Schwinden - Reißen ???

dascello

ww-robinie
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Liebes Forum,

es gibt das was, das ich überhaupt nicht verstehe.
Wie einigen von Euch wissen, baue ich ja Instrumente, in erster Linie Cembali.

Hierbei scheinen andere Regeln zu gelten, als im Schreinerhandwerk. Die Instrumentenbauer der letzten 500 Jahre verleimen ihr Holz kreuz und quer, trotzdem reißt das nicht immer. Beispiel: Im vorletzten Jahr baute ich einen Resonanzboden aus nur 3 mm starker Fichte, engjährig, stehende Jahresringe. Auf der Unterseite gibt es diagonal verleimte Rippen, oben drauf ein Steg, ebenfalls diagonal zum Faserverlauf der Resonanzbodens. Ich verleimte das im April, drehte vorher die Heizung ein paar Tage volle Pulle auf, damit das Ding möglichst trocken wurde.
Das Instrument ist fertig, nichts ist gerissen.
Anderes Beispiel: Ich habe eine unfertige Gambe. Der Boden aus zwei Teilen Ahorn, längs verleimt, dann innen eine 3 mm starke quer verleimte Platte aus Fichte zur Verstärkung da, wo der Stimmstock den Druck der Saiten nach unten überträgt. Auch da ist nichts gerissen.

Wie kann das sein?

Der aktuelle Grund: Ich verleime gerade einen Cembalo-Unterboden (Gehäuseboden) aus 11 mm starker Pappel. Das Brett ist insgesamt 226 cm lang, an der Frontseite 76 cm breit. Da soll nach historischem Vorbild jetzt vorne quer eine Abschlussleiste bündig eingenutet und verleimt werden.
EIGENTLICH GEHT DAS NICHT! Daher graut mir davor, da die Leimflasche aufzumachen.

Mein Freund Klaus, Schreiner von Beruf und ziemlich guter Kontrabassist, sagt, ich solle mir keinen Kopp machen. Wenn er sich seinen Bass ansähe, müsse er auch den Kopf schütteln. Instrumentenbau habe andere Regeln

Nun ist es tatsächlich so, dass Risse in Tasteninstrumenten fast billigend in Kauf genommen und mit Spänen ausgefüllt werden.

Trotzdem: Wie kann das sein, dass mein Resonanzboden nicht reißt?


Gruß


Michael
 

dascello

ww-robinie
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220 cm lang, an der breitesten Stelle 80 cm breit, sich nach hinten verjüngend
 

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Joka1977

ww-eiche
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Hmmm das ist jetzt kein Wissen, sondern eine Vermutung: ...das Holz ist sehr dünn und frei schwingend, jedenfalls im Rahmen. ...dadurch, daß es so dünn ist, verkraftetet es Volumenschwankungen im Material besser.
 

500/1

ww-esche
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Hallo,
Musikinstrumente sind in Ihrer klassischen Form so gebaut, dass die Schwund und Quellspannungen zum größten Teil durch die Konstruktion aufgefangen werden.

Beispiel: Im vorletzten Jahr baute ich einen Resonanzboden aus nur 3 mm starker Fichte, engjährig, stehende Jahresringe. Auf der Unterseite gibt es diagonal verleimte Rippen, oben drauf ein Steg, ebenfalls diagonal zum Faserverlauf der Resonanzbodens. Ich verleimte das im April, drehte vorher die Heizung ein paar Tage volle Pulle auf, damit das Ding möglichst trocken wurde.
Das Instrument ist fertig, nichts ist gerissen.

3mm starke Fichte, wenn die mal trocken war trocknet die extrem schnell, also vermute ich, dass das Holz auch sehr trocken war, als es verbaut wurde. Da kann es dann schonmal keine Schwundrisse geben. Die Kräfte, die beim quellen entstehen, werden wahrscheinlich konstruktiv aufgefangen ohne dass es zu Rissen kommt. Was genaueres kann man so aus der Ferne nicht sagen.

Anderes Beispiel: Ich habe eine unfertige Gambe. Der Boden aus zwei Teilen Ahorn, längs verleimt, dann innen eine 3 mm starke quer verleimte Platte aus Fichte zur Verstärkung da, wo der Stimmstock den Druck der Saiten nach unten überträgt. Auch da ist nichts gerissen.

Das ist doch eigentlich nicht mal so unüblich an kleineren Stellen ein Stückchen Holz quer zur faser aufzuleimen. Z.B. an den F-Löchern um Rissen vorzubeugen.
Wie groß das Stück am Stimmstock ist kann ich natürlich nur erahnen.

Der aktuelle Grund: Ich verleime gerade einen Cembalo-Unterboden (Gehäuseboden) aus 11 mm starker Pappel. Das Brett ist insgesamt 226 cm lang, an der Frontseite 76 cm breit. Da soll nach historischem Vorbild jetzt vorne quer eine Abschlussleiste bündig eingenutet und verleimt werden.

Hierbei hätte ich auch Bedenken. Technisch die sauberste Lösung wäre, mit einer Nutleiste und gestemmten Zapfen, wobei der Leimauftrag nur im Zapfenbereich stattfindet.

Gruß
 

dascello

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Hallo,

wenn ich kann, verbaue ich nur Holz, das 20+ Jahre aufm Buckel hat. Also klar, vor dem Aushobeln war das furztrocken und die Heizungsaktion sorgte dafür, dass der Resonanzboden vor dem Einleimen so klein wie möglich wurde.

Aber meine Pappel ist nun nicht so alt. Kammergetrocknet halt. Da werde ich jetzt wohl einfach loslegen uns sehen, was passiert. Gerissene Unterböden liefern auch mein Profikollegen ab. Dann wird eben geflickt, sieht man ja nicht.

Dank für Eure Gedanken

Gruß

Michael
 

elgarlopin

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Mein geschätzter 500/1!

Ich habe in diesem Forum lange mehr keinen fred (Computer-Neudeutsch) gelsen, der mich so sehr interessiert hat und der so von fundierten Erfahrungen und Wissen geprägt ist!
Allen vielen Dank dafür!
Eine Bitte habe ich @ 500/1:

Mach die Zitate kenntlich, sodass sie sich von deinem eigenen Text deutlicher abheben. Das erleichtert das Lesen enorm.

Grüße nochmals besonders an "Nicht-Casals"!

Franz
 

edelres

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Schwinden Reissen

Hallo Forumsfreunde,

die gleichen Gedanken kamen mir vor ca 40 Jahren, ich fertigte Fichtenbilderrahmen, einfache 10 cm breite Leisten, fuer das Bild gefalzt und mittels Gehrungsstanze genau geschnitten und sorgfaeltig verleimt. Das Holz war zwischen 8 % un 9 % getrocknet.

Nach einigen Jahren gingen die Innenkanten der Gehrungen auf, ca 1/2 mm auf 30 mm Laenge, sich verjuengend. Ich brachte das mit meiner zu geringen Erfahrung oder sonstige Fehler meinerseits zusammen.

Ich besuchte einen Reataurator der Sammlungen der Feste Coburg, welcher an einem Renaisance Schrank arbeitete mit xxx Verkroepfungen (aufgedoppelt), alle nach ca 350-400 Jahren so dicht dass nicht ein Haar rein passte.

Darauf habe ich den Restaurator angesprochen, was ich mit meinen Fichtenrahmen falsch machte und weil die Gehrungen auf dem Schrank dicht blieben.

Seine Antwort, damals wurden die Baueme gefaellt wenn diese reif waren, d. h. wenn das Wachstumsende des Baumes erreicht war. Dieses Holz wurde jahrelang luftgetrocknet und erst nach dieser Zeit verarbeitet. Holz in diesem Reifestadium veraendert sich nicht mehr bei der Verarbeitung und spaeter.

Adlbert Stifter beschreibt in einem Buch das 1840 erschien, einen Zitherbauer welcher fuer seine Instrumente beruehmt war. Von diesem Mann erwarb er ein Instrument. Der Zitherbauer erklaerte ihm, dass er keine so gut klingenden Zithern mehr bauen kann, da die alten Hoelzer/Baeume nicht mehr zu finden sind.

Bei den Furnierherstellern wird fuer einen reifen mehrhundertjaehrigen Eichenstamm, auf den Holzauktionen im Spessart sehr viel Geld bezahlt. Selbst aus Japan und den USA kommen Bieter zu diesen Auktionen.

Als Gedankenanstoss.

mfg

Ottmar
 
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