Die entführte Seele des Holzes: Ein Fall für Sherlock Holmes

woodywuudpicker

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Die entführte Seele des Holzes: Ein Fall für Sherlock Holmes

Zitat ‚andama’:
‚Ich verstehe es nicht, keiner will mehr was mit den Händen machen. Früher wurden ganze Möbel von Hand gebaut und heutzutage denken viele ohne Maschinen geht nichts. Suche mal nach dem Forumsfreund Salzer, als Absoluter Verfechter der Handwerkskunst.‘
Zitat Ende.
Quelle:
https://www.woodworker.de/forum/runde-rundholz-besenstielkopf-t96277-2.html


Der Fall:

Mensch versus Maschine

Die Beteiligten:

Da ist der Kunde,
dem man das ‚Handmade with love‘ auf alles draufpappt, wofür er bereit ist Geld auszugeben: Von der handeingedrehten Tortellini, über den handgenähten Schuh bis zum handgedrechselten Eierbecher. Der Kunde glaubt, wenn er nur das entseelte Massen-/Maschinenprodukt meidet, spränge beim Kauf des Handgemachten ein Funke Leben auf ihn über; was den Mehrpreis des Händischen überaus rechtfertigt.

Da ist das Material,
ehemals lebendiger Baum, nunmehr totes Holz, in dessen Schuld über das geraubte Leben die gesamte Verwertungskette steht, außer denen, die grundsätzlich nur in Festmeterpreisen denken, also in Kapital, und die sich den Marktgesetzen unterwerfen wie der Boxer dem Boxring: Er oder Ich. Geld gegen Leben.
Das Material ist doppeltes Opfer: Es gibt sein Leben hin und dann macht man nichts Gescheites daraus. Das Material, etwa als Möbel, landet im jährlichen Turnus im Sperrmüll oder bei 100% Wertverlust gegen Selbstabholung für 1 Euro bei Ebay und wird sofort ersetzt durch ein neues Opfer.

Da ist der Werker,
der glaubt, im Händischen, im Berühren, Anfassen, im Darüberstreichen, ja Streicheln, dem Holz eine Würde zurückgeben zu müssen, die man ihm schon als Baum nicht entgegengebracht hat. Der Werker glaubt, bei Verzicht auf Maschineneinsatz/Werkzeug mit Eigenantrieb, das Werkstück, sozusagen durch Handauflegen, ganz bibelgetreu, von den Toten auferstehen lassen zu können und vergißt, dass er dem guten Stück nicht nur seine Seele, sondern auch seine Alkohol-, seine Eheprobleme, sein Übergewicht, seine schlechte Laune einarbeitet: Sich selbst halt, in toto.

Da ist das fertige Werkstück,
das als Fensterrahmen, als Türstock, als Einbauschrank in seiner Funktionalität niemals befriedet und das als Möbel - an dem man sich binnen Jahresfrist sattgesehen hat, weil ihm das, was man ‚Seele‘ nennt, vollständig abhanden gekommen ist - alsbald dem Recycling überantwortet wird und ersetzt durch ein ‚neues‘ Produkt im end- und sinnlosen Kreislauf des Anschaffens: Hochglanzpolierte Prostitution entseelter Materialität.

Da ist der Staat,
dem die Seele egal ist, weil er sie nicht besteuern kann. Dem Staat liegt an unentwegter Produktion, an ausuferndem Konsumismus, weil er darin, vom Zoll über Lohn-/Gewerbe- bis zur Mehrwertsteuer sämtliche Teile der Produktions-Konsumtions-Kette mit Steuern abschöpfen kann.
Dem Staat ist jede Seele wurscht. Er will nur zweierlei: Geld und Macht.

Da ist die Politik.
Scotland Yard ruft den großen Autisten und bittet:
‚Der Brexit naht. Die Islamisten überrennen uns. Holzimporte werden immer teurer. Wenn wir die Welt nicht neu beseelen, werden wir im Kampf um die Ressourcen untergehen. Sie müssen die Seele des Werkstückes wiederfinden. Sie Sherlock, müssen das finden, womit man die Dinge wiederbeleben kann. Wie müssen uns dasjenige wiederbringen, was wir an die große Maschine verloren haben: Bringen Sie uns das Lebendige zurück!‘

Da ist der Detektiv:
Sherlock Holmes neigt die Schläfe, seine Augen zucken, die Oberlippe kräuselt sich. Er sagt, ohne den Blick zu wenden: ‚Wiederbeibringung der Seele des Holzes. Interessant. Ich nehme den Fall an.‘

Wie wird er den Fall lösen?
 

WinfriedM

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Oh, da hast du aber auch viel Negativität in deinen Beitrag mit eingearbeitet. An einem Tag mit guter Stimmung würdest du bestimmt schönere Wörter drechseln. :emoji_wink:

Vielleicht gibt der Baum sich ja gerne hin, will gar nicht ewig leben und möchte nach seinem Tod noch was Schönes werden, was Menschen erfreut...

Was du auch nicht vergessen darfst: In jeder Maschine steckt doch die Seele des Erbauers. Maschinen sind beseelte Dinge. Und es gibt auch heute noch gute Maschinen, in der man das Schöne erkennt, zu dem Menschen fähig sind. Es gibt allerdings auch Maschinen, in denen erkennt man die dunklen Seiten der menschlichen Seele.
 

khkb

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"Durch das Maschinenhafte in uns unterscheiden wir uns als Menschen vom Tier"

A. Bammé, G.Feuerstein, R. Genth, E. Holling, R. Kahle, P. Kempin, Maschinen-Menschen Mensch-Maschinen, Grundrisse einer sozialen Beziehung, Reinbek bei Hamburg, 1983, Einband Rückseite.
 

khkb

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Moin Winfried,

nur mal EIN ganz schnelles, aber wie ich empfinde, unmittelbar einsichtiges, beeindruckendes - und bedrückendes - Beispiel:

https://www.youtube.com/watch?v=MDlJ1gUjjOw

Hier besonders ab 1:58:10

Ansonsten kann ich das zitierte Buch nur wärmstens empfehlen. Es trägt eine sehr große Anzahl weiterer Argumente für die These zusammen.
 

WinfriedM

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Hört sich danach an, dass man sich damit erstmal ausführlich beschäftigen muss, um die Ideen nachzuvollziehen. Danke für die Buchempfehlung.
 

Pannekowski

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Moin zusammen,

das ist sicher ein ziemlich umfassendes Thema.

Ich sehe es auch so, dass es eher die Tiere sind, die "maschinenhaft" (immer unpassend im Zusammenhang mit Lebewesen) funktionieren; sie haben meist ein festes Repertoire an Verhaltensweisen für alle möglichen Situationen, zwischen denen sie i.d.R. auch nicht reflektiert auswählen.

Menschen strömen auf einen gegebenen äußeren Reiz eben nicht in einen formierten Schwarm / militärische Formation zusammen, das müssen sie mühsam lernen. Jeder mit Reiseerfahrung bei Y-Tours weiß das. :emoji_grin:

Insofern hat wohl auch eher der olle Kant in der Signatur von Klaus recht.

Gruß
Leif
 

ranx

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moin,

ich habe mich beim lesen des Beitrages vom TE gut
unterhalten gefühlt.

Ich finde das Leben auch immer wieder befriedigend.
Gerade das was einem unser Rohstoff Holz in
all seinen Lebenslagen zeigt, lässt mir auch immer
mal die Hand darüber fahren.

Mit Stolz geschwellter Brust gehe ich dann an die
Hobelbank und schneide ehrfurchtsvoll hauchzart,
einen Span nach dem anderen ab bis ich die Oberfläche
in Ihrer ganzen Pracht vor mir liegen habe.
Manchmal muss ich leider vorher aufhören wenn es
etwas drehwüchsig und astig ist und weiteres
Hobeln ein ausbrechen und zerstören der Oberfläche
nach sich ziehen könnte...

Mache bald mal Bilder davon.


Ja, und es befriedigt mich und ich habe Platz und
Lust auf mehr :emoji_slight_smile:


LG uwe
 

khkb

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Moin Uwe,

darf ich daraus schließen, dass Du meinst, wenn wir nur genug hobeln (von Hand versteht sich!), finden wir die Seele des Holzes wieder?

:emoji_wink:
 

WinfriedM

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Die Seele des Holzes finden wir wieder, wenn wir wertschätzend und achtsam mit dem Material umgehen, so dass sich auch unser Herz damit verbinden kann. Das gelingt mit Handwerkzeugen ohne Motor besonders gut. So kann man eine innige Verbindung mit dem Material eingehen, was sich in jeder Bewegung zeigt.

Motoren hingegen sind keine feinfühligen Wesen, die machen stumpfsinnig alles klein, was man ihnen zuführt.
 
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