Bau von Stühlen (Holz biegen mit Dampf)

Fatso Katz

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Hallo zusammen,
ich hatte hier vor einiger Zeit schon um etwas Hilfe gebeten. Seitdem habe ich mich mit der größten Hürde beschäftigt: Holz biegen mit Dampf.

Zusammenfassend findet man schon ausreichend grundlegende Informationen, aber gerade zum Knackpunkt "wie lange wird das Holz bedampft" wirds schwammig. Deshalb möchte ich hier meine Versuche darstellen.

Grundlagen
Folgende Bedingungen sollte das Holz erfüllen:
  • Laubholz (insb. Eiche, Esche, Buche, ...)
  • absolut geradliniger Faserverlauf
  • Luftgetrocknet (ich habe nur kammergetrocknetes bekommen, hat auch geklappt)
Man braucht:
  • eine Biegeform
  • ein Biegeband (außer bei sehr kleinen Radien)
  • eine Dampfkammer mit Dampferzeuger (ich habe ein graues Abflussrohr mit Dampf-Tapetenlöser benutzt)
  • evtl. eine Seilweinde und entsprechendes Drahtseilzubehör
Meine Versuche
Insgesamt habe ich bestimmt 3 Tage investiert, dass ich jetzt überhaupt Holz biegen kann. Also Form bauen, Biegeband fertig machen, Seilwindeaufbereiten, Dampfkammer bauen usw. Größtes Problem war für mich der große Weg, den ich mit der Seilwinde kurbeln musste. Ich habe einen Halbkreis von 54 cm Durchmesser plus 13 cm gerade auf jeder Seite. Es musste also eine Holzleiste mit ca 120 cm Länge um die Form gebogen werden - dazu muss ein ganz schönes Stück Seil mit der Seilwinde aufgekurbelt werden.
Es geht schon recht viel Bastelei und Hirnschmalz drauf, bis man soweit ist.

1. Versuch (Fehlversuch)
Teststück Eiche KD: 114,5 x 3,5 x 2,8 cm
Wässern im Wasserbad: 24 Stunden
Dämpfen: 1:30 Std

Aufbau: Biegeform an Hobelbank zwingen, Seilwinde befindet sich über eine Umlenkrolle unter der Biegeform. Nur so konnte ich "genug Weg rausholen" (später geändert). Endanschläge am Biegeband waren "nur" Eicheklötze. Jetzt erstmal Bilder:

Aufbau der Endanschläge am Biegeband
IMG_20210605_193555.jpg

Dampfkammer, noch im orangenen Rohr. Wie ich leidlich feststellen musste, hält der Kunststoff keinen hohen Temperaturen stand :emoji_grin:
IMG_20210606_151505.jpg IMG_20210606_160150.jpg

Befestigung Seilwinde am Fußgestell der Hobelbank. Hier schon ein Bild nach dem Biegeprozess. Es hat die Befestigung leider Zerrissen, wegen der hohen Kraft, die zum Biegen nötig war. Nervig bei der Anbringung war auch die Position der Kurbel.
IMG_20210606_164547.jpg

Gesamtüberblick des Aufbaus. Schon nach dem Biegen. Man muss etwas genau hingucken, um alles zu erkennen. Man sieht aber die Umlenkrolle, die Seilwinde ist schon aus dem Bild draußen, befindet sich aber "zu meinen Füßen":emoji_slight_smile:
IMG_20210606_164553.jpg

Ergebnis und Erkentnisse: Das Holz ist an einer Stelle gerissen. Es war seeeehr viel Kraft nötig, um das Holz zu biegen. Ich denke, die Leiste hätte deutlich länger im Dampf bleiben müssen. Außerdem zieht das Stahlseil zum Ende hin nur noch an der ganzen Biegeform und nicht mehr 'das Holz Richtung Form'. Später habe ich da eine Art Öse zum Umlenken angebracht.
Außerdem habe ich mich nicht wirklich wohl gefühlt hinter der Holzleiste (die dann doch noch ganz schön unter Spannung stand), in die Hocke zu gehen und zu kurbeln. Der Kopf war eigentlich voll in "Schussrichtung".
(Bild vom Ergebnis kommt noch)

Außerdem war ich ganz schön erstaunt, wieviel Kraft die gestauchten Holzfasern haben. Obwohl das Stahlseil mit hoher Kraft am Biegeband zieht, haben die inneren Holzfasern mehr Kraft und drücken die Endanschlagklötze nach außen. Deshalb habe ich dann später den Spannklotz von Veriats besorgt und noch eine Leiste außen angebracht, damit man die zu biegende Leiste besser daran befestigen kann.
IMG_20210606_164606.jpg


2. Versuch (erfolgreich):
Teststück Esche KD: 130 x 3 x 2,4 cm
Wässern im Wasserbad: 24 Stunden
Dämpfen: 2 Std
Holzleiste nach 12 Stunden aus der Form befreit und gegen "zurückbiegen" gesichert

Geändert: Anstelle der Umlenkrolle habe ich jetzt die Seilwinde auf einen Balken geschraubt und diesen an meiner Hobelbank festgezwungen, um den notwendigen Verfahrweg zu bekommen. Außerdem habe ich jetzt das Spannelement von Veritas eingesetzt und die Klötze etwas modifiziert. An die Biegeform habe ich unten eine Leiste angeschraubt und daran in die Vorderzange gespannt. Außerdem habe ich das Stahlseile durch eine Öse geführt, damit die Zugrichtung gegen Ende noch passt. Außerdem habe ich noch mehr Zwingen gekauft :emoji_sunglasses:

IMG_20210703_205202.jpg IMG_20210703_210357.jpg

Ergebnis und Erkenntnisse: Die längere Zeit im Dampf hat ganz schön was gebracht (niedrigeren Querschnitt der Holzleiste beachten) Man merkt es am niedrigeren Kraftaufwand beim Kurbeln. Die Umlenk-Öse hat es zerrissen. Gegen Ende haben die Stahlseile die Schrauben ordentlich nach außen gedrückt und das Ding gesprengt (hätte ich mir auch vorher denken können, aber man denkt schon an so viel). Außerdem hat das Spannelement den Prozess komfortabler gemacht.

Hier das Ergebnis
IMG_20210704_093426.jpg

3. Versuch (erfolgreich)
Teststück Esche KD: 130 x 3 x 2,4 cm
Wässern im Wasserbad: 39 Stunden
Dämpfen: 2:30 Std
Holzleiste nach 3 Wochen aus der Form befreit und gegen "zurückbiegen" gesichert.

Hier habe ich nur eine neue Umlenk-Öse gebaut. Der Rest war gleich. Die nochmal längere Zeit im Dampf hat nochmal einiges gebracht. Ich habe bisher nichts negatives gemerkt. Vielleicht stelle ich später noch fest, dass das Holz spröder geworden ist.
IMG_20210704_123150.jpg

Ab morgen kann ich dann das Bild des ersten Fehlversuchs nachreichen. Jetzt muss ich erstmal in den Biergarten. :emoji_sunglasses:
 

sonicbiker

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Moin,
Material mit 28 mm Stärke, noch dazu Eiche, aber auch 24 mm Esche um einen so relativ engen Radius biegen zu wollen, ist aber auch schon eine enorme Belastung und eine große Herausforderung.

Mit etwas Zeit würde ich mal experimentieren erst eine Leiste in halber Materialstärke zu biegen, dann eine zweite Leiste noch außen um die erste herum zu biegen und dann beides zu verleimen. Also eine Mischung aus Dampfbiegen und Formverleimung. Für die Vorrichtungen sicher weniger belastend und für ein sichereres Ergebnis.
Mit deutlich geringeren Stärken habe ich kürzlich übrigens nur mit Hitze aus der Heißluftpistole (ohne Dampf) auch überraschend gute Ergebnissse erzählt.
Viele Grüße, Wolfram
 

Fatso Katz

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Aber es hat doch ab dem zweiten Versuch super funktioniert?! :emoji_sunglasses: Nur der erste war ein Fehlversuch.
 

Batucada

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So ist mir doch dieser Faden glatt durch die Lappen gegangen. Wenn ich dazu die von dir verwendete Einrichtung sehe, kann ich dich beglückwünschen, dass du deine Ideen konstant umgesetzt hast. Die Sache mit dem Tapetenablöser stand bei auch schon mal auf dem Plan, ich hatte mich dann doch für eine Schichtverleimung entschieden. Aber man sieht, dass du einen langen Atem gezeigt hast, um die Experimente durchzuziehen. Mir stand damals nicht soviel Zeit zur Verfügung.

Gruß Hubert
 

Fatso Katz

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Mein Hauptproblem damals war, konkrete Infos zum Holz biegen mit Dampf zu finden. Das war der Hauptgrund für diesen Thread. Damit andere nicht so viel suchen und scheitern müssen.
Noch eine Info für alle, die es einmal brauchen: Ich habe mittlerweile das Holz auch mal 4 h im Dampf gelassen und nicht feststellen können, dass das Holz dadurch spröde o. Ä. wurde (das habe ich nämlich mal irgendwo in einem Video gehört). Viel weicher wurde das Holz aber dadurch auch nicht. Bei dem Querschnitt von oben strebe ich etwa 2,5 - 3 h im Dampf an.
 

Lorenzo

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Is ja lustig. Das war ja mal Gedankenübertragung :emoji_slight_smile:
Is aber auch angebracht. Holz zu biegen steht bei mir auch schon lange auf ner Liste der Techniken die ich gerne mal sinnvoll nutzen will.
 
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Manohara

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ich staune über den Erfolg.
So ganz habe ich die Schritte des Vorgehens noch nicht verstanden, aber ich wer' die Bilder noch weiter durchsehen. Danke dafür !

Das "schwarze Spannband" wurde in einer Beschreibung von Thonets Technik als eine für den Erfolg entscheidende Innovation genannt. Ohne dieses Band werden die außen liegenden Fasern zu sehr gestreckt und das Holz reisst dann wohl immer.

Für mich gehört Michael Thonet zu den wichtigsten und erfreulichsten Industriellen aus der Vergangenheit. Seine Stühle sind - aus meiner Sicht - die weitaus elegantesten, leichtesten und auf lange Zeit stabilsten, die jemals hergestellt wurden. Er hat als einer der Ersten echtes Handwerk in die Lage versetzt, unglaubliche Mengen an Möbeln zu produzieren.
Wenn man darauf achtet, kann man in "fast jedem Film" - auch heute noch - ein Thonet-Möbel entdecken (nein, das ist nicht wissenschaftlich belegt )

Schichtverleimt gebogenes Holz finde ich auch super, aber "dampfgebogenes" ist doch noch einen Zacken beeindruckender.

Respekt für Dein erfolgreiches Experiment.
 

Fatso Katz

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Richtig. Man findet mehr dazu unter der Bezeichnung "Biegeband".
Meines ist von Veritas. Dazu habe ich mir den Spanner gegönnt. Der ist nicht unbedingt nötig, macht das Arbeiten aber angenehmer, weil die Länge des Werkstücks nicht Millimeter genau passen muss.

Ich vermute, dass das Biegeband von Veritas aus brüniertem Stahl ist. Ich habe es Werkstückseitig mit Klebeband verpacken müssen, weil sonst die Esche mit dem Stahl reagiert und schwarze Flecken bekommt. In den Videos von Ishitani auf YouTube sieht man, dass seine Teile außen komplett schwarz sind, wenn er Eiche biegt.
Vielleicht könnte man so ein Band auch aus Edelstahl bekommen, das würde das Problem lösen.
Ohne Band gehen nur sehr geringe Biegeradien.
 

Manohara

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isch hätt da mal a Fraach:

Der "Tapetenlöser-Dampf" wird durch einen biegsamen Schlauch in das graue Abflusrohr (weniger empfindlich als das Braune?) geleitet.
Wo ist denn der Ausgang? Einfach ein Loch am Ende?
 

husky 928

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das graue Abflusrohr (weniger empfindlich als das Braune?)
Das braune (rotbraune) Rohr ist ein KG-Rohr (KG = Kanalgrundrohr), das wird vom Maurer unter der Bodenplatte vom Neubau verlegt, es dient zum sammeln des Abwasser und Regenwasser und weiterleiten in die städtischen Kanäle. Das Rohr ist aus PVC.

Das graue Rohr ist ein HT-Rohr (HT = hoch Temperaturbeständig), verwendet der freundliche Installateur als Abwasserrohr oberhalb der Bodenplatte. Das Rohr ist aus PP, und hält deutlich mehr aus, als sein Mitspieler unter der Bodenplatte.
 

Fatso Katz

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isch hätt da mal a Fraach:

Der "Tapetenlöser-Dampf" wird durch einen biegsamen Schlauch in das graue Abflusrohr (weniger empfindlich als das Braune?) geleitet.
Wo ist denn der Ausgang? Einfach ein Loch am Ende?

Ja, einfach ein kleines Loch durch das das kondensierte Wasser abläuft. Natürlich auf entsprechendes Gefälle achten
 
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