Furnieren oder "Dreischicht"

dascello

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Liebes Forum,

hier eine Frage um Rat. Der Stimmstock eines Cembalos nimmt die Wirbel auf, die dem Zug der gefühlt zweihundert Saiten widerstehen müssen. Daher wird dieser Stimmstock tradionell aus stabilsten Hölzern hergestellt. Früher war das ein massiver Block aus Eiche oder Nussbaum, oft furniert um des guten Aussehens willen. Später dann im Klavierbau ging man dazu über, schichtverleimtes Buchenholz zu verwenden, vor allem, um der manchmal doch anzutreffenden Rissbildung entgegen zu treten, was natürlich dem Wirbelsitz zugute kommt.

Ein Cembalostimmstock ist ein Block von der ungefähren Größe 100 cm breit, ca. 22 cm tief und etwa 45 mm stark, vorn quer auf das Stabilste im Instrument eingebaut.

Mein nächstes Instrument folgt einem sächsischen Vorbild von 1740 (s. Foto), das einen Eiche-Stimmstock enthält, 44 mm stark und in der Maserung natürlich quer zum Instrument, also die 100 cm entlang laufend eingebaut. Oben drauf hat der alte Meister ein Furnier aufgeleimt, 2 mm stark, auch Eiche und längs im Instrument, also die 22 cm lang laufend.
Schreinerisch gesehen also eher grenzwertig, vor allem, da ich noch nicht mal weiß, ob ein Gegenzugfurnier unten drunter zu finden ist. Ich bezweifle das aber.
Nun ja, so, wie es im Berliner Museum steht, ist da nichts groß gerissen, ich weiß aber nicht, wie oft das in den 250+ Jahren schon restauriert wurde.

Nun zum Nachbau: Ich könnte das natürlich genau so machen und warten, was passiert. Ich könnte aber auch anders vorgehen. Ich könnte die Mittellage nur 30 mm stark machen und oben und unten 7 mm starke Lagen quer vorsehen und mit der Furnierpresse verleimen, also praktisch eine ziemlich heftige Dreischichtplatte anfertigen.

Hierzu die Fragen:
Würde das statisch ebenso stabil wie die 44 mm massiv?
Wäre eine andere Kombination der Stärken günstiger (z. B. 5/34/5 mm oder so)?
Wie gehe ich bei derart dicken Deckschichten vor? Fügen, Furnierklebeband und Presse? Oder fügen, verleimen, in der Breitband auf Stärke kalibrieren und dann die drei Teile in die Presse?

Oder ist das alles Unsinn und ich furniere besser mit handelsüblichem 0,8 mm-Furnier?


Ich bin überzeugt, dass der Wirbelsitz in einer Dreischichtplatte optimal wäre. Wenn der Stimmstock aber dann mehr zum Verformen neigt, dann lieber nicht, denn der Gesamtzug der Saiten entspricht etwa 0,8 Kilopond!


Grüße vom Rhein, der auf Schnee wartet



Michael
 

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dascello

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Ähemmmmm! Saitenzug natürlich 800 Kilopond. hab mich da mal locker um den Faktor Tausend vertan :emoji_grin:


Gruß vom kälter werdenden Rhein (heuts schneit's noch!)

Michael
 

derstraubi

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Wenn Du das nicht massiv machst, dann Schichtverleimt. Das heißt aus mehreren Lagen, die alle gleich, der Länge nach laufen. Dafür möglichst gesägte Dickten nehmen, weil geschältes oder gemessertes Furnier immer viele Risse enthält. Außerdem verbessert man das nicht durch extrem viele Lagen, weil der Leimanteil dann letztlich zu groß wird. Ich halte nichts von Dreischichtplatten wenn es um große Kräfte geht. Eine Lage läuft immer falsch. Maximal ließe sich über eine schräge Schichtung (um einen kleinen Winkel verdreht) reden. Täte übrigens auch nicht das Rad neu erfinden. Was an alten Stücken erhalten ist funktioniert. Die Fehlversuche sind schon im Ofen.
Was das antike Trumm betrifft, so ist meine Erfahrung, dass alles Massivholz, das längs gleichlaufend furniert ist nicht reißt (zumindest nicht wegen des Furniers).
Die Seiten von alten Schränken sind meist längs auf Massivholz furniert und da gibt es in der Regel keine Schäden (wenn nicht irgendein Konstruktionsfehler das Holz am arbeiten hindert). Ich kenne in alten Biedermeierkommoden Schubladenvorderstücke, die auch quer abgesperrt wurden und gut gehalten haben. Eventuell ist das auch einem elastischen Leim zu danken (Hasenleim, Fischleim oder so).
Holzart täte ich besonders feste Hölzer nehmen Eiche, Buche, Ahorn (leimt etwas schlecht), Rüster, Akazie/Robinie (arbeitet), Esche.
 

dascello

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Vielen Dank, Straubi, für Deine Einschätzung. Du bestätigst mein Bauchgefühl, dass in diesem Fall nichts über so viel Massivholz wie möglich geht. Da ich oben drauf das Quer gelegte Furnier brauche (Optik), werde ich einen 40 mm Kern anfertigen (evtl. aus durchgehenden Lamellen) und sowohl oben als auch unten 2 mm starkes gesägtes und ausgehobeltes Furnier aufleimen. Das Ganze in der Furnierpresse. Im schlimmsten Fall wird die obere Furnierschicht irgendwann reißen, aber das wird das Instrument dann strukturell nicht schwächen, was bei einem Defekt in der Verleimung einer Dreischichtplatte ja unbedingt der Fall wäre.

Ein schönes Wochenende (hat's Schnee?) wünscht

Michael
 

welaloba

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Hallo Michael, ich hätte da mal eine (fast) off topic Frage: Stecken die Wirbel einfach so im Holz oder haben die nochmal Führungshülsen?
Werner
 

derstraubi

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Bei quer aufgeleimtem Furnier reißt nicht das Furnier. Diese dünne Schicht hat dazu quer zur Faser nicht genug Kraft.
Eher reißt das Trägermaterial weil das Furnier in der Länge nicht arbeitet oder die Verleimung versagt und es bilden sich "Ableimungen" "Kürschner", Blasen halt.
 

dascello

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@Werner

Die stecken einfach im Holz. Sind zylindrisch mit einem kurzen Konus am Ende.
Man wickelt die Saite auf und hämmert die Wirbel in die Löcher. Stärke der Wirbel : 4 mm, Bohrung 3,5 oder 3,7 mm. Vor dem Einschlagen kommt etwas Talkum dran, damit sich das Ding später schön geschmeidig stimmen lässt. Lose Wirbel kriegen eins mit dem Hammer auf'n Kopp. Dann kriegen sie frisches Holz unten und greifen wieder.
Es sind auch Wirbel von 5 mm Durchmesser in Gebrauch, die ganz feine gewindeartige Riefen haben. Auch die werden eingeschlagen und ziehen dann beim Drehen nach unten. Sind aber nicht historisch und lassen sich kaum rausnehmen und wieder einsetzen, ohne dass das loser wird als vorher. Daher benutzen ernsthafte Cembalofritzen die historischen.

Wieder mal: Was neu ist, ist selten wirklich besser.


Gruß

Michael
 
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