Annageln wird der Beschlag kaum brechen. Man sollte aber einen geeignten Dorn/Versenker? ( komm grad nicht auf den passenden Begriff) verwenden, damit man nur den Nagelkopf trifft und nicht auf dem Beschlag rumhämmert. Abgebrochenen Nagelrest würd ich versuchen mit einer Spitzzange rauszuziehen. Wenn der neue Nagel im alten Loch nicht hält, dann vorher mit passendem Holzstück ausfüttern. Evtl. Hautleim dazugeben.
Originalnägel waren ja handgeschmiedet. Sowas kriegt man auch heute noch nachzukaufen. Die haben einen dekorativeren Kopf und sind auch technisch überlegen.
Wegen dem weißen Schleier (Patina ist das jedenfalls nicht) würd ich mal mit Terpentin drübergehen. Ruhig auch mit Wurzelbürste schrubben. Wenns altes Wachs ist, gehts damit weg. Und sonstiger Dreck großteils auch.
 
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