Tungöl - trocken oder nicht? - oder doch falsch gemacht

Clyde12345

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Hallo liebe Woodworker,
vor ein paar Wochen habe ich mich mit meinem Kumpel ( Tischler ) an ein neues Projekt gewagt. Ziel war es, einen neuen Esstisch zu bauen. Als Rohmaterial hatten wir Jahrzehnte abgelagerte Eiche.

Der Tisch steht soweit. Alles bestens. Damit die Eiche etwas dunkler wird haben wir sie mit Ammoniak behandelt. Nach unzähligen Stunden im Netz und vielen versuchen auf Probestücken hatten wir uns dann für Tungöl als Oberfläche entschieden.
Vor gut 10 Tagen ist die erste Ölschicht aufgetragen worden.

Ich habe dem Tungöl ca 10% Orangenöl zugegeben, damit es besser einzieht.
Nach ca 30. min habe ich den Überstand abgenommen. Nun ist es so, dass man so hässliche weiße Streifen auf dem Holz bekommt, wenn man etwas drüber kratzt.
(Ich habe das erstmal ein einer Stelle probiert, die man später nicht sieht.)
Ich hoffe es ist auf dem Foto gut zu sehen.

Nun meine Frage: Woran liegt das? Habe ich einen Fehler gemacht? Oder muss ich einfach noch warten.
Ich bin mir jetzt mit den nächsten Schritten unsicher. Kann ich schon den zweiten Öl Auftrag machen? Muss ich einen Zwischenschliff machen?

Ich hoffe das waren jetzt nicht zu viele Fragen :emoji_slight_smile:
Lieben Gruß
Clyde12345
 

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Sägenbremser

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Hallo@clyde

werden bestimmt noch Hinweise auf die
Giftigkeit des Tungöls kommen, habe aber
auch in den frühen 80ern davon keinen tot
umfallen gesehen.

In den Staaten war es ein beliebtes Öl, da es
sich hervorragend mit Urethanen in Lösungen
mischen ließ und so schön per Hand auftragen
werden konnte. Da wurde je nach Rezeptur auch
Lein/Raps.-oder das teure Orangenschalenöl in der
Mischung zugegeben. Der Geruch des Orangenöles
überdeckte zumindestens den anfänglichen, etwas
fiesen Geruch eines Schlachthofes. In den Büchern
von Sam Mallof gibt es brauchbare Rezepturen dafür.

Denke das ihr auf die gute isolatorische Eigenschaften
des Öles im www gestossen seid. Ist bei Eiche aber, wie
ihr bei eurer Salmiakbehandlung ja sehen konntet, eine
eher nutzlose Überlegung. Wenn auf dem Tisch wirklich
ein eisenhaltiges Gefäss über einen längeren Zeitraum zu
stehen kommt, habt ihr dunkle Flecken. Kein Messer aus
einer aktueller Produktion wird sich da verewiglichen, nur
ein einfaches Opinel wird da schon nach einer Stunde seine
deutlichen Spuren bei etwas Nässe hinterlassen haben.

Schleifen müßt ihr auf jeden Fall nach dem ersten Auftrag.
Mit Gitterschleifkörpern geht das auch trocken, aber mit den
konventionellen Mittel eher im Nassverfahren. Körnung ist
so ab 320-400 die Wahl für zügigen Abtrag/Glättung.

Gruss Harald
 

Clyde12345

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Hallo Harald,
danke für deine Antwort. Hast du selbst Erfahrungen mit dem Tungöl sammeln können?
Wie schätzt du die Kratzer ein (siehe Foto), die bei geringer Beanspruchung entstehen?
Die Kratzer stammen vom Fingernagel.
Die machen mir ein wenig sorgen .... :emoji_frowning2:

lg Clyde12345
 

Sägenbremser

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Ja @clyde

nach der Rückkehr aus den Staaten war Ölen hier
noch eher die Ausnahme. In den frühen 80er hatten
wir ja seit über einem Jahrzehnt neue, tolle Produkte
die sich recht günstig auf das Holz spritzen liessen. Der
Siegeszug der Einschichter- Lacke hatte so begonnen.

Neben diesem sauren Zeug, habe ich schon viel mit den
zu der Zeit noch recht spärlichem Öl+Wachs gearbeitet.
Tungöl in Mischungen war natürlich das Mittel der Wahl.
Erst als heisspritzfähige Wachsemulsionen aus Rosenheim
auftauchten, habe ich das Experimentieren aufgegeben.

Die für ein Öl sehr kurzen Trocknungzeiten machen den
Tungölbaum und seine Derivate natürlich so interessant.
Es ist aber ein Wolfsmilchgewächs und so nicht ganz dem
heutigen Gesundheitsgedanken angepasst. Ob das jetzt bei
den üblichen Schutzausrüstungen wirklich eine Rolle spielt,
sei einmal dahin gestellt. Eher das spröde Verhalten dieses
hochfesten Öles im Flächeneinsatz ist ein wirkliches Problem.
Deine 10% Orangenöl sind auf jeden Fall für Teile über 20cm
Breite nicht wirklich optimal. Wenn du harzfreies Leinöl in dem
Mischungsverhältnis von 1/3 einsetzen würdest, das duftende
Orangenschalenöl etwas weiter reduzierst, wird es schon eine
belastbarere und auch günstige Beschichtung werden.

Gruss Harald
 

WinfriedM

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Wenn du wirklich allen Überstand sauber von der Oberfläche entfernt hast, dann wird es eher nicht am Öl liegen. Allerdings liegt bei einer geölten Oberfläche die Holzoberfläche frei. Und kein Eiche ist so hart, als dass man nicht mit Fingernägeln Spuren machen kann. Jetzt weiß ich aber nicht, wie stark du da gekratzt hast.

Mach doch mal einen Gegentest und öle mal ein Muster mit einem Leinölfirnis oder mit irgendeinem anderen Holzöl, falls du noch was anderes da hast.

Bei Tungöl muss man schon ordentlich Zeit einplanen. Zwar trocknet es oberflächlich innerhalb von 5-7 Tagen, aber im Holz kann das Monate dauern.
 

Sägenbremser

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Guten Abend Winfried
du bist zwar mein Gott des Öles , aber
wir beide wissen doch nur zu genau wie
gering die Penetration eines Holzwerk-
stoffes mit solch hochviskosen Ölen ist.

Habe schon Tungöle erhitz und leider dabei
feststellen müssen, das Zeugs wird eher noch
zähflüssiger. Das bisschen Orangenschalenöl
wird da auch nicht wirklich etwas richten. Und
Orangenschalenöl ist nicht wirklich für seine so
zügige Aushärtung bekannt.

Holzeindringtiefen von Ölen über einem 1/2mm
halte ich für nur sehr schwer erreichbar, in der
gängigen Praxis wird von unter 2/10mm ausge-
gegangen.

Liebe Grüsse, Harald
 

WinfriedM

ww-robinie
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Hallo Harald,

ja, gerade bei Eiche ist die Eindringtiefe in der Regel sehr gering, auch bei einem dünnflüssigen Öl. Da wird man nicht typisch nicht tiefer als 0,1-0,3mm kommen. Bei Buche sieht es etwas anders aus, da kann es auch mal im Millimeterbereich tief einziehen, aber auch nicht überall.

Auf jeden Fall habe ich eine Erfahrung schon sehr oft gemacht: Platte geölt, nach einem Tag spürbar trocken. Nach 2 Wochen scheint die Sonne oder man stellt mal einen heißen Teller drauf und auf einmal schwitzt ganz flüssiges Öl aus der Tiefe wieder aus. Das zeigt mir, dass im Holz die Aushärtung sehr sehr viel länger dauert.

Wenn man bei einem normalen Holzöl (was nach 12 Stunden oberflächlich trocken ist) noch Ausschwitzungen nach 2-4 Wochen hat, wird es bei Tungöl durchaus um Faktor 5-10 länger sein.
 

Clyde12345

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Erstmal vielen Dank für die bisherigen Antworten.
Ich habe den Kratztest natürlich nur sehr vorsichtig gemacht. So in etwa, als wenn man ein schwereres Glas über den Tisch schiebt. Ich habe an einem Musterstück das ich noch hatte, einen Zwischenschliff und eine zweite Ölung mit reinem Tungöl durchgeführt. Mal schauen ob es dadurch schlimmer oder besser mit der Kratzempfindlichkeit wird.

Wie ist das eigentlich? Kann man später zum nachölen, wenn man den Tisch in der Wohnung hat, auch Leinöl verwenden obwohl ich jetzt zum ersten und zweiten ölen Tungöl verwendet habe?

Ich frage deshalb: mir war schon klar , das im flüssigen Zustand das Tungöl nicht sehr gesund sein soll. Im abgetrockneten Zustand soll es ja aber ungefährlich sein. Wenn ich nun den Tisch in der Wohnung irgendwann mal nachölen möchte, kann ich natürlich nicht den Tisch tagelang unbenutzt lassen.

lieben Gruß
Clyde12345
 

WinfriedM

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Nachölen mit einem Arbeitsplattenöl oder Leinölfirnis sollte kein Problem sein.

Deine merkwürdige Kratzerempfindlichkeit ist zumindest nichts "Typisches". Hab ich so noch nicht erlebt.
 

frankundfrei

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Wie fein hast Du denn geschliffen und wie lang ist das Ölen her? Ich würde wenigstens 14 Tage für so eine Kratzprobe warten.

Grüße aus Frangn

Frank von Natural-Farben.de
 

Clyde12345

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Hallo Frank,
das Ölen ist jetzt ca 10 Tage her. Geschliffen war es zuletzt mit 120. Ich habe das Gefühl, das einfach nach dem Ölen und
dem abnehmen des Überstandes das Öl etwas wieder ausgetreten ist. Dieser Rest nun einfach als Schicht auf dem Holz
steht und nicht richtig aushärtet. Wäre das eine Erklärung?

Den Zwischenschliff werde ich am Wochenende mit 180 / 240er Papier machen . Hoffe das dann diese Schicht mit
heruntergeht. Bei Musterstück sah es schon ganz gut aus. Wobei das auch mit der zweiten Ölung erst seid 2,5 Tagen trocknet.

lieben Gruß Clyde12345
 

frankundfrei

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zu grober Schliff

Du bestätigst meinen Verdacht, dass die Oberfläche einfach noch zu rau ist. Vor dem Ölen bei Eiche würde ich einen 240er Schliff anstreben. Nach der Grundölung kann man dann noch auf 320er Korn gehen und ein Finish aufpolieren.

In der groben Oberlächenstruktur von dem 120er Schliff sitzt einfach zuviel an Öl, das die Faserspitzen auch erst mal aufweicht. Hinzu kommt die längere Abbindezeit bei solchen Ölen.

Grüße aus Frangn

Frank von Natural-Farben.de
 

Clyde12345

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Hallo frankundfrei,
danke für deine Antwort. Dann wäre nun ein Schliff mit 240er Papier in deinen Augen auch der richtige nächste Schritt? Ich würde das dann als Nassschliff mit reinem Tungöl ohne Orangenöl durchführen.
 

frankundfrei

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240er wäre mir jetzt zu fein. Wenigstens ein 180er und dann ein 240er.
Ich habe aber keine Ahnung wie gut Du jetzt das versulzte Öl mit einem Schleifpapier wegbringst. Evtl. wäre hier ein abrasives Schleifvlies mit Orangenschalenöl oder eine Ziehklinge besser, da das Schleifpapier zu schnell verklebt.

Ich würde auch keinen Schliff mit Tungöl machen, sondern erst mal eine trockene, fein geschliffene Oberfläche schaffen.

Bei Eiche sehe ich auch das Problem, dass ein nasses Einschleifen von Öl die groben Poren nicht immer gleichmäßig füllt. Das sieht dann nicht so gut aus. Bei grobporigen Hölzern würde ich trocken schleifen, sehr gut absaugen und dann ölen.

Grüße aus Frangn

Frank von Natural-Farben.de
 

WinfriedM

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Check auf jeden Fall auch mal, ob da nicht - wie du schon vermutest - ausgetretenes Öl wieder auf der Oberfläche liegt. Gerade Tungöl verhält sich bei Trocknung etwas merkwürdig und schafft so matte Schichten.

Du könntest z.B. mit einer Ziehklinge die Oberfläche von solchen Schichten befreien und gucken, ob die Kratzempfindlichkeit sich legt.
 

Clyde12345

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Hallo zusammen,
ich bin euch noch eine Antwort schuldig. Mittlerweile steht mein Tisch im Wohnzimmer und ich bin rundum zufrieden. Aber nun noch mal der Reihe nach:

Unser Ausgangsmaterial war ca. 60 Jahre alte Eichenbohlen ca 5cm dick. Hieraus sollte ein rustikaler Eichentisch entstehen.

Viele Stunden später war es dann endlich soweit, und der Tisch war fertig. Die Maße sind 180cm lang x 100cm breit + 2 Ansteckplatten a 55cm länge die im Schubkasten verstaut sind.

Nun ging es an die Oberfläche:
Wie bereits im ersten Post geschrieben sollte die Oberfläche etwas dunkler sein, damit das gelbliche der Eiche nicht hervor sticht. Nach einigen Tests habe ich mich dann für Ammoniak entschieden. Ich hatte Versuche mit bedampfen / räuchern gemacht. Hier war mir aber das Ergebnis zu dunkel. Oder anders gesagt, der Zeitslot in dem ich den Tisch aus der Bedampfung hätte nehmen müssen wäre mir zu kurz gewesen, damit es nicht zu dunkel wird. Außerdem ist war der Pinselauftrag des Ammoniak ungleich einfacher.
Ich hatte in einem (diesem?) Forum gelesen, das diese Methode ungleiche Ergebnisse erzielen kann. Dies war bei mir zum Glück nicht der Fall. Wahrscheinlich weil das Holz aus einem Baum war.

Nachdem das Holz dunkel war, kam das Tungöl mit 10% Orangenöl darauf. Der Tisch sah nach dem Ölen von Beginn an genau so farblich aus wie ich ihn haben wollte. Da war die Erleichterung erstmal groß. Nur wollte das Tungöl nicht so recht trocknen. Der Tisch stand bei ca. 17 Grad in einem Werkstattraum. Nach 10 Tagen hatte ich das oben gepostete Foto gemacht. Die Kratzempfindlichkeit ließ echt zu wünschen übrig.
Ich war mir einfach unsicher.

Ich habe daraufhin den Tisch einmal mit den mit grünen Schleifpads von Bosch abgeschmirgelt und die weiße Schicht entfernt. Ich denke das einfach zuviel Öl auf der Oberfläche war, da wir nur bis 120er Korn geschliffen hatten. Somit hatten sich die großen Poren richtig voll gesogen. Danach habe ich eine erneute dünne Schicht Tungöl aufgetragen. Nach 3 Wochen habe den Tisch ins Haus geholt. Die ersten Tage war der Tisch dann immer noch etwas empfindlich. Nach einer Woche im Warmen war dann die Oberfläche richtig trocken und auch hart. Mittlerweile haben wir ihn ca 5 Wochen im Wohnzimmer stehen und er hat schon Kerzenwachs und Rotwein abbekommen. Beides hat keine Flecken hinterlassen. Unterm Strich bin ich mit den Eigenschaften des Tungöl sehr zufrieden. Wobei es mich aber Geduld und Nerven gekostet hat.:emoji_slight_smile::emoji_slight_smile::emoji_slight_smile:

Ich danke euch allen für die Interessanten Beiträge und Antworten.

lg Matthias
 

ministry

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Danke für die Rückmeldung.
vielleicht war es ja am Ort des ölens auch einfach zu kalt...

schön, dass sich alles zum Guten gewendet hat
 

Clyde12345

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So ... und hier noch ein paar Bilderchen

Bild 1 : Das Ausgangsmaterial
Bild 2 : Unterseite in der Werkstatt
Bild 3 : Frisch geölt
Bild 4 :emoji_frowning2:halbwegs) trocken und fertig mit Auszugsplatten
Bild 5 : Im Wohnzimmer :emoji_slight_smile:
 

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