Arbeitsschutz im Betrieb

Anubix

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Wie wird es eigentlich bei euch im Betrieb mit dem Arbeitsschutz gehalten?

Ich hatte ein Erlebnis, das mir die Haare zu Berge stehen lassen hat. Wir haben eigentlich zwei Personen die für den Arbeitsschutz zuständig sind.
Nur Nr. 1 hat von nichts eine Ahnung. Sie sieht eine Flex und meint: "Das sieht aber gefährlich aus!" Sie wusste noch nicht einmal, wozu das Teil gut ist! Sie stand übrigens mit Sneakers in einer Maschinenwerkstatt! Ich musste mir auf die Zunge beißen, damit ich keinen Spruch loslasse, der mich den Job gekostet hätte!

Nr. 2 interessiert sich für nichts! Wir mussten aufgrund eines Konstruktionsfehlers, eine Kunststoffplatte auf der Fräse nacharbeiten. Ich fragte, was das für ein Material wäre, da es verdammt nach glasfaserverstärktem Kunststoff ausgesehen hat. Nr. 2 meinte daraufhin, das wäre doch egal, wir hätten doch einen Staubsauger.

Filterklasse: Papiertüte!

Ich habe mich geweigert, das Zeug zu bearbeiten und so machte es Nr. 2 zusammen mit dem Entwickler. Als erstes hat es in der Maschinenwerkstatt gewaltig angefangen zu stinken(zu hohe Drehzahl?) und als Nr. 2 hinterher bei mir in der Werkstatt noch die Bohrmaschine abgesaugt hat, habe ich nach 2min. die Räumlichkeiten fluchtartig verlassen, da ich ein gewaltiges Kratzen im Hals hatte, das den Rest des Tages angehalten hat.

Die fast neue Filtertüte habe ich anschließend entsorgt und die Werkstatt kräftig durchgelüftet. Danach konnte man wieder Arbeiten.

Privat nutze ich übrigens einen Halbmaske mit Wechselfiltern zum Schleifen und Lackieren.
 

rorob

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Hallo Anubix,
ich schätze, das wird in der Schweiz nicht grundlegend anders sein als in Deutschland, ab einer bestimmten Betriebsgröße muß ein "Arbeitssicherheitsauschuß" gebildet werden, in dem paritätisch verschiedene "Parteien" vertreten sind, und die gesetzlichen Bestimmungen sind einzuhalten. Ich glaube, Justus, alias magmog kann hierauf fundiert antworten.

Gruß
Robert
 

WinfriedM

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Wobei "Papiertüte" meist recht gut von der Filterwirkung ist. In Saugern der Klasse M sind die auch zu finden. Und dahinter gibts ja auch noch einen weiteren Filter. GFK Stäube sind ja nun auch nicht extrem gefährlich...

Das erinnert mich aber an meine Lehrzeit vor über 20 Jahre, wo ich GFK-Platinen auf der Kreissäge ohne Absaugung den ganzen Tag sägen sollte. Da hab ich mich auch geweigert...
 

Holzfummler

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Hi,
hast im Lotto gewonnen.

Leute, die keine Ahnung haben, sind nur durch Fingerspitzengeühl zu überzeugen und hoffentlich nicht erst durch einen Unfall. Wenn du es richtig machen willst, lass dich zum Sicherheitsbeauftagten der Firma ausbilden. In dt bezahlt das die BG, dauert nur ein paar Tage.
Übers Netz kannst du dir auch viele Infos von der BG holen, die gut sind, das Gebiet ist aber sehr komplex und umfangreich.

Für dich selbst bist du verantwortlich und muß auf deine Gesundheit selbst achten. In Dt gilt, eine Anweisung gegen Arbeitssicherheit muß nicht befolgt werden. Hier macht sich der Chef dann auch strafbar und hat massive Probleme, wenn wirklich was passiert. Ich weiß, es gibt immer Zeitdruck. Aber es dauer auf jeden Fall Länger und kostet deutlich mehr, wenn es zu einem Unfall kommt.

Manchmal hilft auch, nett zu tricksen: z.B wir wissen nicht, was das für Material ist, laß uns mal an einer Ecke einen Probeschnitt machen, damit auch unsere Maschine/ Werkzeug nicht kaputt geht. GFK macht Schneiden im Kürze stumpf.

Dann nach dem Probeschnitt die AS-Maßnahmen festlegen und umsetzen.
:emoji_slight_smile:
 

waulmurf

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oh, oh, im 21.Jahrhundert und in der Schweiz, hätte ich so nicht erwartet.

Kurze Anmerkungen (das Thema ist doch recht umfangreich):
Zuständig <-> verantwortlich
Verantwortlich ist immer derjenige, der den Arbeitsauftrag erteilen darf, also der Chef. Er muss sichere Arbeitsmittel zur Verfügung stellen und Bestimmungen des Arbeitsschutzes umsetzen (Schutzvorrichtungen an Maschinen, Absaugung, persönliche Schutzausrüstung usw.). Um die richtigen Maßnahmen zu ergreifen, muss er vorher die Gefährdungen beurteilen. Und das aufschreiben!
Und darüber regelmäßig unterweisen.

Die Mitarbeiter sind zur Mitarbeit verpflichtet (also z.B. Prüfen des verwendeten Arbeitsmittels, Tragen von Schutzbrille etc.).

Außerdem müssen in Werkstätten Betriebsanweisungen für die Maschinen (schnelldrehende Werkzeugmaschinen) aushängen.
Betriebsanweisungen enthalten Informationen, wie Tätigkeiten am Arbeitsplatz sicher durchgeführt werden. Dies umfasst die sichere Bedienung der Arbeitsgeräte, Einflussfaktoren am Arbeitsplatz sowie Verhaltensregeln für den Notfall und umweltgerechte Entsorgung.

Selbstverständlich können bei neuen Materialien auch andere Gefährdungen auftreten (Beispiel: Teflon erfordert anders angeschliffenes Werkzeug und andere Drehzahlen, wenn es zu heiss wird, entstehen gesundheitsschädliche Dämpfe), das muss man vorher abklären.
Der Chef kann natürlich auf die Fachkenntnisse der Mitarbeiter vertrauen oder sie beauftragen nachzulesen. Aber er ist verantwortlich, und zwar in vollem juristischem Sinne.
Die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen sollten das ständig kontrollieren. Sie müssen nämlich im Ernstfall die Krankheitskosten bezahlen. Nur bei schweren Verstößen gegen das Arbeitsschutzgesetz holen sie sich das Geld zurück.

Diese Regelungen gehen auf den ollen Bismarck zurück (1884). Und auf der Berner Konferenz von 1906 wurden diese Regelungen von vielen europäischen Staaten übernommen.

So, entschuldige bitte, es ist doch etwas mehr geworden. Aber es ist halt mit mir durchgegangen. Das Verhalten mancher Verantwortlicher ist schlicht unbegreiflich. Übrigens, meines Wissens nach sind die Regelungen in der Schweiz nicht viel anders.

Bleib gesund
waulmurf
 

WinfriedM

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Da würde ich aber genau abwägen, ob ich Sicherheitsbeauftrager werden will. Hatte da auch schon ganz schlechte Erfahrungen mit. Wenn nämlich der Chef nicht hinter einem steht und man immer wieder unbequem für die Kollegen wird, steht man allein auf weiter Flur, hat keine Macht, was durchzusetzen und keine Freunde mehr. Schlimmstenfalls endet das in Mobbing und verlassen der Firma. Oder man lässt alles durchgehen, weil man keine Lust mehr auf Stress mit Kollegen hat. Es ist ja im Grunde deine Aufgabe, unbequeme Ansagen zu machen und unbequeme Forderungen zu stellen. Die Einsicht der Kollegen muss man sich mitunter schwer erkämpfen und manchmal wird es nie zu Einsicht kommen, da hilft nur Durchsetzungskraft.

Ich würde sowas nur noch machen, wenn der Chef wirklich dahinter steht und mich in der Umsetzung unterstützt.
 

Anubix

ww-fichte
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Sicherheitsbeauftragter? In das Wespennest würde ich mich in keiner Firma setzen! Man hat eigentlich immer alle gegen sich.
Ich habe, was Arbeitssicherheit angeht, ein ganz einfaches Motto:

"In diesem einem Leben, hat ein jeder auf sich selbst acht zu geben!"

Dieser Spruch stand im Heizwerk, wo mein Vater lange Jahre gearbeitet hat, ganz oben an der Wand.

Bevor ich meine Gesundheit wissendlich gefährde, kündige ich!

Was passieren kann, wenn man den Arbeitschutz zu sehr Bürokratisiert, hat mir ein Arbeitskollege erzählt.
Bei den Amis, sollte im Kraftwerk ein Generator Revidiert werden. Also wurde er streng nach Checkliste abgeschaltet und der Monteur ist hinein gekrochen.
Ergebnis: Monteur gegrillt! :mad:
Es lag noch Spannung an! 10.000V Es war einfach ein Schalter falsch beschriftet und auf der Checkliste stand nichts von Spannungsfreiheit feststellen.
 

Thomas09

ww-eiche
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Was passieren kann, wenn man den Arbeitschutz zu sehr Bürokratisiert, hat mir ein Arbeitskollege erzählt. ...

Klar muss man auch selber darauf achten und vielleicht erst nochmal überlegen, aber Checklisten sind, wenn sie richtig gemacht sind, sehr gut! Erstens kann im Prinzip "jeder" die entsprechenden Checks durchführen und zweitens vergisst man nichts aus versehen. (vorausgesetzt, es wird Gewissenhaft durchgeführt).

Nicht umsonst werden in Flugzeugen vor dem Start lange Listen durchgekaut.
 

Schlagschnur

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Nicht umsonst werden in Flugzeugen vor dem Start lange Listen durchgekaut.[/QUOTE]

Wir sind aber nicht in der Luftfahrt wo es um hunderte Menschenleben geht sondern im Handwerk. Und versuch mal in einer kleinen Tischlerei alle vorgeschrieben Sicherheitsregeln einzuhalten. Meistens ist schon der Platz nicht da um alle Fluchtwege freizuhalten. Da macht man sich bei der Belegschaft einfach nur unbeliebt. Sicherheit geht über alles, das ist klar. Nur sollte man die Kirche auch manchmal im Dorf lassen. Wenn es nicht um gravierende Sicherheitslücken geht!
Und viele kennen bestimmt auch die beliebten Besuche von der BG. Die haben natürlich in den allermeisten Fällen absolut Recht. Aber was da teilweise für ein Stuss verlangt wird ist mir unbegreiflich.
Stichwort Fusswege freihalten damit auch ein Rollstuhlfahrer durchkommt. Ich sage ich habe aber sonst keine Möglichkeit die Sachen unterzubringen. Das ist denen dann völlig egal. Obwohl bei mir 10 Jahre kein Rollstuhlfahrer im Betrieb war!
Just my 2 cents
 

WinfriedM

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Oh ja, Checklisten verleiten dazu, sein Denken abzuschalten. Ist mir auch schon ein paar mal passiert. Am besten, man schreibt auf die Checkliste am Ende auch noch: "Gehirn einschalten und gesunden Menschenverstand nutzen!" :emoji_wink:

Umgedreht haben mir Checklisten schon oft richtig gut geholfen. Das geht schon mit dem richtigen Werkzeug los, was man dann nicht mehr vergisst.

Das richtige Maß zu finden, was man an Vorschriften wirklich immer einhält und wo man mal ein Auge zudrücken kann, ist auch nicht immer einfach. Gerade in überregulierten Bereichen, wo völlig unsinnige Forderungen aufgestellt werden, führt das nicht selten dazu, dass nichts mehr ernst genommen wird und man das Gegenteil erreicht.
 

magmog

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guude,

ich kann nur raten einen Betrieb, in dem Unfallschutz als Belästigung und unnötig kostenverursachend betrachtet wird, zu verlassen.
In solchen Betrieben ist es mit sonstiger Menschenachtung meistens auch nicht Weit her.
 
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