Einschätzung und Tipps zum Herrichten eines alten Schrankes gesucht

Lorenzo

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Hallo Leute,

Ein Kollege hat mich gefragt, ob ich mir mit ihm den Schrank einer Bekannten mal anschauen könnte, der ein paar Probleme hat.
An ein paar Stellen sind die Verleimungen aufgegangen, dadurch ist der ganze Korpus nicht mehr stabil genug um die Türe, die einen recht schweren Spiegel trägt, zu halten. Dazu kommt, das der obere Beschlag der die Türe führt nicht mehr vorhanden ist, was aber eher unproblematisch ist, lässt sich aus nem Stück Flachstahl leicht nachmachen. Die Zapfen in der Tür sind noch vorhanden und stabil

Ich zeig euch mal ein paar Bilder, und würde mich freuen wenn jemand was zu dem Teil sagen könnte.
Alter, Herkunft, und gerne auch Tipps zum Vorgehen um den Schrank wieder einsatzfähig zu machen. Ich bin kein Restaurator, und es wird auch nicht verlangt dass es nach allen Regeln dieser Kunst geschieht. Der Schrank soll aber erhalten bleiben und ich würde der Dame das gerne helfen.

Weitere Bilder kann ich auf Nachfrage gerne liefern, am Montag holen wir den Schrank ab, und bringen ihn in die private Werkstatt meines Kollegen. Der ist dann erst mal auf Kur, ich hab aber Zugang und würde mich um das gute Stück kümmern.

@welaloba, @Mathis, @flüsterholz, @Holzsinn, ihr fallt mir da natürlich in besonderen ein.

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Lorenzo

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Noch paar Bilder:
Ach ja, der Rundstab der auf der rechten Seite fehlt ist auch noch vorhanden, der ist nicht eingezapft oder so, einfach nur mit bisschen Leim fixiert gewesen.
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carsten

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Hallo

mein erster Gedanke war: der ist neuer als er vorgibt zu sein.
Die floralen Motive lassen einen an Jugendstil denken. Ist das Marketerie oder gemalt ?
Der Giebel passt aber eher zu Klassizismus ( Neo), Historismus.
Die Bohrung in dem "Pfosten" auf Bild 2 läßt vermuten dass da noch mehr "Giebel" war. Teil eines gesprengten Giebels ?

Das hier https://www.woodworker.de/forum/data/attachments/192/192556-ac2c9e3d33e92e545dd6365393080623.jpg ist dagegen ein Chaos, vermutlich hat da schon mal jdm dran rumgebastelt. Großer Schwachpunkt scheinen die Verleimungen zu sein.

Bin mir aber sicher das der Schrank bei dir in guten Händen ist.
 

chris_11

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Der ist nur wenige Jahrzehnte alt und ein Opfer der Zentralheizungsluft. Kannst Du problemlos nach Schreinermanier reparieren. Rücksicht auf einen "antiken" Wert mußt Du nicht nehmen und kannst es ordentlich stabil machen.
 

Lorenzo

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Danke euch schon mal.
Ich geh auch nicht von Jahrhunderten aus. Meine Einschätzung ging auch eher Richtung hundert Jahre. Die Verzierungen sind tatsächlich furniert. Vielleicht aber zugekauft oder wiederverwertet. Die Zinkzungen der Schublade sind eindeutig handgemacht. Materialstärken sind eher sparsam, aber nicht zu gering. Ich find den Schrank echt hübsch, und prinzipiell nicht schlecht gemacht. Ich denke auch, dass da schon gebastelt wurde, und/oder wiederverwendet. Und ja, für so viel Schwund war er nicht ausgelegt. Auch mit intakter Mittelstrebe wäre ein Spalt zu sehen weil die Füllungen zu schmal geworden sind.
Ich hoffe drauf den Leim mit Wärme lösen zu können um alles zerstörungsfrei auseinander zu bekommen, dann sollte es tatsächlich nicht so schwer sein ihn wieder stabil zusammen zu bekommen.
 
Zuletzt bearbeitet:

Lorenzo

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Eine Tür.

PXL_20250531_085502376.jpg

Schmaler Rahmen, relativ dicker Spiegel mit Facetten.
Sorry, ich hab die Fotos mal schnell nebenbei gemacht ohne Daten zu denken dass sie hier verwendet werden könnten.
Wie gesagt, am Montag kann ich nochmal nachliefern.
 

welaloba

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Meine Einschätzung zum Alter hatte ich schon erwähnt. Die relativ schmalen Rahmen bei den Seitenflächen sehen mir bisschen französisch / belgisch / luxemburgisch aus.

"Aus Neugier Wie sehen die Türen aus."
Erwähnt war eine Tür mit schwerem Spiegel. (Da kam mir das Foto zuvor)

Wichtig ist daher, dass die Rückwand wieder ordentlich steif wird. Wenn du Glück hast, kannst du den Hut abnehmen und die Rückwandfüllungen rausnehmen und in der Breite ergänzen,. Manchmal ist es einfacher, die senkrechten Stege der Rückwand rauszunehmen, aufzutrennen und mit einer mittigen Einlage zu verbreitern / anzupassen.
Wenn das nicht funktioniert, wäre es vielleicht noch eine Möglichkeit, die Stege von der Rückseite her mit der Handkreissäge bzw. auch Stichsäge aufzutrennen und die Breite zu ergänzen, und ja, das ist fummlig.
Was mich bisschen stutzig macht, sind die angeschnittenen Intarsienbilder, aber da das bei allen so ist, wars vielleicht doch Absicht. Egal, Hauptsache, es gefällt.
Zum Leim: Ich empfehle ganz dringend, Fischleim zu verwenden - der verbindet sich perfekt mit dem vorhandenen Knochenleim, den du nie ganz entfernen kannst, und hat eine lange offene Zeit.
Ausserdem wichtig: Eine genügend starke Unterlegscheibe zwischen unterem Zapfenband und dem Beschlag im Korpus, Ergebnis: Möglichst wenig Luft über der Tür, aber genügend Luft unten.
Wünsche gutes Gelingen!
Werner
PS: Die lose Säule lässt sich besser mit einen Dübel oben oder unten fixieren.
 

Lorenzo

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Vielen Dank Werner!
Da sind einige sehr gute Tipps dabei, und es hört sich erst mal so an als ob ich das ganz gut hinbekommen könnte.

Ich werde euch auf dem laufenden halten.
Liebe Grüße
 

weissbuche

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Bei dem Nadelholz sehe ich einfach nur schöne Kieferbretter. Solche Bretter, astfrei und schön gemasert, sind im Magazin unseres Museums etliche Male zu sehen. Bedenken hätte ich wegen der geringen Tiefe und der schweren Türen, da muß man vorsichtig sein.
 

Andros1989

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@Lorenzo

Du hast mich nach meiner fachlichen Meinung noch nicht gefragt.

Ein Schrank aus Holz. Defekter verleimung. Braun. Etwas alt. In guten Händen bei dir.
 

Holzsinn

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Zum Leim: Ich empfehle ganz dringend, Fischleim zu verwenden - der verbindet sich perfekt mit dem vorhandenen Knochenleim, den du nie ganz entfernen kannst,
Genau den Fischleim wollte ich auch empfehlen, mache damit eigentlich nur gute Erfahrungen.
Ansonsten haben die anderen Spezialisten schon alles gesagt.
Was mir aber jetzt doch noch einfällt: die Tür hängt doch wahrscheinlich ziemlich auf Grund des hohen Gewichtes des Spiegels? Wahrscheinlich schleift sie deswegen auch? Ich würde sichergehen, dass die Zapfen der Zapfenbänder wirklich fest sind und beim unteren gegebenfalls Beilagscheiben unterlegen für das geschmeidigere Öffnen.
Ansonsten viel Spaß und Erfolg!
Melanie
www.holz-sinn.de
 

Lorenzo

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Fischleim hab ich Zuhause, den werde ich verwenden. Das Blech das den oberen Zapfen der Türe aufnimmt muss ich eh neu machen, da werde ich wohl auch ein Stück Holz einleimen müssen um das wieder richtig stabil zu bekommen.
Ich hab die Tür nicht gewogen nur mal hochgehoben, ich schätze die auf ca. 8kg. Also nicht brutal schwer, aber für ein filigranes Schränkchen über die Zeit halt doch ne Belastung.
Wird schon wieder, hört sich alles gut machbar an. Ich freu mich drauf das schöne Möbelchen wieder fit zu machen.
 

Lorenzo

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Danke Rainer, werd ich machen.
Inzwischen ist der Schrank in die Werkstatt meines Kollegen umgezogen. Er fährt morgen für 5 Wochen weg und ich schau mir das alles noch genauer an. Heute war alles bisschen hektisch, aber ich hab weiterhin keine ganz großen Probleme entdeckt.
Paar Nägel ziehen für Deckplatte den untersten Boden, dann kanns mit dem Lösen der Verleimungen losgehen. Hauptproblem ist die Rückwand, da hat's eh schon einiges auseinandergezogen, und dann haben sich Füllungen die zu schmal waren bisschen verkeilt.

Nochmal paar Bilder, wie gesagt, war bisschen hektisch..
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Lorenzo

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So, ich hab inzwischen eingesehen, dass Arbeit, Familie, Freunde, ein wieder aufflammendes Hobby, ne eigene Werkstatt die ab und an besucht werden will.... und hin und wieder Sakrament einfach mal nix machen, auf jeden Fall Geduld verlangt. Die Geduld anderer Menschen, ich bin damit von Haus aus gesegnet...

Nun ja. Dennoch, es ist soweit.
Der Schrank wird übermorgen wieder an seinen angestammten Platz verbracht.

Was hab ich gemacht?

Die Rückwand komplett zerlegt. Durchgehende Nuten in den hinteren Stollen und im Deckel haben die Füllungen und die gezapften Rahmenteile aufgenommen. Mit bisschen Heißluft und nem kleinen Klopfer hat sich jedes Teil gut lösen lassen.
Die Füllungen waren ja nun echt viel zu schmal geworden und da ich wirklich kein Holz hatte das auch nur annähernd so enge Jahrringe hatte, und dazu noch so harzig und dunkel war wie das verbaute, musst ich mich beim Möbel selbst bedienen.

Ich hab die Füllung, die hinter dem unteren Teil mit der Schublade war, kurzentschlossen bisschen kleiner gemacht..
Ich habe alle Füllungen sauber winklig gesägt, die Zapfen der Rahmenteile vom glasharten alten Leim befreit und die Rückwand neu aufgebaut.
Ich hab dazu 2 Füllungen verbreitert. Alle Füllungen sind an einer Längskante in der Nut der Stollen verleimt. Dabei natürlich ganz in die Nut des Deckels bzw der anderen waagrechten Rahmenteile geschoben. Danach die senkrechten Rahmenteile zwischen die Füllungen gerückt und nur die Zapfen verleimt. Der Korpus wird so sauber winklig gehalten, die Füllungen arbeiten jetzt in den Nuten der mittleren Rahmenfriese.
Die Stabilität ist echt wieder tip top.

Dann ging's an die Tür. Da warde echt mal gemurxt. Also schon vor mir. Die Zapfen in den Türen waren viel zu dünne Schrauben mit Teilgewinde denen der Kopf abgeknippst wurde. Krumm und wie gesagt viel zu dünn für die Aufnahme in Korpus. Ich hab die Stahlbleche im Korpus neu mit 8mm aufgebohrt, gleich durch die jeweiligen Querfriese in denen sie montiert waren durch. So konnte ich unten einen Strahlstift durchschlagen, 3 Beilagscheiben drauf, von unten einfach ein Plättchen gegen das wieder rausfallen draufgeschraubt und die Tür drauf. Dann eingeschwenkt und bei geöffneter Tür von innerhalb des Korpus den zweiten Stift durchgetrieben bis er in der Tür steckte. Läuft gut. Wackelt nicht.

Der lange gedrechselte Rundstab rechts der Tür wurde auf einer Seite mit nem Dübel versehen und in ein entsprechend neu gebohrtes Loch im Korpus geleimt, die andere Seite so wie vorher schon einfach wieder stumpf verleimt, so hält der rechte Stab schon seit anno irgendwann.

Ach ja, der Raub an der Füllung des unteren Teils der Rückwand ist von hinten betrachtet natürlich schon auffällig. Ich hab pragmatisch und gegen den Staub ein Stück Platte eingeleimt. Sakrileg? Kann sein. Aber n modernes Stück Kiefer mit viel breiteren Jahresringen und der komplett falschen Farbe wär auch nicht schöner gewesen. Und so gibt das nochmal ordentlich Stabilität. Wenn man die Tür öffnet sieht man nur original altes Holz, wer die Rückwand sieht oder die Schublade ganz rausnimmt braucht halt starke Nerven :emoji_wink:

Es ist weiterhin alles reversibel, und die Funktion ist voll wiederhergestellt. Und das was man im Alltag sieht ist original.

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Lorenzo

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Vielen Dank Melanie! Das süße Schränkchen hat's verdient unverpfuscht weiter zu leben, und ich denk das ist mir gut gelungen.

Bei der Einschätzung einer angemessenen Entlohnung bin ich extrem schlecht. Ich bin eigentlich schon zufrieden wenn sich jemand über meine Arbeit freut. Das wird sicher der Fall sein und so wie ich die sehr nette Dame einschätze, werden wir uns gut auf ne Art einigen können mit der wir beide zufrieden sind.
 
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