Der Meinungsartikel (als sachlich möchte ich den nicht bezeichnen) ist absolut tendenziös und lässt relevante Punkte weg.
Es ist daher absolut unmöglich sich mit dem Thema Verordnungen auseinanderzusetzen ohne sich die Frage zu stellen warum und mit welchem Lenkungszweck es diese Verordnung gibt. Damit sind wir zwangsweise in der Politik. Aber ich versuche es so gut es geht drumrum zu fahren.
Ich für meinen Teil kann das ewige Bürokratiebashing nicht mehr hören. Immer wird so getan als würde da die böse EU/Regierung etc. ständig Regeln erfinden um den einfachen Bürger zu schikanieren. Ist doch Unfug.
Fragen wir uns dochmal, warum wir diese Regeln haben:
1. Die Regeln haben wir, weil sich ständig insbesondere Großkonzerne, aus reiner Profitgier über jeden Anstand hinwegsetzen. Wir bräuchten keine Entwaldungsverordnung, wenn Nutella für sein Palmöl nicht riesige Flächen Wald roden würde.
Wir bräuchten auch keine Lieferkettengesetze, wenn Unternehmen die hier verkaufen von sich aus Wert auf Anstand, Respekt und Menschenwürde legen würde. H&M, C&A, Primark oder sonstwem ist es aber komplett egal, in welchem Sweatshop zu welchen Bedingungen ihre Sachen hergestellt werden, Hauptsache die Margen stimmen.
2. Die Regeln machen die Unternehmen z.T. selbst. Wir sind politisch für eine unglaublich hohe Stellung von Eigentum, was die Bildung von Großkonzernen begünstigt. Die wiederum wollen nicht nachdenken sondern geben ihre Aufgaben und Anforderungen einfach 1:1 nach unten weiter. Die Marktposition ist so dominant, dass sie es sich leisten können. Ein guter Freund hat jüngst im Bereich der Automobilzulieferer geforscht. Wenn man alle Anforderungen, die BMW für ein Modell an seine Zulieferer diktiert ausdruckt, reicht der Stapel höher als die Konzernzentrale. Und das sind keine EU Forderungen sondern die Marktmacht ist eben so stark, dass man alles verlangen kann.
Von Porsche weiß ich, dass es Personen gab die die Meßlatte für Kunststoff immer etwas höher gesetzt haben als gerade möglich war. Es wurde solange Material unter dieser Messlatte akzeptiert, bis ein Zulieferer es geschafft hatte. Dann wurden alle anderen gezwungen das auch zu schaffen. Und es war völlig egal, ob es diese Anforderungen überhaupt brauchte, es ging ums Prinzip einfach immer etwas besser zu sein. Das treibt den Aufwand und den Preis und immer wieder fallen Unternehmen hinten runter, das war Porsche aber grad egal.
3. "Kundenpflege". So hat mein früherer Chef es immer euphemistisch ausgedrückt, wenn man eine Norm oder Verordnung so geändert hat, dass man sich selbst die Kunden gesichert hat. Eindrucksvolles Beispiel gab es gerade bei Extra3:
https://www.youtube.com/watch?v=QBlbVJgBNwQ
Da hat die Lobby halt durchgesetzt, dass auch solche harmlosen Dinge wie Backpulver zetifiziert werden müssen. Ein Unternehmen für Pflanzenschutzmittel kann das jetzt zertifizieren, da die Prozesse gut kennen und das Zeug teurer verkaufen, wärend bisherige Hersteller von Backpulver in dem Bereich nicht tätig sind und die Kompetenzen nciht aufbauen wollen.
Genauso landen Wieland-stecker plötzlich in Solarverodnungen, damit nur noch Elektriker die Dinger einbauen dürfen, Feuerwehrautos bekommen neue Farbvorschriften, damit mal wieder ordentlich lackiert und beklebt wird etc.
4. Mangelndes unternehmerisches Risiko. Unternehmerisches Risiko will heute eigentlich nicht mehr wahrgenommen werden. Wir schaffen dutzende an Mechanismen, Absicherungen und beschäftigen Horden an Anwälten damit nie irgendwer persönlich irgendwo für irgendwas verantwortlich ist. Das funktioniert aber nicht. Der NDR hat das zumindestesn mal angesprochen in einer Doku:
https://www.youtube.com/watch?v=JyXWtQfFLZA
Problemlage ab 18:30, Einordnung ab 32:00.
Es geht um die Regelung zur Finanzierung von Terrorismus. Die EU Regelung sagt, das darf man nicht (vielleicht auch keine ganz doofe Idee). Die Umsetzung davon ist aber gar nicht vorgeschrieben, das liegt in der allgemeinen Sorgfaltspflicht. Jedes Unternehmen muss das also für sich bewerten. Das hier proträtierte Unternehmen kommt zu der Auffassung, es müsste das bei jeder Überweisung prüfen. Vollkommen Banane, die werfen sich selbst den größten Bürokratie-Ast zwischen die Beine.
Man darf auch keine Hehlerware kaufen, dennoch lässt man sich nicht vor jedem Einkauf im Unternehmen bestätigen, dass es keine Hehlerware ist.
5. Lenkungswirkung. Wir sind ja allesamt nicht wirklich bereit uns zu verändern. Zumindest reichen die bestehenden Veränderungen nicht aus um mit den Herausforderungen der Zeit Schritt zu halten. Um uns also ein Stück weit zur Veränderung zu zwingen gibt es eben auch Verordnungen zur Dämmung an Häusern.
Einfacher wäre es, wenn wir rückwirkend die bestrafen könnten, die sich rücksichtslos verhalten. Ein bisschen so wie der amerikanische Ansatz, bei dem du erstmal sehr viel auf den Markt werfen kannst, aber bei Problemen kassierst du für Lappalien dann Millionenstrafen. Aber auch da wirst du nicht rückwirkend bestraft. Wenn es heute legal ist deine Arbeitnehmer die ganze Woche durchschuften zu lassen und in 30 Jahren kommt raus das ist gefährlich und die Arbeitszeit wird auf 5 Tage begrenzt, dann musst du keine Entschädigung zahlen obwohl du mit dem unmoralischen und ausbeuterischen Verhalten viel Geld verdient hast. Es ist gut, dass wir den Grundsatz im Recht haben, da man so Rechtssicherheit erlangen kann. Er macht es eben aber auch notwendig, vorausschauend Dinge einzuschränken.
Freue mich über jeden, der*die es bis hier geschafft hat. Ich fluche selbst häufig über bürokratische Regelungen. Mein Unternehmen ist im medizinsichen Bereich unterwegs, eine unserer Kernkompetenzen ist das kennen von Regeln. Die Regeln stören mich nicht sondern, dass andere Vorteile haben, in dem sie die Regeln ignorieren, nicht kontrolliert werden und das auch nicht angeben müssen.
Ich möchte mal faire Verpackungskennzeichnung wo nicht "hausgemachte Kartoffelknödel" draufsteht, wenn die Pampe am Eingang der Fabrik mal kurz an einer Kartoffel vorbeigeschoben wurden.
Ich möchte mal, dass Firmen die mit falschen Heilversprechen werben auch empfindliche Strafen kassieren.
Ein Beispiel wo man das schönt sieht ist Eis. Eiscreme ist geschützt und muss Sahne enthalten. Also steht da nur noch "Eis" oder nur die Geschmachsrichtung drauf. "Bourbon Vanille" darf nur drauf, wenn das auch wirklich drin ist. Also entweder man nimmt einfach 0,001% davon und der Rest ist Vanillearoma oder man schreibt einfach "Vanilletraum" drauf und schon geht es wieder.
Womit wir wieder bei Punkt 1 wären, wenn die Firmen anständig wären, bräuchten wir die Regeln nicht. Aber der Unanständige macht mehr Gewinn und animiert damit alle auch alles zu tun, was gerade noch so erlaubt ist.
Und wenn ich jetzt noch einen Schritt weitergehe, dann brauche ich für meine coolen Ideen, die bestimmt viele Leute teilen eigentlich nur noch eine Reihe Regelungen, was man denn jetzt genau auf die Packung schrieben darf, denn jede Firma wird das ja bis zum Extrem ausreizen. und schon sind wir beim Anfang.
So das wars jetzt aber wirklich.