Inhalt einer sinnvollen Meisterausbildung?

Fisch

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Die vielen Hits und Beiträge bei der "Umfrage Meisterausbildung" machen mir Mut, meine Frage zu stellen.

Das Beklagen der heutigen Meisterausbildung der Tischler und Schreiner in Deutschland ist eine Sache. Aber wie soll denn eine sinnvolle Meisterqualifikation wirklich aussehen? Was ist als Inhalt wichtig? Welche Unterrichtsform sinnvoll?

Ich frage dieses, weil wir uns bei der Handwerkskammer Freiburg ganz konkrete Gedanken um eine Neuformierung der Meisterausbildung der Tischler und Schreiner machen.

Vielleicht hat jemand konkretere Vorstellungen oder Wünsche.

Würde mich freuen.
Gruß
Christian
 

raftinthomas

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hallo christian,

vor ab halte ich eine ordentliche grundbildung der teilnehmer für notwendig. das heisst konkret, das fachwissen der gesellenprüfung, ebenso sicheres beherrschen von prozentrechnen, dreisatz, winkelfunktionen und phytagoras. ersteres kann man leicht mit einem fachbuch wiederholen, zweiteres, so nicht vorhanden, weitaus kostengünstiger bei der VHS nachholen. sowas darf und kann nicht sinn einer meisterausbildung sein. und das muss auch vorher klar gesagt werden.
ausserdem erwarte ich eh von jemandem, der meister sein will, dass er nicht nach der prüfung alles schnell vergessen hat und nix mehr dazugelernt hat. ein interesse am beruf sollte schon erkennbar sein.
beim fachlichen teil würde ich wert legen auf
- tipps und tricks und fallstricke in ausschreibungen
- umgang mit mängelrügen
- welche normen und vorgaben müssen bei welchen arbeiten beachtet werden ( treppenbau, fenster etc), wo bekomme ich solche infos her
- was ist "stand der technik"

soweit mal aus dem ärmel geschüttelt, später mehr konkretes.
nebenbei, ohne schleimen zu wollen: einer der wenigen jungs, die ich kenne und die mit ihrer ausbildung zufrieden sind/waren, hat in freiburg seinen meister gemacht. ist allerdings schon >15 jahre her. ist das noch 2-jährig bei euch ?
 

Rühl

ww-robinie
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Du solltest darauf achten das Dinge wie CAD und CNC behandelt werden, am besten sogar praktisch.
Das ist längst nicht bei allen der Fall.






Gruß Ulf
 

carsten

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Hallo

sehr schön das sich mal eine Ausbildungseinrichtung am Markt umhört, was man verbessern könnte und nicht die realitätsfremden Verwalter von Leehrplänen das alleinige Sagen haben.
Ich selbst besuche derzeit eine Vollzeitmeisterschule.
Allgemein erachte ich die Ausbildung hier als gut und ebenso gut auf die Prüfung vorbereitend. Das Problem ist nur das die Prüfung nicht realitätsnah ist.
Laut Aussage unseres Lehrers existieren in dem Fragenkatalog noch Fragen die längst nicht mehr aktuell bzw. sogar falsch sind ( K-Wert, FPX-Platte).
Der Anfang muss also meines Erachtens mal bei den Fragen gemacht werden. Blöd nur das die Herrn aus dem Prüfungsausschuss an ihren Posten festkleben und keine frischen engagierten mit aktuellerem Wissen ausgestattete Meister reinlassen. Der Beruf des Schreiners ist sicher ein traditioneller und diese Tradition sollte auch gepflegt werden, aber auch in unserem Job gibt es fast tagtäglich Neuerungen, Vereinfachungen und Neues.
Wichtige Punkte die mir fehlen sind z.B. Englisch, EDV ( auch wenn letzteres bei uns recht ausführlich gemacht wurde).
CAD und CNC sind zu Schulmäßig und nicht an der Realität orientiert ausgebildet worden. So wie ich heute mit dem CAD Programm zeichne, zeichne ich bestenfalls noch mein Meisterstück und die Prüfung in CAD. Danach vermutlich nie wieder so.
Die wirklichen Vorteile und Stärken eines CAD Programms wurden uns nie richtig gelehrt. Als CAD Anwender in einer Schreinerei könnte ich mit dem Wissen nicht erfolgreich arbeiten.
Auch die sinnvolle Anbindung an ein Branchenprogramm blieb und verborgen.
Von der Theorie kann ich mich nicht beklagen, die Ausbildung ist Top; aber eigentlich zu großen Teilen auch nur im Hinblick auf die Prüfung.
Provokant gefragt was interessiert mich als Schreiner später der detaillierte zellulare Aufbau von Holz und Blättern. Zum Verstehen warum Holz schwindet, reichen 20-30 % was ich aus dem Bereich alles gelernt habe.
Und selbst dieses Wissen brauche ich nur für mich selbst. Um erfolgreich als Schreinermeister am Markt bestehen zu können ob angestellt oder selbstständig bringt mir das nix.
In der Realität zählen Kalkulation, Ausschreibung inkl. aller Feinheiten, Normen, Prüfungen von Bauteilen, Bezugsquellen von Infos, Kontakte usw.
Ein wichtiger Punkt ist bei uns recht ausführlich und gut behandelt worden.
Mitarbeiterführung, oder Berufs und Arbeitspädagogik wie es offiziell bei uns genannt wurde.
Netter Spruch den ich glaube mal hier im Forum aufgeschnappt habe:
Solange ich mit meinen Leuten Geld verdiene ist das OK.
Aber wenn ich an meinen Leuten Geld verdiene, dann höre ich auf!!!
Mein Ziel als Chef muss es sein das der Betrieb langfristig am Leben bleibt nicht die optimale Gewinnmaximierung, denn dann bin ich schnell an dem Punkt den wir heute bei AEG und Co haben.
Bei Mathematik haben wir das Problem der starken unterschiedlichen Schulischen Vorbildung der einzelnen Schüler.
Vielfaches Problem bei uns ist der Lehrplan an den unsere Schule weitestgehend gebunden ist. Bis ein solcher Plan durch zahlreiche stattliche Instanzen "erneuert" ist, ist der Plan schon wieder doppelt veraltet.
 

MaHo

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Hi,

@Thomas:wir mußten auch ne Din A 1 Zeichenplatte mitbringen(mal eben 400 DM:emoji_frowning2: )
Armes Deutschland:emoji_open_mouth: und was bekamen wir dafür: ne zweifelhafte Meisterausbildung:emoji_open_mouth: (ein wenig überspitzt:emoji_wink: )


@an Alle: was habe ich vermißt:ne praxisbezogene CNC/CAD-Aubildung-nicht bloß 4 Tage:mad: sondern mind. 200 Std.
-Treppen:null praxis ,nur ein wenig theorie -den rest muß ich mir selber beibringen mit Hilfe von Willibald Mannes:rolleyes:
-Ausmessen von Fenster/Türen in der praxis(Altbauten,Neubauten)
-fachspezifisches English könnt man auch gut gebrauchen:rolleyes:
-Marktanalyse :emoji_stuck_out_tongue:roduktnischen,Design,Umgang mit Kundenwünschen
-realitätsnähere kalkulationsrechnung

mußt fairerweise sagen,das ich nur Teilzeitkurs teil 1+2 mitgemacht habe-der im Schnitt ~400 std. weniger hat als ein Vollzeitkurs( 1200 Std.)

vielleicht wäre eine Zulassungsprüfung(theorie u.praxis) zum Meisterlehrgang
nicht verkehrt ?!
 

Fisch

ww-nussbaum
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Eine sinnvolle Meisterausbildung

hallo zusammen,
danke für die Gedanken und Vorschläge.

Ich sehe vor allem: Es soll keine 08/15 Ausbildung sein. Die ist heute in den meisten Fällen prüfungsorientriert: Sowohl bei den Interessenten an einer solchen Ausbildung , soll also möglichst billig sein, möglichst schnell gehen und der Aufwand möglichst klein - wie auch von den Anbietern, die sich dem Druck der Nachfrage anpassen und Kurse anbieten, die die Kosten minimieren und die Mühen, indem sie eben "nur" darauf vorbereiten, die Prüfung zu bestehen. Der "Schein" ist alles, der Nutzen aber fraglich!

Für mich hat Carsten dieses so beschrieben:
Wichtige Punkte die mir fehlen sind z.B. Englisch, EDV ( auch wenn letzteres bei uns recht ausführlich gemacht wurde).
CAD und CNC sind zu Schulmäßig und nicht an der Realität orientiert ausgebildet worden. So wie ich heute mit dem CAD Programm zeichne, zeichne ich bestenfalls noch mein Meisterstück und die Prüfung in CAD. Danach vermutlich nie wieder so.
Die wirklichen Vorteile und Stärken eines CAD Programms wurden uns nie richtig gelehrt. Als CAD Anwender in einer Schreinerei könnte ich mit dem Wissen nicht erfolgreich arbeiten.
Auch die sinnvolle Anbindung an ein Branchenprogramm blieb und verborgen.
Von der Theorie kann ich mich nicht beklagen, die Ausbildung ist Top; aber eigentlich zu großen Teilen auch nur im Hinblick auf die Prüfung.
Provokant gefragt was interessiert mich als Schreiner später der detaillierte zellulare Aufbau von Holz und Blättern. Zum Verstehen warum Holz schwindet, reichen 20-30 % was ich aus dem Bereich alles gelernt habe.
Und selbst dieses Wissen brauche ich nur für mich selbst. Um erfolgreich als Schreinermeister am Markt bestehen zu können ob angestellt oder selbstständig bringt mir das nix.
In der Realität zählen Kalkulation, Ausschreibung inkl. aller Feinheiten, Normen, Prüfungen von Bauteilen, Bezugsquellen von Infos, Kontakte usw.
.

Und ich gebe zu: ich habe mich da auch ein Stück weit wiedererkannt, denn ich habe ganz gerne den molekularen Holzaufbau unterrichtet ( weil er ja abgeprüft werden könnte), mich aber zugleich im stillen nach dem Nutzen solcherart intensivierten Wissens gefragt.

Ich glaube, eine zukunftsausgerichtete Meisterausbildung müßte praxisorientiert sein. Sie müßte befähigen , die Entwicklung des (Absatz-)Marktes einschätzen zu können, um auf diesem Hintergrund unternehmerische Entscheidungen fällen zu können: Wo kann ich etwas verkaufen - wo kann ich Geld verdienen. Beherrscht werden müßten dann Techniken, diese Grundsatzentscheidung in der Betriebspraxis umsetzen zu können. Eine solche Ausbildung wäre elitär, nicht der Schreinerbetrieb von gestern, der heute nur noch mühsam über die Runden kommt, wäre das Vorbild, sondern die Betriebe, die heute Erfolg haben!

Die gibt es ja - allem Gestöhne und Verkaufs- und Insolvenzennachrichten zum Trotz.

Dazu gehörte dann wie selbstverständlich eine durchgängige EDV-Anwendung vom Branchenprogramm über AV/CAD bis hin zur CAM-Anwendung. die Beherrschung moderner Kommuniktaionsmethoden,dazu gehörten auch wie bei den Schweizern Betriebsuntersuchungen, die als Seminararbeiten angefertigt werden müssen . Dazu gehörten Eingangstests , wie vorgeschlagen., die sicherstellen, daß man nicht immer bei dem Problem " wie teile ich einen Bruch durch einen Bruch" oder "wie stelle ich eine Formel um?" beginnen müßten. Die aber auch Auskunft geben, warum einer den meister machen will. Die Schweizer lassen übrigens Bewerber mit nebulösen Vorstellungen auf diese Frage nicht zu: "Wer will 30.000 Franken ausgeben,ohne genau zu wissen warunm?"

Soweit für heute vielleicht einmal.
Bin gespannt, wie euch die Idee der Elite schmeckt.

Gruß aus Freiburg
Christian
 

raftinthomas

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ob das betriebswirtschaftliche mehr in den vordergrund gestellt werden sollte, bezweifle ich, das sollte imho eher beim betriebswirt zu finden sein
praxisorientiert schliesse ich mich an, würde das aber eher auf den bereich werkstatt
/AV/planung konzentrieren. im speziellen einige beispiele, die ne richtung zeigen:
-was ist das regelwerk des treppenbaus und warum gibts sowas? wie sehen einzelne (grundlegende) details dabei aus ?
-wie geht ne ordnungsgemässe fenstermontage von statten (hört sich trivial an, isses aber sicher nicht!)
-worauf ist bei parkettausführung bauphysikalisch zu achten (cm messung usw)?
ich will das mal theorie für die praxis nennen.
der molekulare zellaufbau zählt da sicher nicht zu, ich kenne aber meister, die das mit den schwundverhalten immer noch nicht völlig verstanden haben .*kopfkratz*
 

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Meisterschule Freiburg

Hallo Thomas, leider ist die Freiburger Meisterschule( Friedrich Weinbrenner) auch nicht mehr das was sie war. Sie lebt zweifelsohne noch von Ihrem Ruf vergangener Tage. Auch sie hat natürlich die Probleme mit der Zahl der Schüler, es werden halt immer weniger. Dies ist auch nicht aufzuhalten mit dem kappen der Sperrzeit nach der Lehre. Meisterschüler mit einem Alter von 20 oder 21 sind an der Tagesordnung.Ich habe die Schule selbst 2007 besucht und war auch selbst nicht zufrieden.Manche der Lehrer sehen sich eher als Götter und sind sehr Hochnäsig, was reziprog zu Ihrer Leistung steht, dort ist meist nach kurzem Fachdialog Ende der Fahnenstangeund sie verweisen auf Bücher.Die Fachleher im Praktischen Bereich sind sehr gut und haben mit Ihrem Chef, einem Bayer auch einen Top Leader.Gekoppelt ist der besuch der Freiburger Meisterschule natürlich auch mit der Prüfung bei der Innung Freiburg, die... aber lassen wir das.So sind wir dann doch alle noch zum Meister geworden und freuen uns darüber. Gruß Christian
 

edelres

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Meisterausbildung

Hallo Christian & Forumsfreunde,


Hier in den USA, mein Erfahrungsbereich ist die suedliche Halbinsel der San Franziskobuch, habe ich in zwanzig Jahren ca 50 - 80 Schreiner besser kennengelernt. Hier gibt es keine Meisterausbildung, alle die diesen Beruf ausueben mussten sich die Fertigkeiten selbst erarbeiten. Dabei ergab es sich von selbst, nur das zu erlernen, welches sich in Erfolg = gutes Einkommen umsetzen laesst.

Bei den Anforderungen an die Produkte, sehe ich keinen Unterschied zwischen USA und D, gute Qualitaet zu einem marktgerechten Preis.

Damit will ich ausdruecken, wie es ohne Meisterausbildung funktioniert.

Im geschichtlichen Rueckblick, ist das Meistersystem ein Teil des Feudalismus. Meister konnte der Sohn oder Tochter(?) eines Meisters werden, oder durch die Heirat einer Meisterswitwe. Gesellen wurden als billige Arbeitskraefte gesehen die man nach Bedarf Einstellen oder Entlassen konnte. Nach meiner Ansicht, lag das Koennen und die Erfahrungen in den um Arbeitsplaetze hungernden Gesellen, fuer diese gab es kaum eine Aufstiegsmoeglichkeit zum Meistertitel.
Fritz Hellwag schreibt in dem Buch "Die Geschichte des Deutschen Tischlerhandwerks", das z. B. In Augsburg ansaessige Tischlermeister sich darueber beschwerten,dass der vom Rat ernannte Meister kein Schaustueck (Meisterstueck) abgeliefert hat. Zwischen der Ernennung und den Klagen der Zunft konnten viele Jahre liegen.

Bei den Schornsteinfegern in D funktioniert das Feudalistische System heute noch(*).

(*) Behoerdlich festgelegte geschuetzte Bezirke. (Stand ca 1970)

Nach dem hier im Forum soviele Klagen/Beanstandungen an der jetzigen Meisterausbildung geaussert werden waere mein Vorschlag, die erfolgreichen Meister der letzten Jahre in diese Diskussion einzubinden. Aus diesem Erfahrungspotential liese sich ein effizienter Weg fuer die heutige und zukuenftige Meisterausbildung erarbeiten.

Als Nichtschreiner, Liebhaber aller Handwerke und Bewunderer der Leistungen im Handwerk von einst und jetzt - als Gedankenanstoss.

mfg

Ottmar

PS: Theoretisch duerften die heutigen Handwerker, nichts Wissen und Koennen. Ich habe von mehreren Generationen von Meistern gehoert, dass die Lehrlinge/Gesellen nicht mehr so gut sind wie Frueher, die so gescholtenen wurden spaeteren Meister und wiederholten dies und und und

Das von mir geschriebene stellt meine Meinung dar und soll in keiner Weise irgend eine Kritik darstellen!
 

magmog

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am hessischen Main, 63500
guude,

1. das meistersein muß man sich selber erarbeiten, egal ob mit oder ohne prüfung.

2. die kurse dienen zur überwindung der anforderungen der wie auch immer gearteten prüfungskommision.
3. wer klever ist nutz die kurse um zusätzliches wissen zu schöpfen.
4. der lehrkörper ist teuer bezahlter dienstleister! der seine dienste an teuren fachleuten zu erbringen hat!

gut holz. justus.
 
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