Haltbarkeit Wiener Geflecht

lennox33

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Hi,

wer kennt sich hier mit Wiener Geflecht aus?

Ich habe bei mehreren alten Stühlen Sitzfläche und Rückenlehne mit Wiener Geflecht erneuert (von Hand geflochten) - siehe Bild unten.

Am Anfang war das Geflecht auch recht stramm und so gespannt wie eine Gitarrensaite.

Nach einigen Wochen täglicher Verwendung, sitzt sich das Geflecht aber doch ein wenig durch - d.h. es ist nicht mehr so straff gespannt.

Ich weiß, dass man das Geflecht wieder straff bekommt, indem man es von unten mit einem feuchten Tuch abtupft. Aber das hält dann ja auch wieder nur kurze Zeit, bis das Geflecht erneut an Spannung verliert.

Ist das normal ? Ich belaste das Geflecht nicht punktuell und verwende weiche Schaumstoffkissen (3 cm dick) um eine punktuelle Belastung zu vermeiden. Oder gibt es einen Trick, damit das Geflecht lange richtig straff bleibt?

VG
 

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Friederich

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Hallo,
ich hab einen Stuhl von der Urgroßmutter. Das Geflecht ist dunkel geworden, aber noch 1A in Schuss.
Wichtig ist wohl, dass man es sehr straff spannt, und möglicherweise wärs sinnvoll das Geflecht feucht zu verarbeiten (?). Nicht nur oberflächlich sondern durchgehend feucht.
Vielleicht bist du aber auch zu anspruchsvoll. Wirklich bretthart bleibt es nicht auf Dauer.
 

Fiamingu

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Ich habe in Erinnerung dass man das Geflecht
im gewässertem Zustand flechtet damit es sich
beim trocknen zusammenzieht und Spannung
in die Sitzfläche gibt. Vielleicht meldet sich der
Gerhard AKA der Dad noch. Der sollte sich in
der Materie auskennen und dir weiterthelfen.
 

Keilzink

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Ich habe in Erinnerung dass man das Geflecht
im gewässertem Zustand flechtet damit es sich
beim trocknen zusammenzieht und Spannung
in die Sitzfläche gibt. Vielleicht meldet sich der
Gerhard AKA der Dad noch. Der sollte sich in
der Materie auskennen und dir weiterthelfen.

Gemau so ist es. Man weicht eine Menge, die man in etwa einer halben Stunde verarbeiten kann aufgewickelt ein, lässt sie abtropfen (schleudert sie mit der Hand , dass sie außen nicht mehr tropft) und verarbeitet sie. Manche wickeln die Rolle auch über Nacht in einen nassen Lappen. Das Flechten geht auch einfacher mit dem gewässerten Material.
Bei solchen alten Techniken ist es wichtig, dass man sich genaue Anleitungen besorgt. Dann ein Teststück machen, und prüfen, wie Material und Technik sich vertragen. Aber das richtige Gefühl bekommt man halt erst, wenn man wenigstens ein paar Stühle beflochten hat. Schließlich war/ist das ein Ausbildungsberuf.

Andreas
 

lennox33

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Hallo,

danke für die Antworten.

Gewässert hatte ich das Geflecht schon- hatte allerdings festgestellt, dass das Geflecht schnell grau wird, wenn man es zu lange wässert.

Daher hatte ich dann nur noch kurz gewässert und das Geflecht auch erst eine Weile trocknen lassen (vielleicht zu lange?).

Am besten versuche ich nochmals, etwas "feuchter" zu arbeiten.


Trotzdem interessieren mich noch Erfahrungswerte, wie elastisch und straff ein Sitzgeflecht denn auf Dauer bleibt? Bleibt es so straff, dass es zumindest immer wieder in seine Ausgangslage zurückfedert? Oder bildet sich mit der Zeit zwangsläufig eine kleine "Mulde"? (d.h. das Geflecht ist nicht mehr richtig straff und drückt sich leicht nach unten durch, ohne wieder in seine Ausgangslage zurückzufedern)
 

Keilzink

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Es bilden sich schon leichte Sitzmulden aus im Laufe der Zeit, aber sicher nicht so stark, wie in deiner Zeichnung.
Du hast bei deinen Stühlen halt auch das Problem, dass die zu beflechtenden Flächen sehr groß sind. Normalerweise sind die Rahmen breiter, dadurch wird die Fläche kleiner (siehe zB die sog. Nicolai-Schulen-Stühle).
Da stellt sich mir auch die Frage, ob diese Stühle ursprünglich überhaupt vorgesehen waren für ein Wiener Geflecht, oder ob das nachträglich gemacht wurde.
 

derdad

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Hallo zusammen!
Ich bin Sesselflechter und lebe von der Restaurierung von Geflechtsesseln.
Bin gerade mit meiner Family unterwegs. Ich werde am Abend versuchen die Frage zu beantworten.
Einen schönen Sonntag noch
LG Gerhard
 

lennox33

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Es bilden sich schon leichte Sitzmulden aus im Laufe der Zeit, aber sicher nicht so stark, wie in deiner Zeichnung.
Du hast bei deinen Stühlen halt auch das Problem, dass die zu beflechtenden Flächen sehr groß sind. Normalerweise sind die Rahmen breiter, dadurch wird die Fläche kleiner (siehe zB die sog. Nicolai-Schulen-Stühle).
Da stellt sich mir auch die Frage, ob diese Stühle ursprünglich überhaupt vorgesehen waren für ein Wiener Geflecht, oder ob das nachträglich gemacht wurde.


Als ich die Stühle erhalten habe, war dort ein scheinbar recht altes Geflecht aufgebracht. Diese war schon extrem spröde (siehe Fotos). Für andere Polsterungen gibt es jedenfalls keine Hinweise - der Holzrahmen, an dem das Geflecht befestigt ist, hätte dann wohl nachträglich ergänzt worden sein müssen.

P.S. Auf dem Bild unten habe ich falsch geflochten - also nicht wundern, war einer der ersten Versuche.


Hallo zusammen!
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Bin gerade mit meiner Family unterwegs. Ich werde am Abend versuchen die Frage zu beantworten.
Einen schönen Sonntag noch
LG Gerhard

Hi Gerhard, da bin ich mal auf deine Antwort gespannt ! :emoji_slight_smile: Schönen Abend
 

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Keilzink

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... ja, das sieht schon original aus.
Warten wir mal Gerhards Meinung ab - der ist der Fachmann. Ich bin auch nur ein Amateur.

Andreas
 

derdad

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Einen schönen Abend!
Wie bereits Keilzink erwähnt hat kommt man erst mit der Übung die Erfahrung. Auch meine ersten 10-15 Sessel waren nicht unbedingt optimal. Jetzt nach einigen 100 glaube ich zu wissen worauf man achten muss.
Ich muss Keilzink jedoch widersprechen, wenn es um die Grösse geht. Ich habe ein Bild von einem Thonet Liegesofa angehängt, das ich vor kurzem fertiggestellt habe. Der grössere Rahmen hat eine Geflechtgrösse von 49x107 cm. Auch diese Fläche muss in 30 Jahren noch fest sein.
Lennox, um eine genaue Fehleranalyse erstellen zu können müsste ich die Rahmen in Händen haben. Ich nehme aber an dass sich einfach viele kleine Fehler summiert haben.
Ich versuch trotzdem Fehlerquellen zu finden:
Feuchtigkeit: Wie man bereits bei verschiedenen Kommentaren sehen kann, gehen die Meinungen auseinander. Man darf auch nicht Fertiggeflecht auf Rollen mit Handgeflecht verwechseln, da das Fertiggeflecht wieder eine Sache für sich ist.
Ich flechte mein Wiener Geflecht TROCKEN. Habe aber in meiner Werkstätte eine rel Luftfeuchte von ca 70%. Sollte ich das Problem haben dass die Luftfeuchte unter 60% fällt (z.B. wenn ich auf Ausstellungen und Märkten bin), dann weiche ich meine Material aber nicht ein, sondern befeuchte den Faden mit dem ich arbeite von Zeit zu Zeit mit einem Schwamm oder einem Tuch. Einfach den Faden durch den feuchten Schwamm ziehen fertig. Hauptsächlich damit der Faden während der Arbeit geschmeidig bleibt und nicht bricht. Wie oft, ist schwer zu sagen.
Aus Erfahrung kann ich sagen, ein zu langes einweichen in Wasser bringt nichts und man erreicht bei oftmaliger Wiederholung vielmehr, dass das Material brüchig wird. Das kann ich nicht wissenschaftlich belegen, sondern das sind jahrelange "Gefühlswerte". Ich hab auch schon die Erfahrung gemacht, wenn ich bei trockener Luft einen Faden ins Wasser gelegt habe, war er an der Luft nach 15min wieder genauso spröde wie vorher.
Spannung: Um ein Geflecht dauerhaft auf Spannung zu halten ist es ganz wichtig, dass der Faden an der Unterseite des Rahmens wirklich eng anliegt. Ich habe versucht das auf meiner Skizze zu verdeutlichen. Grün- in Ordnung. Rot- nicht gut.
Durch die Umlenkung des Fadens über die Kante des Loches, hat er zwar auch bei Variante Rot die erste Zeit genug Spannung. Durch Benutzung ziehen sich die Schlaufen auf der Unterseite des Rahmens dann zusammen und das Geflecht wird locker.
Deshalb bereits bei der Arbeit darauf achten, dass die Fäden keine grossen Schlaufen machen---- Faden durchs Loch nach unten stecken- spannen- Haltestöpsel hineinstecken- Faden nächstes Loch nach oben- mit Finger unten am Rahmen flachdrücken- spannen- Haltestöpsel hinein. Den ersten Stöpsel kann ich dann wieder entfernen.-----

Mit einem feuchten Tuch das Geflecht wieder auf Spannung bringen geht nur wenn der "Sack" (so heisst das wirklich) dadurch entstanden ist, dass das Material im Laufe der Zeit sich gedehnt hat.
Bei zu grossen Schlaufen kann man folgendes machen: Geflecht befeuchten- auf der Unterseite in die Schlaufen Stöpsel drücken, damit sich das Geflecht spannt- Nun entweder die Löcher mit kleinen Holzstöpseln und Leim verstöpseln, oder nur leim in die Löcher spritzen.

Ich hoffe ich konnte auf die Schnelle ein paar Ratschläge geben, oder die Ursache erklären.

Lennox, ich hab noch eine Skizze mit der Draufsicht des Geflechts gemacht. Du hast bei den eingekreuzten Diagonalfäden den Rand falsch gemacht. Dein Rand ist so wie ich es rot skizziert habe. Die Fäden sollten sein wie die grünen Striche. Beim Eckloch beginnt man mit einem Doppelfaden. Dem so genannten "Fischauge"

Einen guten Wochenstart wünsche ich
Gerhard
 

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derdad

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... ja, das sieht schon original aus.

Andreas

Ich stimme Andreas zu. In dem Sessel war immer schon eine Wiener Geflecht.
Die Sessel und das Geflecht dürften noch nicht all zu alt sein. Das Geflecht wurde in einem Zug mit dem Sessel lackiert (wahrscheinlich eingefärbter Klarlack). Durch den harten Lack wird das Geflächt sehr spröde und bricht an den Kanten des Sitzrahmens, die meist zu scharfkantig sind. Deshalb die Kanten immer leicht abrunden. So in etwa r2, von Hand mit einem groben Schleifpapier oder einer Feile genügt dabei vollkommen.

LG Gerhard
 

gleiter

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Grüße Dich!

Zumindest zu diesem Aspekt kann ich aus eigener Erfahrung was sagen:

Trotzdem interessieren mich noch Erfahrungswerte, wie elastisch und straff ein Sitzgeflecht denn auf Dauer bleibt? Bleibt es so straff, dass es zumindest immer wieder in seine Ausgangslage zurückfedert? Oder bildet sich mit der Zeit zwangsläufig eine kleine "Mulde"? (d.h. das Geflecht ist nicht mehr richtig straff und drückt sich leicht nach unten durch, ohne wieder in seine Ausgangslage zurückzufedern)

Wir haben Wiener Geflecht (Fertiggeflecht) in unserem Canoe als Sitzauflagen verbaut. Das Canoe lagert das ganze Jahr wettergeschützt im Freien, an Tagen mit hoher Luftfeuchte wird das schlabbrig. Desgleichen während der Fahrten - da wird das schon mal so richtig nass, und wenn wir dann noch stundenlang drauf sitzen ist eine ordentliche Mulde drinnen. Brennt die Sonne drauf trocknet das Gewebe und wird wieder straff.

Extrembedingungen also. Und wird wohl auch nicht sehr lange halten, drei Jahre Haltbarkeit habe ich beim Bau geschätzt. Zwei Jahre hat es bislang klaglos überstanden und greift sich nach wie vor valide an.

Und ich habe mal einen Kollegen der paddelnden Zunft mit handgeflochtenen Sitzen getroffen, gleiche Bedingungen, der wußte nicht mal wann die Sitze bespannt wurden (irgend was um fünf Jahre)- straff waren sie auf jeden Fall wenn sie gut getrocknet waren.

Gruß aus dem Wein/4, André.
 

lennox33

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Vielen Dank ebenfalls für die sehr sehr ausführliche Antwort an Gerhard !!

Und auch danke an alle anderen !

3 Sitzflächen und 1 Lehne von 4 Stühlen habe ich schon fertig. Werde die 3 übrigen Lehnen und die Sitzfläche erstmal so flechten wie hier beschrieben und die bereits fertigen Geflechte dann nur austauschen, falls wirklich erforderlich.
 

derdad

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Freut mich wenn ich helfen konnte!
Eine Frage noch, rein aus Interesse: wo hast du dir das Flechten angeeignet? Material dürftest du, den roten Stöpseln zufolge, von der Fa. Schardt haben.
Die Lehne ist doppelseitig. Stimmts? Nicht unbedingt das Einfachste für den Anfang

Falls konkretere Fragen auftauchen, die evtl den Rahmen des Forums sprengen, bin ich auch unter stoeglehner@sesselflechterei.at erreichbar.

LG Gerhard
 

lennox33

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Freut mich wenn ich helfen konnte!
Eine Frage noch, rein aus Interesse: wo hast du dir das Flechten angeeignet? Material dürftest du, den roten Stöpseln zufolge, von der Fa. Schardt haben.
Die Lehne ist doppelseitig. Stimmts? Nicht unbedingt das Einfachste für den Anfang

Falls konkretere Fragen auftauchen, die evtl den Rahmen des Forums sprengen, bin ich auch unter stoeglehner@sesselflechterei.at erreichbar.

LG Gerhard

Hi Gerhard,

danke für die Hilfe !!

Bei den Rückenlehnen handelt es sich tatsächlich um ein doppelseitiges Geflecht. Ich finde dies sehr schön und glücklicherweise scheint die Rückenlehne auch kaum oder gar nicht auszusacken, da die Belastung dort viel geringer ist. Dennoch versuche ich, die nächste Lehne etwas straffer zu flechten (analog deiner Erklärung).

Das Flechten habe ich mir über Videos und Try & Error angeeignet:

https://www.youtube.com/watch?v=A5IRBuwONnA

Das mit den Fischaugen werde ich auch nochmal versuchen, da habe ich bislang noch nicht so drauf geachtet. Kannst du mir vielleicht noch sagen, was der Hintergrund dieser Vorgehensweise ist? Warum startet man mit 2 Strängen aus dem Eckloch heraus?

Zum Flechten benutze ich für Schritt4 eine Flechtnadel für Stuhlgeflechte.

https://www.ebay.de/itm/Flechtnadel...254239?hash=item232f1c879f:g:E88AAOSw34FVCybs

Mein Flechtmaterial beziehe ich von https://www.flechtmaterial.com (peddigrohr.com, rattanhouse.de) und zwar 2,25 mm Premium-Qualität.

Da es bei 2,25 mm z.T. schon recht eng wird in den Löchern, hatte ich 2,5 mm erst gar nicht ausprobiert. Welche Stärke verwendest du?

P.S. Mir ist heute aufgefallen, dass sich das Geflecht der am Samstag ausgesackten Sitzfläche mittlerweile von alleine wieder gestrafft hat, ohne Anfeuchten. Vielleicht bin ich bald bei dem Ergebnis das ich ahben wollte, wenn ich noch etwas straffer flechte. Ein leichtes Aussacken ist nicht so schlimm, da ich ja wie gesagt auch Sitzkissen verwende. Sollte der nächste Sitz aber deutlich besser warden - wer weiß vielleicht packt mich dann mein Perfektionismus und ich flechte die 3 bereits fertigen Sitze nochmal neu.



P.S. Handgeflochtene Stühle sind wirklich etwas tolles und gerade die Rückenlehnen halten ja scheinbar auch ewig.

LG
 

derdad

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Einen schönen Abend!
Die Videos von Ed Hammond sind gut und halbwegs praxisnah. Sie können, so wie jedes Video, aber auch nur die Grundzüge vermitteln. So haben die Flechtfäden z.B. nicht nur eine Ober- und Unterseite, sondern auch "Arbeitsrichtung". Wenn du mit dem Fingernagel über die Oberseite/Glanzseite fährst spürst du die Rispen. In eine Richtung rutschen sie leichter, in die andere hakelt es ein bisschen. Speziell bei den Diagonalen immer so einziehen, dass die Fäden sauber rutschen. das sind Dinge die lernt man in Videos kaum.
Die Flechtrohrbreite hängt vom Abstand der Löcher ab. 2,25mm verwende ich bei einem Abstand von 13mm bis 15mm Lochmitte zu Lochmitte. Ab 15mm bis 19mm nehme ich 2,5mm Fäden. Darüber dann 2,75 oder mehr. Unter 13mm bis 10mm verwende ich 2mm. Darunter 1,8mm.
Damit das Geflecht etwas widerstandsfähiger wird nehme ich bei 2,25mm Fäden bei den Diagonalen auch manchmal 2,5er Material. dadurch bleibt die Optik noch halbwegs fein, es wird aber stabiler. Genauso kann man einen Mix natürlich auch bei den anderen breiten anwenden.
Diese Angaben sind nur Richtwerte und das Gefühl entscheidet manchmal ob Festigkeit oder Optik den Vorrang hat.
Die Löcher bohre ich generell mit einem 5mm Bohrer nach. Bei dicken Fäden kann es auch schon mal 5,5mm sein. Ich hab keinen normal langen Bohrer, sondern einen 12cm langen. Bei der normalen Länge kann es passieren, dass es dir den Bohrer ins Loch zieht und du bekommst hässliche Kreise vom Bohrfutter.

Wenn du beim Eckloch einen Doppelfaden hast (Fischauge), dann hast du bei den anderen Löchern automatisch die richtigen Kreuze beim Rand. Das hilft auch, dass dir der letzte Parallelfaden zum Rand nicht nach aussen rutscht, so wie es auf deinem ersten Bild ist.
Es gehört auch wirklich die letzte Kreuzung am Rand (und das rundherum) ausgeflochten. Du hast ein paar mal die letzte "Unterführung" einfach übersprungen.
Ich spreche hier von eckigen Flächen. Bei runden oder gerundeten kommen noch ein paar Feinheiten dazu.

Mit der Nadel arbeite ich auch. Ich mach sie mir selber aus 1mm Kunststoff und schräge das Loch beidseitig etwas an. Das hat den Vorteil, dass sich der Bug des Fadens in der Materialstärke des Lochs "versteckt" und so besser durchrutscht. Bei der normalen Metallnadel hakelt der Bug manchmal.
Die Nadel ist bei der von dir angewendeten Standardmethode auch nur für grösseren Lochabstand brauchbar. Wenn du z.b. 11mm Lochabstand hast, und 2mm Fäden, dann bringst du bei der Standardmethode die Nadel nicht mehr durch.
Es gibt noch etwas andere Methoden, dazu bedarf es aber schon etwas Erfahrung. die Erklärung dazu würde den rahmen hier sprengen.

Wenn du mir deine e-mail per PN schickst bekommst du Kopien einer ganz guten Flechtanleitung. Aus dem einzigen, umfangreichen, deutschsprachigen Buch das ich bisher Gefunden habe. "Flechtwerk für Stühle". Man findet es auch im Internet.
Die englische Literatur ist da etwas besser bestückt. Auch wenn der Grossteil davon aus den Standardwerk "The Caners Handbook" abgekupfert sind. Ich hab aber mittlerwiele ettliche davon und in jedem der Bücher doch noch Spezielles und Neues gefunden. Natürlich nicht nur Wiener Geflecht.

Viel Spass jedenfalls beim Flechten
Und Vorsicht: Sesselflechten kann süchtig machen :emoji_wink:

LG Gerhard
 

lennox33

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Hallo Gerhard,

ich hätte noch eine Frage:

Ist es ratsam für meine Sitzflächen Schienen der Stärke 2.5mm (Schritt 1-4) und 2.75mm (Schritt 5-6) zu verwenden, um damit die Haltbarkeit und Belastbarkeit des Geflechts zu erhöhen? Oder sieht das gar nix mehr aus (Anmerkung: Da ich für die Stühle auch Kissen verwenden möchte, wird man das Geflecht der Sitzflächen sowieso eher selten sehen). Aktuell verwende ich 2.25mm Schienen für die Sitzflächen. Oder meinst 2,5 / 2,75 macht gegenüber 2,25 mm nicht soviel mehr Haltbarkeit aus?

P.S. Eine Rückenlehne habe ich nun nach deiner Anleitung geflochten (hat auch zum Großteil geklappt) und zwar mit 2.25mm (Schritt 1-4) und 2.5mm (Schritt 5-6). Sieht super aus und das Geflecht ist sehr fest ! :emoji_slight_smile: Foto wird nachgereicht.

Gruß
 

welaloba

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Hallo Marina, bleibe mal in einem Beitrag - dieser z.B., und wenn du 5 Einträge geschrieben hast, kanns du auch ein Foto hochladen. Darf aber nicht so groß sein. Ohne Foto sagt hier keiner was und ja, das Forum ist noch aktiv.
Gruß Werner
 

Mawendy

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Guten Morgen, vielen Dank. Ich werde es berücksichtigen. Aber dann muss ich erstmal sehen wie man ein Foto klein bekommt bitte um etwas Nachsicht und Geduld mit mir.
 

welaloba

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Hallo Marina,
lies doch bitte mal die Beitrage weiter oben - vor allem, was derdad schreibt. Ich bin mit Geflechten nicht der Profi, ich lass das machen. Das Geflecht bei deinem Stuhl ist wahrscheinlich duchgeflochen, aber die Rückseite wurde anschließend überfurniert. Meine Stuhlflechtfrau würde hier wahrscheinlich von vorn stecken und einleimen, um die rückseite zu lassen wie sie ist. , ich denke, das ist eine Schweinearbeit.
Den geflochtenen Rücken rausnehmen geht, wenn alle Leimstellen fest sind, nur mit größerem Flurschaden. Also wahrscheinlich eher drinlassen.
Gruß Werner
 

Mawendy

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Vielen dank Werner. Ich werde mir alles durchlesen. Nett das du dir die Zeit genommen hast und mir geantwortet hast. Lg aus schwerin
 
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