Altes Lineal restaurieren?

pb57

ww-esche
Registriert
18. September 2023
Beiträge
425
Ort
Rheinland
Liebe Mitforisten, vor allem die Restaurateure unter Euch!

Im Familiennachlaß befindet sich ein altes Lineal, zu dem ich einige grundsätzliche sowie Fragen zu einer möglichen Restaurierung habe. Zunächst einmal zur Beschreibung (s. a. die Fotos):

Maße (in mm): 293 lang, 22 breit, knapp 3 stark
Material: Holz mit Perlmuttintarsien in Form einer Blatt-/Blumenranke, spiegelbildlich um ein mittig plaziertes Rechteck angeordnet, auf der Vorderseite, die Rückseite ist unverziert und glatt (lackiert? Schellack?)
Zustand: Kanten sind (durch einen kleinen Ausriß sowie "Dellen") etwas beeinträchtigt; die Oberfläche der rechten Vorderseite ist beschädigt (Lack fehlt bzw. krakeliert, wirkt irgendwie zusammengelaufen); ein Perlmuttkreis fehlt; manche Perlmutteile sind verkratzt.

Meine Fragen grundsätzlicher Natur:
1. Ist erkennbar, um welches Holz es sich handeln könnte?
2. Kann man die Herstellungszeit irgendwie bestimmen, wenigstens eingrenzen?
3. Sind die Schäden wesentlich?
4. Kann ein eher unerfahrener Amateur wie ich diese Schäden selbst beheben, ohne daß es zu einer Verschlimmbesserung führt?

Zu einer möglichen Restaurierung:
1. Kann man die Perlmutteile reinigen, gar polieren? Worauf ist zu achten, daß man die ja überwiegend kleinen Teilchen nicht lockert?
2. Ist bei dem Lackschaden etwas zu retten?
3. Perlmutt zum Ersatz des fehlenden Teils ist vorhanden, aber wie befestigt / womit klebt man es?
4. Lohnt sich das überhaupt, oder beläßt man das Stück so, sozusagen in Würde gealtert? (Es ist nicht daran gedacht, das Lineal wieder in täglichen Gebrauch zu nehmen.)

Für jeden Rat oder Hinweis bin ich dankbar.

Noch einen schönen Adventssonntag und
beste Grüße
Peter

IMG_3318.jpg IMG_3322.jpg
IMG_3327.jpg
IMG_3325.jpg
 
Zuletzt bearbeitet:

flüsterholz

ww-robinie
Registriert
18. Juli 2022
Beiträge
3.088
Ort
südlicher Odenwald
Hallo Peter
Mit Perlmutt habe ich noch nicht so viel gemacht. Sind also nur meine bisherigen eigenen Erfahrungen, die z.T. auch nur auf try and error beruhen. Zu deinem Lineal selber kann ich nichts sagen. Das wären nur Spekulationen. Da lass ich es lieber.
Ich persönlich würde bei einer Aufarbeitung versuchen, die fehlenden Perlmuttteile zu ersetzen, die beschädigte Kante zumindest etwas beischleifen, damit es nicht zu weiteren Beschädigungen kommt, wenn man mal wo hängenbleibt und zumindest einen Schutz auftragen (konservieren). Wenn es ohne Beschädigungen des Perlmuttes möglich ist, die alte Oberfläche zu entfernen, würde ich das auch noch angehen. Da wären aber ein paar Test nötig. Perlmutt und evtl. auch die Verklebung/Verleimung vertragen sich mit vielen Chemikalien nicht.

Zum Perlmutt
Im Prinzip kannst mit Perlmutt vieles machen, was du auch mit Holz machen kannst: sägen, fräsen (dremel) schleifen polieren. Ein paar Dinge muss man aber beachten, so zumindest meine bisherigen Erkenntnisse. Beim Sägen zerbröselt es manchmal regelrecht, sobald es anfängt zu flattern, vibrieren. Ich habe es mir zum Sägen mit doppelseitigen Kleband auf ein dünnes Sperrholz befestigt und dann mit einer Laubsäge (Grobet) wie ein Furnier gesägt. Gut ging es mit einem Sägeblatt 0/5 für Gold/Juweliersarbeiten, dass ich aber eh da hatte. Vielleicht gibt es noch besser geeignete Sägeblätter. Aber auch, wenn ich es aufgeklebt hatte, ist es manchmal gesplittert. Das konnte 10x gut gehen und dann 1, 2 mal wieder nicht.
Schleifen sollte man möglichst nass und fein, da der Schleifstaub wohl etwas ungesund sein soll. Also Maske tragen insbesondere wenn du trocken schleifst. Fräsen mit Dremel soll wohl auch gehen, habe ich aber noch nicht gemacht.

Verklebt habe ich schon auf zweierlei Arten. Mit Epoxy ist es am einfachsten.
An antiken Möbeln habe ich es mit Fischblasenleim gemacht, da war er aber noch einigermaßen bezahlbar. Mit Hasen- oder Hautleim dürfte es auch gehen. Man muss dann nur die zu klebende Stelle vorsichtig mit einer leichten Säure, z.B. Essig, etwas anrauhen, damit der Leim besser hält.

Und an der Stelle der Hinweis, falls es sich bei den zu entfernenden Oberflächenresten um ein alkohollösliches Firnis handelt, nicht mit Alkohol entfernen, das kann die evtl Glutinverleimung angreifen, mürbe machen. Alkohol löst sie zwar nicht, aber macht sie irgendwie poröser. Vielleicht wäre eine vorsichtige mechanische Entfernung dann sinnvoller. Müsste man ausprobieren.

Gruß Michael

Edit, reinigen kannst du Perlmutt mit einer sanften Seifenlauge. Wegen Polieren würde ich mich nochmal in einem Gitarrenbau Forum erkundigen, die dürften am ehesten wissen, was die beste Methode ist.
 
Zuletzt bearbeitet:

pb57

ww-esche
Registriert
18. September 2023
Beiträge
425
Ort
Rheinland
Hallo, Michael,

vielen Dank für Deine vielen Hinweise und die Praxis-Tips zur Perlmuttbearbeitung, das ist alles sehr hilfreich!

Gestatte bitte doch noch ein paar Nachfragen:
An welchen "Schutz für die Kante" wäre zu denken: Lack, Leim oder ganz was anderes? So wie es aussieht, stehen an dem Ausriß keine Fasern, an denen man hängenbleiben könnte, (mehr) ab.
Liefert das krakelierte (oder vielleicht sogar etwas "blasige") Erscheinungsbild des lädierten Überzugs - die Läsion sieht, v. a. an der fast durchgehenden Linie am rechten Ende des Lineals (s. Fotos 1, 3) , aus wie eine Vertiefung, als ob eine Flüssigkeit den Überzug aufgelöst hätte - einen Hinweis auf das verwendete Material?

Das zu ersetzende Perlmuttstückchen ist kreisförmig mit 5 mm Durchmessser und gehört in eine Mulde, die vielleicht 1 mm tief ist - so ein Stückchen wird man am ehesten grob heraussägen und dann insgesamt zurechtschleifen.

re Polieren und Gitarrenforum: haben wir hier nicht auch den ein oder anderen Foristen, der sich mit Gitarrenbau beschäftigt?
 
Zuletzt bearbeitet:

robinAUT

ww-pappel
Registriert
21. Dezember 2025
Beiträge
4
Ort
Gössendorf
Hi,
würde neue Teile mit Knochenleim anbringen und nichts herumschneiden- das zerstört die Patina. Wo der lack weg ist würde ich den Bereich mit Schellack anfeuern bis die selbe Farbe hast :emoji_slight_smile:
LG
 

pb57

ww-esche
Registriert
18. September 2023
Beiträge
425
Ort
Rheinland
Super - dankesehr, Pareto! Das ist ja mehr als die halbe Miete ... :emoji_wink:

Nee, schneiden wollte ich am Lineal selbst nichts, Robin, und die Patina ist mir schon was wert. Das Schneiden bezog sich auf das Ersatzstückchen Perlmutt, da hab ich noch einen kleinen Vorrat an Perlmuttplättchen, aus denen ich das Auge grob hätte herausschneiden wollen, aber durch Paretos Hinweis erübrigt sich das ja.
Du meinst also, der vorhandene Lack/Überzug sei Schellack? Oder kann man anderen Lack mit Schellack überziehen? (Sorry für die vielen Fragen, ich hab doch gesagt: unerfahren :emoji_wink: )
Auf jeden Fall auch Dir Dank für Deine Tips
 

robinAUT

ww-pappel
Registriert
21. Dezember 2025
Beiträge
4
Ort
Gössendorf
Boah, vom aussehen her würde ich eher nein sagen aber vom Stil her würd ich davon ausgehen das es in einer Zeit gemacht wurde als Schellack eher verwendet wurde.
Bin aber selbst totaler Anfänger
Warte lieber noch andere antworten ab:emoji_slight_smile:
 

flüsterholz

ww-robinie
Registriert
18. Juli 2022
Beiträge
3.088
Ort
südlicher Odenwald
An welchen "Schutz für die Kante" wäre zu denken: Lack, Leim oder ganz was anderes? So wie es aussieht, stehen an dem Ausriß keine Fasern, an denen man hängenbleiben könnte, (mehr) ab.
Bei antiken Möbeln halte ich es immer so, dass die Funktionalität wieder gegeben sein sollte. Schubladen laufen wieder sauber, Türen lassen sich öffnen ohne zu schleifen, Füße können das Gewicht des Schrankes tragen, usw. Bei einem Lineal sollte man wieder einen geraden Strich ziehen können, das ist ja seine Aufgabe. Aber du schreibst ja, du willst es nicht mehr benutzen und die Patina, Gebrauchsspuren möchtest du erhalten. Was soll ich da jetzt raten? Mir persönlich ist die Funktionalität bei alten Werkzeugen und Gebrauchsgegenständen immer wichtig. Ich bin aber auch nicht der, der sich solche Sachen in die Vitrine legt, sondern weiterhin benutzt. Wäre es meines, würde ich die Kante wieder gerade hobeln/schleifen. Evtl müsste man dann aber auch wieder ein neues Stück Holz anleimen, anpassen und farblich an das alte anpassen um die ursprüngliche Form wieder herzustellen Zum Schluss noch ein Oberflächenschutz, der der Entstehungszeit des Lineals entspricht, die ich aber (noch) nicht kenne.

Liefert das krakelierte (oder vielleicht sogar etwas "blasige") Erscheinungsbild des lädierten Überzugs - die Läsion sieht, v. a. an der fast durchgehenden Linie am rechten Ende des Lineals (s. Fotos 1, 3) , aus wie eine Vertiefung, als ob eine Flüssigkeit den Überzug aufgelöst hätte - einen Hinweis auf das verwendete Material?
Darüber hatte ich mir auch schon Gedanken gemacht. Dieses "Krakelür" findet man u.a. oft bei Firnissen mit Kollophonium. Aber wie du schon selber schreibst, auch eine Reaktion der Oberfläche mit einer Fremdsubstanz ist denkbar. Ich weiß es nicht und müsste auch erst Tests durchführen. Ein erster Versuch wäre dann aber direkt mit Balsamterpentinöl, um zu prüfen, ob es sich um das das vermutete Kollophoniumfirnis handeln könnte. Wenn nicht, muss man weitertesten.
Das zu ersetzende Perlmuttstückchen ist kreisförmig mit 5 mm Durchmessser und gehört in eine Mulde, die vielleicht 1 mm tief ist - so ein Stückchen wird man am ehesten grob heraussägen und dann insgesamt zurechtschleifen.
Ja genau. Wenn du dickeres Material hast, kannst du das auch sägen, ohne es auf Sperrholz zu kleben. Feine Feilen zur Nachbearbeitung gehen auch gut, aber das Problem hat sich ja schon gelöst.
würde neue Teile mit Knochenleim anbringen
Knochenleim sollte man besser nicht nehmen. Bei unterschiedlichen Materialien immer einen etwas flexiblen Glutinleim.
Gruß Michael
 

Mathis

ww-robinie
Registriert
7. Juni 2007
Beiträge
3.528
Ort
Im Dorf in 'ner Stadt
Meine Fragen grundsätzlicher Natur:
1. Ist erkennbar, um welches Holz es sich handeln könnte?
2. Kann man die Herstellungszeit irgendwie bestimmen, wenigstens eingrenzen?
3. Sind die Schäden wesentlich?
4. Kann ein eher unerfahrener Amateur wie ich diese Schäden selbst beheben, ohne daß es zu einer Verschlimmbesserung führt?
Ja, erkennbar eine Palisanderart, welche genau ist so nicht erkennbar.
Koloniale Herkunft, vermute sehr von Engländern aus Indien mitgebracht.
Entstehungszeit um 1850
Ich sehe keine wesentlichen Schäden. Perlmuttpunkte gibts so fertig zu kaufen, mit Fischleim einleimen.
Große Vorsicht beim Arbeiten an der Oberfläche, da diese und das Holz darunter stark ausgeblichen sind und bei Entfernung des Lacks die Farbe sich stark ändert und dann evtl. alles neu gemacht werden muss.
Profis machen Versuche, so einen krepierten Lack zu regenerieren, ist aber nichts für Laien.
 

Pareto

ww-eiche
Registriert
3. Juni 2025
Beiträge
388
Ort
Links unten
Mag sein, ich ein ein Ketzer, ein Ignorant... einer der alten Wein trinkt, anstatt ihn in den Keller zu legen... einer, der seinen Oldtimer auch im Regen fährt...

Ich würde den Perlmutt ersetzen (Hautleim), die Kante begradigen, die Fläche schleifen und mit Schellack lackieren.
Anschließend würde ich das Prachtstück auf meinen Schreibtisch legen und gelegentlich benutzen, hätte täglich meine Freude.

Was genau hast du denn mit dem Endprodukt vor?
Vitrine?
 

pb57

ww-esche
Registriert
18. September 2023
Beiträge
425
Ort
Rheinland
@flüsterholz:
Erneut danke, Michael! Ich weiß, meine Anfrage erscheint etwas unstimmig, aber der kleine Ausriß an der Kante (s. Foto 1) ist für mich eher unerheblich, die Funktion steht bei dem Stück für mich nicht im Vordergrund. Eher, und da richte ich mich auch an @Pareto, soll das gute Stück zur Freude auf den Schreibtisch (fürs exakte Arbeiten habe ich bemaßte Lineale, wenn das nicht reicht, eine Kuhlmann A0-Zeichenmaschine, und für eine schnelle Unterstreichung ist das gezeigte Lineal allemale gut). Patina stört mich nicht, sogar wenn sie sich auf die beschädigte Oberfläche bezieht, falls diese nicht mehr oder nur mit großem Aufwand reparabel sein sollte.

@Mathis: Vielen Dank für die vielen Auskünfte zu meinen Anfangsfragen und den Rat bzgl. der Oberfläche (nochmal ein Foto mit hoffentlich besserer Erkennbarkeit des Zustands, s. Foto 2) - das wurde mir schon bei Michaels erstem Beitrag klar, daß ich da nur Unheil anrichten kann, wenn ich mich selbst daran begebe; das muß sich ein Profi "in echt" ansehen.
Die anderen Arbeiten (Perlmutteinlage erneuern, Intarsien mit Seifenlauge reinigen, vielleicht noch vorsichtig polieren) traue ich mir zu.

Die Hinweise auf Glutinleim habe ich dankbar gelesen, ich denke, da kann ich wohl ohne Probleme Fischleim verwenden (den habe ich da, Hautleim müßte ich erst besorgen).

Danke an alle und schöne Weihnachtstage!
Peter

PS: Ich werde berichten.

IMG_3330.jpg
IMG_3328.jpg
 
Zuletzt bearbeitet:

magmog

ww-robinie
Registriert
10. November 2006
Beiträge
15.149
Ort
am hessischen Main & Köln
Guuden,

ein wunderschönes Teil im Jugendstil!
Da offensichtlich nur restauriert und nicht renoviert werden soll, würde ich vorsichtig den groben Schmutz vorsichtig entfernen, lose Stücke verkleben und die geraden Kanten auf einem längeren Stück Schleifpapier, dass auf einer planen Fläche aufliegt, zart begeradigen und leicht brechen.
 

pb57

ww-esche
Registriert
18. September 2023
Beiträge
425
Ort
Rheinland
Danke, Justus, für Deine Einschätzung 'Jugendstil', das würde in meinen Augen auch eher zu dem (vermuteten) Erstbesitzer passen (Urgroßonkel, 1867-1934) als @Mathis' Angabe (dessen Expertise ich damit nicht bezweifeln möchte). Aber ich weiß auch nicht, ob das Lineal selbst, wie von ihm geschätzt, aus der Mitte des 19. Jhs. stammt und erst später mit den Intarsien versehen wurde.

Wenn Du schreibst, Kante zum Begradigen schleifen, hat man dann aber anschließend die Farbe anzugleichen. Auch das sicherlich etwas, wozu es ein Schock Erfahrung braucht (die ich nicht habe, und auch kein Stück zum Üben), also auch der Punkt ginge an einen Profi :emoji_slight_smile:
 
Oben Unten